Israels Gaza-Offensive: Flüchtlinge in UN-Schule getötet
Über Nacht wurden in Gaza über 30 Palästinenser Opfer israelischer Angriffe, unter anderem in einem UN-Camp. Mehr als 200.000 Menschen sind auf der Flucht.
GAZA afp/ap/dpa/rtr | Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen sind in der Nacht zum Mittwoch mindestens 32 Palästinenser getötet worden, ein Großteil davon in einer als Zufluchtstätte genutzten Mädchenschule des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Dschabalija. Das UNRWA sprach nach dem dortigen Angriff mit Panzergranaten von 16 Toten, Ärzte gaben die Zahl der Toten mit 20 an. 90 weitere Palästinenser seien verletzt worden, sagte der örtliche Gesundheitsbeamte Aschraf al-Kidra.
Zwei Klassenräume des Schulgebäudes im Lager Dschabalija wurden von Panzergranaten verwüstet. UNRWA verwaltet mehr als 80 Schulen. Angesichts israelischer Aufforderungen zum Verlassen bestimmter Angriffszonen suchen tausende von Palästinensern in den Schulgebäuden Zuflucht. Bereits am 24. Juli waren bei einem Angriff auf eine UNRWA-Schule bei Beit Hanun mindestens 15 Menschen getötet und 200 verletzt worden.
Nach den schlimmsten Bombardierungen seit Beginn der israelischen Militäroffensive machen sich zunehmend Panik und Verzweiflung breit. Immer mehr verängstigte Menschen versuchten, zu entkommen. Sie flohen in eine von 85 UN-Einrichtungen, die als Notunterkünfte dienen. Die Zahl der Schutzsuchenden gab UNRWA-Sprecher Chris Gunness, am Dienstagabend mit mehr als 200.000 an. Das waren fast 20.000 mehr als noch am Morgen.
Die palästinensischen Rettungsdienste kommen in ihrer Zusammenstellung zu der jüngsten militärischen Konfrontation, die am 8. Juli begann, auf insgesamt mindestens 1.260 getötete und mehr als 7.000 verletzte Palästinenser. Unter den jüngsten Toten sind acht Mitglieder einer Familie in der Stadt Chan Junis sowie zwei Mädchen im Alter von elf und 16 Jahren.
Mindestens 240 Kinder getötet
Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef wurden im Gazastreifen bislang mindestens 240 Kinder getötet. Auf israelischer Seite starben bislang 53 Soldaten und drei Zivilisten. Getroffen wurden über Nacht auch drei Moscheen, wie die palästinensischen Sicherheitskräfte mitteilten. Die getroffenen islamischen Gotteshäuser befinden sich demnach in Gaza-Stadt, im Lager Schati und in Rafah.
Die Bereitschaft zu einem verlässlichen Waffenstillstand schien auf beiden Seiten nicht sonderlich ausgeprägt: Die Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) erklärte zwar, die radikalislamische Hamas und der Islamische Dschihad hätten einer 24-stündigen „humanitären Waffenruhe“ zugestimmt. PLO-Generalsekretär Jassir Abed Rabbo rief auch „alle arabischen und internationalen“ Beteiligten auf, die Waffenruhe zu unterstützen und Israel vollständig für die Folgen verantwortlich zu machen, sollte es die Feuerpause ablehnen.
Hamas-Sprecher Sami Abu Suhri äußerte sich jedoch skeptisch. Zuerst müsse die Reaktion Israels abgewartet werden. „Wir werden keine Feuerpause erklären, solange der Besatzer weiter unsere Kinder angreift“, erklärte Suhri. Es werde keine Waffenruhe geben „ohne ein Ende der Aggression und einer Aufhebung der Belagerung“, erklärte auch der Chef der Essedin-al-Kassam-Brigaden, Mohammed Deif. Die Brigaden sind der militärische Arm der Hamas.
Israels Sicherheitskabinett berät am Mittwoch erneut über eine mögliche Waffenruhe. Auch die Möglichkeit einer Ausweitung der Offensive stehe zur Debatte, berichteten israelische Medien. Der seit 23 Tagen andauernde Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer ist inzwischen Israels längster Krieg seit 2006. Er dauert schon länger an als die Konflikte im Gazastreifen in den Jahren 2009 und 2012. Der israelische Rundfunk meldete am Donnerstag, ein türkischer Gesandter sei nach Israel gekommen, um sich für eine Waffenruhe einzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung