Israel und Hisbollah: Eine Waffenruhe auf Zeit
Kurz vor Amtsende ist US-Präsident Biden eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah gelungen. Ob sie eingehalten wird, muss sich erst zeigen.
G anze 18 Jahre hielt die Waffenruhe nach dem letzten Libanonkrieg. Mit etwas Glück könnte es wieder so laufen. 10, 15, 20 Jahre Ruhe – je nachdem, wie lange die jüngsten israelischen Schläge gegen die Hisbollah den Terroristen schmerzlich genug im Gedächtnis bleiben, um sie von neuen Angriffen abzuhalten.
Die mit Sprengstoff versetzten Pager, die gezielt gut 3.000 Terroristen zum Teil schwer verletzten, und die systematische Tötung führender Kommandanten, allen voran Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, hat die schiitisch-libanesische Organisation in die Knie gezwungen. Vorerst. Das Abkommen sieht vor, dass die libanesische Regierung sämtliche Waffenimporte und die Waffenherstellung überwacht und dafür sorgt, dass sie die Hisbollah nicht erreichen. Es wäre zu schön, um wahr zu sein.
Denn natürlich wird die Hisbollah die kommenden Jahre nutzen, um sich militärisch neu aufzustellen und aufzurüsten, was das Zeug hält. Für den nächsten Schlag gegen Israel bereit sein, so lautet die von Teheran diktierte Mission. Das zu verhindern wird der Regierung in Beirut nicht gelingen. Sie hat es bislang nicht geschafft, und nichts spricht dafür, dass es künftig anders sein wird.
Aber auch Israel wird sich auf kommende Konfrontationen mit der Hisbollah vorbereiten, vielleicht schon den nächsten Coup gegen die Terroristen planen, sicher neues Nachrichtenmaterial sammeln über die neuen Kommandanten der Schiitenorganisation. Denn gelöst ist der Konflikt erst, wenn die Hisbollah entwaffnet wird und es neben dem libanesischen Militär keine andere Armee mehr gibt im Libanon.
Der Schlüssel zum Frieden liegt in Teheran
Dass es überhaupt zu einer Waffenruhe gekommen ist, geht zuallererst auf das Konto der US-Amerikaner, die diesmal den Druck auf die Regierung in Jerusalem so massiv erhöhten, dass sie schließlich nachgab. Das Argument, dass Waffenlieferungen aus Übersee ausgerechnet jetzt verzögert werden könnten, wird Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu schließlich überzeugt haben.
Klar ist, dass Washington an einer Beruhigung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah ein deutlich größeres Eigeninteresse hat als an einem Frieden im Gazastreifen. Für die Palästinenser ist das eine bittere Erkenntnis. Sie sehen sich erneut alleingelassen von den augenscheinlichen Verbündeten im Libanon, hatte doch die Hisbollah erklärtermaßen den Krieg überhaupt nur aus Solidarität mit den Palästinensern angefangen.
Tatsächlich war der Krieg im Gazastreifen nur ein Vorwand für die Hisbollah, die sich die Zerstörung Israels auf die Fahnen schreibt und immer wieder in Angriff nehmen wird. Der hoffnungsvolle Blick richtet sich auf Teheran und den inneriranischen Widerstand gegen die Ajatollahs. Vielleicht reichen 10, 15 oder 20 Jahre Waffenruhe den Frauen und ihren männlichen Mitstreitern, um die Islamische Republik zu Fall zu bringen. Dann hätte auch Israel nicht länger Angriffe aus dem Libanon zu fürchten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel