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Israels Pläne für GazaEs hängt an Netanjahu

Felix Wellisch
Kommentar von Felix Wellisch

Nun ist es klar: Israel will Gaza wieder okkupieren, die Folgen dürften fatal sein. Die letzte Hoffnung ist Israels Bevölkerung.

Die Konsequenzen: Eine Mutter trauert um ihren Sohn, der durch einen israelischen Luftangriff in Khan Younis getötet wurde Foto: Hatem Khaled/Reuters

D en gesamten Gazastreifen will die israelische Regierung militärisch erobern und auf unbestimmte Zeit besetzen. Damit ist ein Kernanliegen der religiös-nationalistischen Siedlerbewegung zur Regierungslinie geworden. Die zwei Millionen Palästinenser, die die Armee derzeit mit Ansage aushungert, sollen laut Medienberichten auf einem Bruchteil des Küstenstreifens zusammengetrieben werden. Dass die Regierung nur darauf wartet, sie in andere Länder „umzusiedeln“, daraus macht Ministerpräsident Netanjahu kein Geheimnis.

Unerwartet kommt der Schritt nicht. Schon im Februar vergangenen Jahres hatte Netanjahu angekündigt, Israel werde nach dem Krieg die „Sicherheitskontrolle“ in Gaza behalten. Ein erster Schritt dorthin war, dass der Regierungschef entgegen der Einschätzung von Armee und Geheimdiensten auf der Kontrolle des Philadelphi-Korridors zwischen Gaza und Ägypten beharrte. Dabei trieben ihn wie schon vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 besonders zwei Ziele: um jeden Preis an der Macht zu bleiben und jede moderate palästinensische Selbstverwaltung im Keim zu ersticken.

Die Grundlagen für neue Gewalt werden indes zementiert, wenn die Armee künftig inmitten einer Bevölkerung stationiert wird, die ihr nach 19 Monaten Dauerbombardement mit mehr als 50.000 Toten feindlicher als je zuvor gegenübersteht. Die Hamas wird trotz allem Leid kaum kapitulieren. International ist seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wenig Druck gegen Netanjahu zu erwarten. Widerspruch könnte stattdessen aus Israel selbst kommen. Umfragen zeigen seit Monaten, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung den Krieg für die Rückkehr der Entführten beenden würde.

Es wäre nicht das erste Mal in der israelisch-palästinensischen Geschichte, dass Verständigung aus Pragmatismus möglich wird. Doch mit Netanjahu an der Spitze, der die Spaltung der traumatisierten israelischen Gesellschaft wie kein Zweiter auf zynische Weise zu nutzen weiß, dürften diese Stimmen der Vernunft ungehört verhallen.

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Felix Wellisch
Korrespondent
berichtet für die taz aus Israel und den palästinensischen Gebieten. Geboren 1989. Er hat Politik- und Sozialwissenschaften in Jena, Dresden und Kairo studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Ernst Cramer & Teddy Kollek-Fellow.
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16 Kommentare

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  • Ich glaube sogar, dass das nicht sein ursprüngliches Ziel war. Krieg verändert die Menschen, und nicht zum Guten.

  • Einen Artikel,der nicht mal die Vorgeschichte erwähnt, nämlich das Israel den Gazastreifen geräumt hat und alle Siedlungen dort abgebaut haben und was danach passiert ist: Den kann man nicht Ernst nehmen.

    • @Peter Schütt:

      ...und dass Israel fast alles unternommen hat, um das Leben der palästinensischen Bewohner möglichst unerträglich zu machen. Abhängigkeiten in der Versorgung, Schließung/Wiedereröffnung von Grenzübergängen usw. gehörte seitdem zu den Instrumenten. Ja, ja, ich höre schon die Sprüche "Aber die Hamas..." Ja, die haben genauso unverantwortlich gehandelt. Doch das zeigt einmal mehr, dass es eben BEIDE Seiten sind, die Verbrechen begehen. Beide haben ein Ziel, nämlich das Volk der jeweils anderen Seite zu vernichten.



      Wer das außer Acht lässt handelt fanatsich und Fanatismus verhindert jede vernünftige Lösung.

      • @Perkele:

        Ihr es liegt an beiden Seiten Kommentar wirkt etwas deplatziert unter einem Artikel mit dem Titel Es hängt an Netanjahu. Das Gegenteil ist richtig. Netanjahu hat für den eigenen Machterhalt kaum noch eine Wahl als sich als Hardliner zu gerieren sonst wäre er schnell weg vom Fenster. Die Palästinenser dagegen könnten seit Jahrzehnten einen eigenen Staat und Frieden haben, wenn sie das denn nur wirklich wollen würden. Der Fehler der Israeli und des Westens war ja über Jahrzehnte die Annahme die dortige Bevölkerung würde sich irgendwann schon rational nach unseren Maßstäben verhalten. Die Rechnung wurde da allerdings ohne den jihadistischen Islamismus gemacht, der ein friedliches Zusammenleben mit solchen Gesellschaften für Nichtmuslime komplett ausschließt.

  • Welche Lösung gibt es denn aktuell für den Gazastreifen?

    Die Terrorgruppen haben mit ihren jahrelangen Attacken auf Israel, die im bestialischen Überfall gipfelten, jegliche Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung immer weiter verneint.

    Die Palästinenser haben im Gazastreifen zu wenig gegen die Terroristen getan und tun immer noch zu wenig.

    Die Hamas ermordet Paläsinenser wie es ihr gerade gefällt.

    Mit Netanjahu ist in Israel ein Rechter an der Macht, dem die vom IRAN aufgerüstete. Terroristen gerade recht kommen, um seine skrupellose Politik rechtfertigen zu können.

    Was hat es den Palästinensern gebracht, die Terroristen gewähren zu lassen? Nichts außer Leid und Tod.

    Es kann keinen Frieden geben solange die Terroristen in Gaza das Sagen haben. Hier liegt der Schlüssel zum Frieden.

  • Interessant was eine Demokratie und deren offiziellen Vertreter alles machen können, während andere Demokratien und eine weltweite Öffentlichkeit dabei tatenlos zu schauen... Und traurig zu sehen was Menschen, im Namen von Nationalismus und Religion, offenbar bereit sind zu tun.

  • 'Dass die Regierung nur darauf wartet, sie in andere Länder „umzusiedeln“, daraus macht Ministerpräsident Netanjahu kein Geheimnis.

    Unerwartet kommt der Schritt nicht.'

    Nein, beileibe kommt das nicht unerwartet, zumindest nicht bei neutralen Beobachtern, und hätte hier so auch wesentlich früher entsprechend kommentiert werden können. Schon in den ersten paar Monaten hat die Israelische Armee mit ihrer Stoßrichtunng von Nord nach Süd die Menschen in Gaza Richtung Ägypten gedrängt, natürlich mit dem Ziel, sie aus dem Streifen zu verdrängen (immer auch begleitet mit dem Vorwurf, Ägypten mache sich mitschuldig an dem Leid der Palestinener, weil / wenn es seine Grenzen nicht öffnet.

    • @EffeJoSiebenZwo:

      „ Ägypten mache sich mitschuldig an dem Leid der Palestinener, weil / wenn es seine Grenzen nicht öffnet.“

      Tut Ägypten auch, es bricht Völkerrecht und ignoriert die individuellen Rechte auf Flucht und die kollektiven Rechte auf Freizügigkeit.

  • "International ist seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wenig Druck gegen Netanjahu zu erwarten."



    Allein dieser Satz treibt Tränen des Zorns in die Augen. Aha, Trump soll es also richten?! Stimmt, uns bindet ja die Staatsräson die Arme auf den Rücken. Schande, Schande, Schande.

    • @Trabantus:

      Weshalb Sie da Zorn verspüren, müssten Sie erklären.

      Es geht nicht um Trump als Person, sondern um die USA.

      Die USA können den Druck auf Netanjahu nur ausüben, weil sie andererseits auch für Israels Sicherheit einstehen.

      Wünschen Sie sich, dass die Bundeswehr Anlagen der Huthi im Jemen bombardiert?

      Deutschland als neuer Weltpolizist?

      Da dürften Sie in diesem Land ziemlich allein dastehen.

      Wenn Sie sich schämen wollen, ist das Ihr Ding.

  • Zynisch finde ich nur, wie hier ein ums andere Mal völlig außer Acht gelassen wird, dass die Palästinenser diesen Krieg begonnen haben.



    Ich schreibe bewusst 'die Palästinenser', denn egal ob beim Massaker an israelischen Zivilisten oder dem seit Jahrzehnten andauernden, beinahe täglichen Raketenbeschuss Israels aus dem Gazastreifen - immer sieht man die Bevölkerung johlend und feiernd im TV.



    Wo ist da das Mitgefühl?



    Wo sind da die Stimmen der Vernunft?



    Das Land möchte ich sehen, dass nach jahrzehntelangem Beschuss, dass seine Zivilbevölkerung unter einem Raketenschutzschild (Iron Dome) tagtäglich verstecken muss, hier nicht endgültig die "Sicherheitskontrolle" übernehmen wollen würde.

    • @Farang:

      Die Stimmen der Vernunft ob Howidy und andere werden gefoltert, ermordet, mundtot gemacht und flüchten.

    • @Farang:

      Es gehört sicherlich dazu, dass man, wie Sie, beispielsweise Mitgefühl verlangt, oder danach fragt. Die Kulturen, ich wage diese These, muss man auf den Kern hin vergleichen und in die Pflicht nehmen, zB Grundrechte/Menschenrechte, sonst kommt man leider nicht weiter. "Johlende Menschen", wenn jemand stirbt, wünsche ich auch mir nicht, aber das Gegenteil kann man nicht verlangen. Und wer dies verlangt, der hat keine geeignete Erfahrung, oder macht vorsätzlich solches Verlangen auf. Des Weitern ist "Feiern und Johlen", wenn jemand stirbt, auch kein Grund, diese Menschen dafür umzubringen, oder in schwerstes Elend zu stürzen. Im Übrigen gab es diese Gegenstimmen, gegen die Politik der Hamas und gegen die Politik Israels (auch wenn Sie das nicht gemeint haben). Für mich heißt das, es gibt Vernunft = Humanität zwischen Menschen aus "allen Erdteilen". Davor haben Rechte, andere Konservative und ähnliche Spinner auf der gesamten Welt die größte Angst, weil das die Vernünftigen auch wehrhaft macht. Deshalb wünsche ich mir mehr davon.

    • @Farang:

      Das ist in mehrfacher Hinsicht verkürzt: Sie blenden nicht aus, dass dieser Artikel nicht für sich allein steht, sondern Teil einer durchaus differenzierten Berichterstattung in der taz ist, in der es immer wieder auch um die Geiseln und ihre Angehörigen geht. Sie ignorieren auch, dass dieser Krieg und mit ihm der ganze NO-Konflikt eben nicht nur von den Palästinensern ausgeht, sondern diese auch (!) das Opfer von Jahrzehnten Vertreibung und Besatzung sind. Wenn Sie sich dann noch in Kollektivschuldthesen steigern und ein ganzes Volk zum Tätern erklären, müssen Sie sich die Frage stellen, ob damit die Grenze zum Rassismus nicht längst überschritten ist.

  • Höchstens 24 Geiseln sind am Leben, den Rest haben Hamas und Gazaner Gruppen zu Tode gefoltert.

    Dutzende Leichen hält Hamas auch noch. Statt diese freizugeben ermordet Hamas Protestierende gegen ihr Regime.

    Die Berichterstattung über das Ende des zweiten Weltkrieges zeigt wie ähnlich Fatalisten und Menschenfresser Menschen kurz vor Niederlagen umbringen. Deren Flucht verhindern wollen.

    Gegen Hamas Terror hilft Geldfluß aus Katar zu unterbinden, Waffenfluß aus dem Iran. Dafür braucht es den Philadelphia Korridor, der nur nicht gehalten werden sollte, da Militärs denken, dass Hamas eh wieder angreift.

    Die Kibbutzim peaceniks hat Hamas ausgelöscht unter Applaus der Linken internationalen Gemeinschaft.

    Gehasst wird Hamas durch den Mord an Shoa überlebenden und Babies, Kindern, wie nicht zuvor.

    • @AlHozo Hoto:

      Ahem, gute Idee mit dem Geldfluss aus Katar. Welcher israelische Premierminister hat nochmal Lieferungen von Bargeld von Katar an die Hamas ermöglicht, um die PA klein zu halten?



      Ihr Kommentar hier liest sich leider wie billiger Whataboutism. Es geht hier darum, dass ein selbstsüchtiger Politiker in Eigeninteresse und Verbund mit Rechtsextremen dabei ist, jegliche Fundamente der israelischen Gesellschaft zu untergraben. Ein tatsächliches Interesse daran, sich um die Sicherheit von Israelis zu kümmern (Palästinenser:innen spielen für die Leute, die Hunger explizit als Kriegswaffe einsetzen, ja ohnehin keine Rolle), sehe ich da nicht, die werden als Soldaten in Gaza verheizt in der Erfüllung der feuchten Träume der religiös-fundamentalistischen Siedlerbewegung. Das Trauerspiel lässt sich inzwischen auch nicht mehr mit dem Verweis auf die verbrecherische Hamas schönreden oder entschuldigen.