Italiens Haushaltsdefizit: Rom und Brüssel bleiben hart
Die EU-Kommission leitet ein Defizitverfahren gegen Italien ein. Es könnte mit einer Strafe in Milliardenhöhe enden.
„Wir hatten keine andere Wahl“, begründeten die beiden für den Euro zuständigen EU-Kommissare Valdis Dombrovskis und Pierre Moscovici die Entscheidung. „Mit dem, was die italienische Regierung auf den Tisch gelegt hat, sehen wir die Gefahr, dass das Land in die Instabilität schlafwandelt“, sagte Dombrovskis. „Wir handeln im Interesse der italienischen Bürger“, beteuerte Moscovici.
Die populistische Regierung in Rom plant 2019 eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent, Brüssel hält höchstens 0,8 Prozent für vertretbar. Mit einem höheren Defizit könne der italienische Schuldenberg von über 130 Prozent der Wirtschaftsleistung weiterwachsen und außer Kontrolle geraten, warnt Dombrovskis. Dies könne die Stabilität der gesamten Eurozone gefährden.
Auf Nachfrage räumte Dombrovskis aber ein, dass es bisher keine „Ansteckungsgefahr“ für andere Euroländer gebe. Der Euro sei stabil, die Defizite in der Währungsunion lägen auf einem historischen Tiefstand. Selbst die seit der Eurokrise berüchtigten „Spreads“, also die Risiko-Aufschläge auf italienische Staatsanleihen, liegen noch nicht in einem gefährlichen Bereich.
„Schuldensünder“ gegen „Spardiktat“
Um das Defizitverfahren gegen Italien zu begründen, greift die EU-Kommission denn auch zu einem Trick: Sie beruft sich nicht auf die Neuverschuldung, sondern auf die Altschulden, die die Regierung in Rom von ihren Vorgängern geerbt hat. Nach den EU-Regeln dürfen diese Altschulden nicht höher als 60 Prozent liegen.
Bis es tatsächlich zu einem förmlichen Strafverfahren und eventuell sogar zu Geldstrafen kommt, dürfte noch einige Zeit vergehen. Die EU-Kommission muss eine Stellungnahme der Mitgliedstaaten einholen, bevor sie das Verfahren eröffnen kann. Das könnte bis Dezember dauern, vielleicht auch bis Januar. Über mögliche Sanktionen würde – wenn überhaupt – erst deutlich später entschieden. Im Falle Italiens sind Geldstrafen von bis zu 3,4 Milliarden Euro möglich.
Bisher sind noch nie Geldstrafen gegen „Schuldensünder“ verhängt worden. Man setze weiter auf Dialog, betonte Moscovici. Tatsächlich sind bereits weitere Gespräche geplant. So wird Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Samstag den italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zu einem Abendessen treffen. Mit einem Durchbruch wird nicht gerechnet.
Vielmehr sieht es so aus, als könne sich der Streit verselbständigen – und zu einem Wahlkampfthema werden. Der Chef der rechten Lega, Matteo Salvini, hat bereits Kundgebungen gegen das „Spardiktat“ aus Brüssel angekündigt. Die Rechtspopulisten versuchen offenbar, politisches Kapital aus der Konfrontation mit der EU zu schlagen. Aber auch einige Reaktionen aus Brüssel lassen bereits an die Europawahl im Mai 2019 denken.
„Wirtschaftspolitik mit geladener Beretta“
„Italien hat die Eskalation gesucht, und das ist nun die Antwort“, kommentierte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Ich erwarte, dass die Kommission den möglichen Strafrahmen vollumfänglich ausschöpft.“ Hinter die EU-Kommission stellt sich auch der grüne Finanzexperte Sven Giegold. „Wahlgeschenke an die Wähler der Regierungsparteien rechtfertigen keine Mehrausgaben“, sagte er.
Allerdings äußerte Giegold auch Verständnis für die Probleme in Rom. Mehrausgaben könnten sinnvoll sein, wenn sie Italiens Wirtschaft wiederbeleben, sagte er. „Für ökonomisch sinnvolle Ausgaben könnte Europa temporär ein Defizit von maximal 2,4 Prozent akzeptieren“, so Giegold. Zudem müssten die Stabilitätsregeln reformiert werden. Mit ihrer harten Haltung machten die italienischen Populisten eine Reform der Währungsunion jedoch noch schwerer.
Vor einem „Bumerang für die Eurozone“ warnt der linke Finanzexperte Fabio De Masi. Strafzahlungen belasteten das Land zusätzlich und könnten die Zinsen in die Höhe treiben. „Das ist Wirtschaftspolitik mit geladener Beretta“, so De Masi. Es werde die Wut auf Brüssel und Berlin in Italien weiter anheizen.
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