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Israels Angriff auf IranBundeskanzler Merz warnt vor weiterer Eskalation

Nach dem Beginn von Israels Angriff auf Iran drängt die Bundesregierung die Konfliktparteien zur Zurückhaltung. Sie betont aber das Recht Israels sich zu verteidigen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) warnt vor einer Eskalation in der Nahost-Region, 13.6.2025 Foto: Markus Schreiber/ap

Berlin taz/dpa | Nach Israels Angriff auf den Iran haben Bundeskanzler Friedrich Merz und Außenminister Johann Wadephul (beide CDU) die Konfliktparteien zur Zurückhaltung gedrängt und vor einer Eskalation in der Region gewarnt. „Wir rufen beide Seiten auf, von Schritten abzusehen, die zu einer weiteren Eskalation führen und die gesamte Region destabilisieren können“, heißt es in Erklärung von Merz vom Freitagmorgen.

Fast wortgleich äußerte sich Wadephul später in Kairo. Beide betonten das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen. „Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung“, sagte Wadephul. Der Iran habe es sich zur Staatsaufgabe gemacht, „Israel als Entität zu vernichten und Jüdinnen und Juden den Staat zu nehmen, in dem sie leben können.“

Israel hatte in der Nacht zum Freitag mehrere Ziele im Iran angegriffen, darunter in der Hauptstadt Teheran und in der Atomanlage Natans. Die Bundesregierung wurde nach eigenen Angaben kurz nach Beginn der Angriffe informiert. Zuerst habe der israelische Außenminister Gideon Sa'ar gegen 3 Uhr mit Wadephul telefoniert, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu informierte Merz gegen 4 Uhr. Bereits am frühen Morgen habe sich der Kanzler nach Bekanntwerden des Angriffs zunächst mit seinem Beraterkreis ausgetauscht, für 7 Uhr habe er dann erstmals sein Sicherheitskabinett einberufen, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius.

Teilgenommen hätten daran Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD), die Mi­nis­te­r:in­nen für Inneres, Äußeres, Verteidigung und Justiz sowie der Chef des Bundeskanzleramts und des Bundesnachrichtendiensts. Deutschland stehe bereit, mit allen verfügbaren diplomatischen Mitteln auf die Konfliktparteien einzuwirken, so Merz. Dabei stimme sich Berlin eng mit seinen Partnern ab, insbesondere mit Frankreich, Großbritannien und den USA.

Beratungen mit Macron, Starmer – und vielleicht Trump

Am Mittag wollte sich Merz dazu mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer telefonisch beraten. Auch bemühe er sich um ein Telefonat mit US-Präsident Donald Trump, sagte Kornelius.

Irans Nuklearprogramm verstoße gegen die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages und sei eine ernsthafte Bedrohung für die gesamte Region, insbesondere für den Staat Israel, so Merz weiter. Die Bundesregierung habe ihre Sorge über das weit vorangeschrittene iranische Atomwaffenprogramm „seit vielen Jahren immer wieder zum Ausdruck gebracht“.

Im Sicherheitskabinett wurde Merz' Angaben zufolge zudem beschlossen, alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz deutscher Staats­bür­ge­r:in­nen in Israel, im Iran sowie in der Region zu treffen. Zu einer genaueren Lageeinschätzung kam der Krisenstab im Außenministerium zusammen. Dessen Sprecher rief Deutsche in der Region auf, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes eng zu verfolgen und verwies auf die Krisenvorsorgelisten Elefand.

Außenminister Wadephul wird seine Nahostreise, die er am Donnerstagabend in Kairo begonnen hatte, nun nicht wie geplant durchführen können. Die Fortsetzung der Reise wie geplant nach Israel und Jordanien scheine ausgeschlossen, sagte Wadephul am Morgen in Kairo. Ob Wadephul die Reise abgebrechen wird, ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes noch offen.

Israelische Botschaft vorerst geschlossen

„Für uns ist klar: Das iranische Mullah-Regime bedroht mit seinem Nuklearprogramm Israel und die gesamte Region. Israel hat das Recht, seine Existenz und seine Sicherheit zu verteidigen“, bekundete SPD-Vorsitzende Klingbeil. Eine weitere Eskalation müsse aber vermieden werden. „Gerade der Schutz von Zivilisten muss für alle Seiten oberste Priorität haben“, so der Bundesfinanzminister. Jetzt müssten alle diplomatischen Mittel genutzt werden, „damit es zu keiner weiteren gefährlichen Gewaltspirale kommt, die die Sicherheit in der gesamten Region gefährdet“.

Die Grünen forderten Außenminister Wadephul auf, bei seiner Reise in die Region alle Parteien zu maximaler Zurückhaltung aufrufen und sich mit aller Kraft für Deeskalation und einen Schutz der Zivilbevölkerung in Israel und im Iran einsetzen. „Die Eskalation im Nahen Osten ist besorgniserregend und gefährlich – und die Situation hochkomplex“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge und verwies auf die Gefahr, die von einem nuklear bewaffneten Iran ausgehe. „Die letzten Jahre und insbesondere die vergangenen Monate haben leider gezeigt, dass das iranische Regime ungeachtet aller Warnungen, harter Sanktionen und der laufenden Gespräche sein Atomprogramm massiv vorangetrieben hat“, so Dröge. „Der Iran bricht damit zentrale Regeln wichtiger völkerrechtlicher Verträge.“

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken bezeichnete den israelischen Angriff auf den Iran als „eine gefährliche Eskalation und eine schwere Verletzung des Völkerrechtes, die nicht mit einer Selbstverteidigung zu rechtfertigen ist“. Er sei „nur so zu verstehen, dass die Regierung Netanyahu auf eine Strategie des permanenten Krieges setzt“. Das sei „ein gefährliches Hasardeur-Spiel“. Der UN-Sicherheitsrat sollte noch heute zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um den Angriff zu verurteilen, forderte van Aken. Alle Seiten müssten „sofort deeskalieren und von weiteren Angriffen absehen, auch um die betroffene Zivilbevölkerung in Iran und Israel zu schützen“.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte zum Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) in Bremerhaven, er sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass die von Israel heute Nacht durchgeführten Maßnahmen und Operationen der Sicherheit und der Existenz Israels dienlich sind“. Er fügte hinzu, die Innenminister von Bund und Ländern hätten vereinbart, Vorkehrungen zu treffen, um einen erhöhten Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen zu ermöglichen.

Die Innenminister waren angesichts der veränderten Lage vor ihrer regulären Sitzung am Freitagmorgen zusammengekommen, um über mögliche Auswirkungen der militärischen Eskalation in Nahost in Deutschland zu sprechen. Die israelische Botschaft in Berlin ist bis auf Weiteres geschlossen worden. Man reagiere damit auf die Eskalation in der Nahost-Region, teilt die diplomatische Vertretung mit.

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6 Kommentare

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  • Tja, um eine weitere Eskalation zu verhindern liefern wir dann noch mal sehr viel mehr Waffen an die israelischen Hardliner. Sehr gute Idee....

    • @Perkele:

      Vielleicht liefert der Iran nun weniger Waffen an Russland, da die Kapazitäten selber benötigt werden...

  • "„Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung“, sagte Wadephul. Der Iran habe es sich zur Staatsaufgabe gemacht, „Israel als Entität zu vernichten und Jüdinnen und Juden den Staat zu nehmen, in dem sie leben können.“ "

    Wo bitte ist das verschriftlicht dass der Iran diese raison d'etre hat, in der Verfassung findet die Suchfunktion weder Israel noch Zionist, falls Jemand nachlesen möchte:



    www.constituteproj...titution/Iran_1989

    Selbst wenn man unterstellte dass dem so sei, seit wann muss man Angriff nicht wenigstens unmittelbar bevorstehen um ein legitimes Selbstverteidigungsrecht auszulösen statt nur dass der Staat die Mittel zum Angriff hat?

  • Das Statement von Merz hat kaum Gewicht. Und die Position der EU auch nicht, die USA haben das erlaubt und nur das zählte. ber die EU badet es am Ende mit aus. Mehr Flüchtlinge, höhere Verteidigungsausgaben und die Region wird immer instabiler. An der Stabilisierung kann Merz und die EU mitwirken.

  • Der einzige der scheinbar die UN-Charta gelesen und sich mit Völkerrecht befasst hat, scheint Herr von Aken zu sein. Bei allen anderen sprüht es nur mal wieder so von westl. Doppelmoral mit der man am Ende auch wieder Krieg rechtfertigen wird. Allein der Satz: „Der Iran bricht damit zentrale Regeln wichtiger völkerrechtlicher Verträge.“- Stimmt, wäre nur schön wenn man sich genauso aufregt, wenn unsere Verbündeten (USA, Israel, GB,...) zentrale Regeln völkerrechtlicher Verträge brechen oder Völkerrechtsbrüche links und rechts begehen (von Angriffkriegen, über illegale Besatzung, Einsatz verbotener Waffen, Regime Change,...) und Menschenrechte verletzen. Da hört man oft nix. Das beste Beispiel ist ja Gaza wo man seit Monaten klare Verbrechen relativiert und entschuldigt.



    Entweder die Gesetze gelten für alle oder wir können das gleich vergessen und im Moment sieht es so aus, als würde der sog. Wertewesten mit donnerndem Applaus an der Abschaffung des Völkerrechts mitwirken. Wird nicht lange dauern bis sich andere diese Argumentationen unserer Politiker zu eigen machen und Angriffe auf andere rechtfertigen, natürlich zur Selbstverteidigung. Die Konsequenzen tragen ja immer Zivilisten.

  • Manche könnten die Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung für aggressiv halten. Ich bin hin und hergerissen, irgendwie fände ich es gut, das Beispiel würde Schule machen, China könnte zum Beispiel mal die „Bedrohung durch Taiwan“ angehen und so dem Westen den Spiegel vorhalten. Weil mir geht dieses selbstgerechte Geseiere unserer Regierungen richtig auf den Wecker. Diese Bigotterie. Menschen- und Völkerrecht, diese Worte wurden und werden vom Westen völlig sinnfrei im Munde geführt. Israel ist daran nicht schuld, sie treiben nur momentan das auf die Spitze, was die USA teilweise mit uns schon vorgemacht haben.