Israels Angriff auf Iran: Bundeskanzler Merz warnt vor weiterer Eskalation
Nach dem Beginn von Israels Angriff auf Iran drängt die Bundesregierung die Konfliktparteien zur Zurückhaltung. Sie betont aber das Recht Israels sich zu verteidigen.

Fast wortgleich äußerte sich Wadephul später in Kairo. Beide betonten das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen. „Israel hat das Recht zur Selbstverteidigung“, sagte Wadephul. Der Iran habe es sich zur Staatsaufgabe gemacht, „Israel als Entität zu vernichten und Jüdinnen und Juden den Staat zu nehmen, in dem sie leben können.“
Israel hatte in der Nacht zum Freitag mehrere Ziele im Iran angegriffen, darunter in der Hauptstadt Teheran und in der Atomanlage Natans. Die Bundesregierung wurde nach eigenen Angaben kurz nach Beginn der Angriffe informiert. Zuerst habe der israelische Außenminister Gideon Sa'ar gegen 3 Uhr mit Wadephul telefoniert, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu informierte Merz gegen 4 Uhr. Bereits am frühen Morgen habe sich der Kanzler nach Bekanntwerden des Angriffs zunächst mit seinem Beraterkreis ausgetauscht, für 7 Uhr habe er dann erstmals sein Sicherheitskabinett einberufen, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius.
Teilgenommen hätten daran Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD), die Minister:innen für Inneres, Äußeres, Verteidigung und Justiz sowie der Chef des Bundeskanzleramts und des Bundesnachrichtendiensts. Deutschland stehe bereit, mit allen verfügbaren diplomatischen Mitteln auf die Konfliktparteien einzuwirken, so Merz. Dabei stimme sich Berlin eng mit seinen Partnern ab, insbesondere mit Frankreich, Großbritannien und den USA.
Beratungen mit Macron, Starmer – und vielleicht Trump
Am Mittag wollte sich Merz dazu mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer telefonisch beraten. Auch bemühe er sich um ein Telefonat mit US-Präsident Donald Trump, sagte Kornelius.
Irans Nuklearprogramm verstoße gegen die Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages und sei eine ernsthafte Bedrohung für die gesamte Region, insbesondere für den Staat Israel, so Merz weiter. Die Bundesregierung habe ihre Sorge über das weit vorangeschrittene iranische Atomwaffenprogramm „seit vielen Jahren immer wieder zum Ausdruck gebracht“.
Im Sicherheitskabinett wurde Merz' Angaben zufolge zudem beschlossen, alle notwendigen Vorkehrungen zum Schutz deutscher Staatsbürger:innen in Israel, im Iran sowie in der Region zu treffen. Zu einer genaueren Lageeinschätzung kam der Krisenstab im Außenministerium zusammen. Dessen Sprecher rief Deutsche in der Region auf, die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes eng zu verfolgen und verwies auf die Krisenvorsorgelisten Elefand.
Außenminister Wadephul wird seine Nahostreise, die er am Donnerstagabend in Kairo begonnen hatte, nun nicht wie geplant durchführen können. Die Fortsetzung der Reise wie geplant nach Israel und Jordanien scheine ausgeschlossen, sagte Wadephul am Morgen in Kairo. Ob Wadephul die Reise abgebrechen wird, ist nach Angaben des Auswärtigen Amtes noch offen.
Israelische Botschaft vorerst geschlossen
„Für uns ist klar: Das iranische Mullah-Regime bedroht mit seinem Nuklearprogramm Israel und die gesamte Region. Israel hat das Recht, seine Existenz und seine Sicherheit zu verteidigen“, bekundete SPD-Vorsitzende Klingbeil. Eine weitere Eskalation müsse aber vermieden werden. „Gerade der Schutz von Zivilisten muss für alle Seiten oberste Priorität haben“, so der Bundesfinanzminister. Jetzt müssten alle diplomatischen Mittel genutzt werden, „damit es zu keiner weiteren gefährlichen Gewaltspirale kommt, die die Sicherheit in der gesamten Region gefährdet“.
Die Grünen forderten Außenminister Wadephul auf, bei seiner Reise in die Region alle Parteien zu maximaler Zurückhaltung aufrufen und sich mit aller Kraft für Deeskalation und einen Schutz der Zivilbevölkerung in Israel und im Iran einsetzen. „Die Eskalation im Nahen Osten ist besorgniserregend und gefährlich – und die Situation hochkomplex“, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge und verwies auf die Gefahr, die von einem nuklear bewaffneten Iran ausgehe. „Die letzten Jahre und insbesondere die vergangenen Monate haben leider gezeigt, dass das iranische Regime ungeachtet aller Warnungen, harter Sanktionen und der laufenden Gespräche sein Atomprogramm massiv vorangetrieben hat“, so Dröge. „Der Iran bricht damit zentrale Regeln wichtiger völkerrechtlicher Verträge.“
Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken bezeichnete den israelischen Angriff auf den Iran als „eine gefährliche Eskalation und eine schwere Verletzung des Völkerrechtes, die nicht mit einer Selbstverteidigung zu rechtfertigen ist“. Er sei „nur so zu verstehen, dass die Regierung Netanyahu auf eine Strategie des permanenten Krieges setzt“. Das sei „ein gefährliches Hasardeur-Spiel“. Der UN-Sicherheitsrat sollte noch heute zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um den Angriff zu verurteilen, forderte van Aken. Alle Seiten müssten „sofort deeskalieren und von weiteren Angriffen absehen, auch um die betroffene Zivilbevölkerung in Iran und Israel zu schützen“.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte zum Abschluss der Innenministerkonferenz (IMK) in Bremerhaven, er sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass die von Israel heute Nacht durchgeführten Maßnahmen und Operationen der Sicherheit und der Existenz Israels dienlich sind“. Er fügte hinzu, die Innenminister von Bund und Ländern hätten vereinbart, Vorkehrungen zu treffen, um einen erhöhten Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen zu ermöglichen.
Die Innenminister waren angesichts der veränderten Lage vor ihrer regulären Sitzung am Freitagmorgen zusammengekommen, um über mögliche Auswirkungen der militärischen Eskalation in Nahost in Deutschland zu sprechen. Die israelische Botschaft in Berlin ist bis auf Weiteres geschlossen worden. Man reagiere damit auf die Eskalation in der Nahost-Region, teilt die diplomatische Vertretung mit.
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