Jahresbilanz des Nabu: Naturschutzbund disst Regierung
Artensterben nicht gestoppt. Klimaschutz? Fehlanzeige. Der Nabu ist unzufrieden mit der Großen Koalition. Sein Rat: Grüne in die Regierung.

taz | Zwei Monate vor der Bundestagswahl hat der Naturschutzbund (Nabu) der Großen Koalition ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. „Die Ressorts für Landwirtschaft und Verkehr verhagelten die Ökobilanz gewaltig mit ihrer rückwärtsgewandten Politik“, teilte Deutschlands mitgliederstärkste Umweltorganisation am Freitag mit. In der Energiepolitik fehle weiterhin ein klares Bekenntnis zum Kohle-Ausstieg.
“Vögel und Insekten verschwinden, das Höfesterben geht voran, genauso wie die Belastung der Böden und des Grundwassers mit Nitrat zunimmt“, sagte Verbandspräsident Olaf Tschimpke. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) unternehme nichts gegen den Verlust von Pflanzen- und Tierarten.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lege zwar anspruchsvolle Konzepte vor und habe das EU-Naturschutzrecht vor der Abwicklung gerettet. Den Artenschwund habe dies jedoch nicht gestoppt.
“Die aktuelle Agrarpolitik gefährdet die Artenvielfalt“, so Tschimpke weiter. Nötig sei, die Agrarsubventionen umzuverteilen. „Landwirte, die konkrete Umweltleistungen erbringen, sollen dafür auch mehr Geld erhalten“.
Lob für die Grünen
Versagen sieht Tschimpke auch bei Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Weder habe der Verkehrssektor einen Beitrag zum Klimaschutzplan 2050 geleistet noch sei der Abgasskandal bei Dieselautos aufgeklärt worden.
Die Gewerkschaften hätten in den Aufsichtsräten der Autokonzerne hätten ihr Mitbestimmungsrecht zu wenig genutzt. Dabei würde der Reputationsverlust wegen der Umweltverstöße auch Arbeitsplätze gefährden.
Der Bundestagswahl im September sieht Tschimpke mit Sorge entgegen. Weder Union, noch FDP oder SPD schrieben Umwelt- und Naturschutz Bedeutung zu. „Ohne eine Regierungsbeteiligung der Grünen sehe ich deshalb keine Chance für Veränderungen“, sagte der Nabu-Präsident. Bei der Klimapolitik sehe es da schon etwas besser aus: Internationale Abkommen erzeugten Handlungsdruck, egal, welche Koalition ab Herbst regiere.
Mehr Mitglieder, mehr Geld
Trotz dieser negativen Bilanz für die Bundesregierung war 2016 aus Sicht Tschimpkes ein erfolgreiches Jahr für den Nabu. Die Zahl der Mitglieder und langfristigen Förderer stieg von 560.000 auf 620.000, darunter 40.000 aktive Mitglieder. Die Mehrzahl der Aktiven seien Senioren. Der Jugendverband hat 85.000 Mitglieder.
Die Einnahmen seien von 38 Millionen auf 44,6 Millionen Euro gestiegen. Deshalb konnte der Verband mehrere neue Projekte unterstützen, darunter die Einrichtung von Biosphärenreservaten in Äthiopien und ein Projekt zur Renaturierung der Unteren Havel.
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