piwik no script img

Italien vor den ParlamentswahlenItaliens Rechte auf der Überholspur

Vor Italiens vorgezogenen Parlamentswahlen im September präsentiert sich das rechte Lager geeint. Das Mitte-links-Bündnis hingegen wackelt gewaltig.

Setzt sich in Italiens Rechter durch: Postfaschistin Giorgia Meloni Foto: Alessandro Bremec/imago

Rom taz | Angesichts der Parlamentswahlen am 25. September bringen sich in Italien die politischen Lager in Stellung. Die favorisierte Rechte hat ihre Reihen geschlossen, im Mitte-links-Lager dagegen geht das Gezerre um ein Wahlbündnis weiter – ganz zum Vorteil der Rechten.

Am Mittwochabend trafen sich die An­füh­re­r*in­nen der Rechtsformationen in Rom zu einem Gipfel, um zwei Fragen zu klären. Wer hat nach der Wahl Zugriff auf das Amt des Ministerpräsidenten? Und nach welchem Schlüssel sollen die Wahlkreise zwischen den Parteien der Allianz aufgeteilt werden?

Eindeutig stärkste Kraft im rechtspopulistischen Lager ist derzeit die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia (FdI – Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni mit 23 bis 24 Prozent in den Meinungsumfragen. Die Lega unter Matteo Salvini musste dagegen einen Abstieg auf 14 Prozent hinnehmen, und Silvio Berlusconis Forza Italia kommt nicht über 10 Prozent hinaus. Hinzu kommen drei kleinere Zentrumslisten, die zusammen 5 Prozent erreichen.

Für Meloni war deshalb klar: Die Partei, die im Bündnis am Wahlabend vorne liegt, hat bei einem Sieg der Rechten Anspruch darauf, den oder die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in zu stellen. Er oder besser sie hieße dann Giorgia Meloni. Zum ersten Mal in Italiens Geschichte würde eine Frau Regierungschefin, zum ersten Mal aber auch die Anführerin einer aus der faschistischen Tradition kommenden, rechtsreaktionären, ultranationalistischen, fremdenfeindlichen und europaskeptischen Partei.

Die Post­fa­schis­t*in­nen geben den Ton an

Salvini und Berlusconi sträubten sich zwar dagegen, Melonis Ambitionen abzu­nicken – doch angesichts ihres Ultimatums, anderenfalls komme die Rechtsallianz gar nicht zustande, knickten sie ein. Klein beigeben mussten sie auch bei der Verteilung der Wahlkreise.

Nach italienischem Wahlrecht werden 221 der 600 Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat direkt in Personenwahlkreisen vergeben, während die übrigen Mandate im Proporzverfahren an die Parteilisten gehen. Wie von Meloni gefordert, nahm die Rechte die Verteilung nach der aktuellen Stärke in den Umfragen vor.

Die Kan­di­da­t*in­nen werden in 98 Wahlkreisen von der FdI gestellt, in 72 von der Lega, in 40 von Forza Italia und in 11 von den kleinen Zentrumslisten. Was das Wahlprogramm der Rechten angeht, gab jedoch am Mittwochabend Salvini den Ton an: „Flat tax (Einheitssteuersatz auf die Einkommen; Anm. d. Red.) von 15 Prozent und Blockade der Ankünfte von Tausenden Migranten“, lautete sein Motto.

Weit schwerer als die Rechte tut sich das Mitte-links-Lager in der Aufstellung für die Wahlen. Dort ist die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) unter Enrico Letta mit etwa 23 Prozent die beherrschende Kraft. Am Dienstagabend hielt er vor dem erweiterten Parteivorstand eine leidenschaftliche Rede, in der er von einer Schicksalswahl für Italien und Europa sprach: „Meloni oder wir“, das sei die Alternative.

Um die Chancen des eigenen Lagers zu erhöhen, will die PD ihre Listen für kleinere Kräfte der Linken öffnen. Zugleich hofft sie auf drei weitere Listen. Das Spektrum links von der PD soll die Liste „Neue Energien“ abdecken, in der sich die radikal linke Sinistra Italiana (Italienische Linke) und die Grünen zusammengetan haben und die in den Umfragen auf bis zu 5 Prozent kommt.

Eine zweite Liste soll vom Noch-Außenminister Luigi Di Maio aufgestellt werden, der sich vor einem Monat samt seinen Gefolgsleuten von den Fünf Sternen abgespalten hat. In den Umfragen erreicht er nur bis zu 2 Prozent.

Dann wäre da noch eine Zentrumsliste unter Carlo Calenda, der 2019 für die PD ins Europaparlament gewählt wurde, sich dann aber mit der Partei überwarf und heute wirtschaftsliberale Positionen vertritt. Er kann auf bis zu 6 Prozent zählen – zögert aber, sich der Mitte-links-Allianz anzuschließen.

Mit oder ohne ihn bliebe das Mitte-links-Bündnis der Rechten numerisch weit unterlegen. Dennoch hat PD-Chef Letta gegenüber den Fünf Sternen die Tür zugeschlagen, nachdem sie zum Sturz der Regierung Draghi beigetragen hatten. Mit den „Verrätern Italiens“ könne es kein Bündnis geben, so Letta. Deshalb werden die Fünf Sterne mit ihren etwa 10 Prozent der Stimmen separat antreten – zur Freude der Rechten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Italiener sollten endlich ihre Probleme in den Griff bekommen und sich nicht weiter von der EZB auf unsere Kosten finanzieren lassen. Eine bodenlosse Frechheit.

    Was die Rechten in Italien angeht, so ist die EU nicht ganz unschuldig, denn in Sachen Flüchtlingen lässt man Italien immer noch im Regen stehen. Kein Wunder, dass die Faschisten Auftrieb erhalten.

  • Ich habe ein Problem: was bitte schön unterscheidet Postfaschisten von Faschisten??? Diese gesamten Postbegriffe verharmlosen nur.