Israelische Luftangriffe in Jemen: Ein Auftakt zu einem größeren Krieg gegen die Huthi-Miliz?
Mit seinen Angriffen am Sonntag auf Infrastruktur in Jemen könnte Israel auf die Kriegswirtschaft der Miliz zielen wollen. Mindestens sechs Menschen sterben.
Dem israelischen Angriff waren Angriffe der Huthi-Miliz auf israelisches Territorium vorausgegangen. Unter anderem am späten Freitagabend hatten sie laut israelischem Militär eine Rakete abgefeuert, die „höchstwahrscheinlich in der Luft zersplittert“ sei. Wie die Times of Israel berichtet, war die von den Huthis abgefeuerte Rakete mit einem Sprengkopf bestückt, der Streumunition enthielt.
Der stellvertretende Chef des Huthi-Medienbüros, Nasruddin Amer, teilte mit, die Luftangriffe würden die Miliz nicht abschrecken: Die Angriffe würden fortgesetzt, schrieb er in den sozialen Medien. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in einer Fernsehansprache, die Miliz bezahle „einen hohen Preis für ihre Aggression“.
Der Angriff Israels am Sonntag soll Abdulkarim al-Ghamari, dem Stabschef der Huthis und Leiter der Raketen- und Drohnenprogramme, gegolten haben. Al-Ghamari, der als einer der mächtigsten Kommandeure der Gruppe gilt, überlebte Berichten zufolge dank strenger Sicherheitsvorkehrungen, die die Huthis in den letzten Monaten getroffen hatten. Für Israel wäre seine Eliminierung ein bedeutender Durchbruch gewesen. Sein Überleben unterstreicht jedoch die Fähigkeit der Huthis, ihre Führung zu schützen. Dennoch zeigt der Angriff wohl: Israel verfügt über verwertbare Informationen zu hochrangigen Huthi-Kommandeuren.
Die Kriegswirtschaft der Huthis
Laut Analysten sind Israels wiederholte Angriffe auf zivile Infrastruktureinrichtungen wie Treibstoffdepots und Kraftwerke Teil einer Strategie, die Kriegswirtschaft der Huthis zu ersticken. Diese Einrichtungen befinden sich jedoch oft in dicht besiedelten städtischen Gebieten, was zu Leid unter der Zivilbevölkerung führt. Der Jemen durchlebt seit Langem eine der schlimmsten humanitären Krisen der Welt. Israel verteidigt sein Vorgehen oft mit dem Argument, dass solche Einrichtungen untrennbar mit der Maschinerie militanter Gruppen verbunden seien.
Adnan al-Jabrani, der zu den Huthis forscht, sagt: Der Angriff habe eher symbolische als taktische Bedeutung. „Israel testet die Regeln des Kampfes.“ Und: „Es lässt die Huthis glauben, dass es sich um einen begrenzten Schlagabtausch handelt, und versetzt ihnen dann im richtigen Moment einen entscheidenden Schlag, genau wie bei der Hisbollah.“ Seine Äußerungen deuten darauf hin, dass Israel möglicherweise eine größere Offensive vorbereitet, die darauf abzielt, die Führung der Huthis zu eliminieren.
Der Angriff vom Sonntag ist Teil einer anhaltenden Eskalation: Seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 haben die Huthis Langstreckenraketen auf Israel abgefeuert und ihre Angriffe auf die Schifffahrt im Roten Meer verstärkt. Das bezeichnen sie als „Operationen zur Unterstützung Gazas“. Israel baute zunächst auf US-amerikanische und britische Luftangriffe, um die Raketenkapazitäten der Gruppe einzudämmen. Doch seit Mitte des Jahres 2024 eskalierte die Lage, Israel griff die Miliz direkt an. Die Huthis wiederum präsentieren diese Angriffe als Beweis für ihre zentrale Rolle in der „Achse des Widerstands“ des Iran, der diese massiv unterstützt.
„Feiger Angriff auf Zivilisten“
Vertreter der Huthis verurteilten die jüngsten Luftangriffe als „feigen Angriff auf Zivilisten“ und schworen, Israel weiterhin anzugreifen. Die Islamische Republik Iran nannte den Angriff eine „kriminelle Eskalation“ und warnte Israel vor den Konsequenzen. Die international anerkannte jemenitische Regierung – und interne Gegner der Huthis – machte diese vorsichtig dafür verantwortlich, den Jemen in regionale Konflikte hineinzuziehen.
Für den Jemen verschärft der Angriff die ohnehin schon katastrophale Lage. Seit der Machtübernahme der Huthis über große Teile des Landes im Jahr 2014 leiden Millionen Menschen unter Unterdrückung, ausbleibenden Löhnen und dem Zusammenbruch der Wirtschaft.
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