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Israel-Solidarität in BerlinWas hängen bleibt

Carolina Schwarz
Kommentar von Carolina Schwarz

In Berlin haben Polizist_innen Plakate der israelischen Hamas-Geiseln entfernt. Rechte Sticker und Katzengesuche bleiben. Das also sind die Prioritäten.

Plakate der entführten israelischen Geiseln werden abgerissen – wie hier an einem Bauzaun in Berlin Foto: Clemens Bilan/epa

I n Berlin gehen Menschen häufiger mal mit einem Messer auf die Straße. Nicht unbedingt, um ­andere anzugreifen oder sich auf die Schnelle eine Stulle schmieren zu können, sondern um unliebsame Sticker und Plakate von Stromkästen, Haustüren und Ampeln zu entfernen. Doch hat man einen Aufkleber der ­Neonazi-Partei Der Dritte Weg mühsam von der Metallstange einer Ampel gekratzt, klebt am nächsten Tag ein neuer dran. Und selbst aus banaleren Über­klebungsaktionen wie zwischen St. Pauli und Hansa Rostock-Fans entwickelt sich schnell eine Klebe-Schlacht darum, welcher Verein am Ende auf den Straßen sichtbar bleibt.

Wildes Stickern und Plakatieren an öffentlichen oder privaten Orten ist verboten. Es kann als Ordnungswidrigkeit gelten und unter bestimmten Umständen zu Bußgeld oder einer Strafanzeige führen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis interessieren sich die Behörden relativ wenig dafür. Die Stadt gleicht einem bunten Sammelsurium aus politischen Statements, Flohmarktankündigungen und Suchplakaten für entlaufene Katzen.

Doch jetzt haben Berliner Polizist_innen mal durchgegriffen. In sozialen Medien kursiert ein Video, in dem drei Beamt_innen Plakate mit den Fotos der Hamas-Geiseln von einer Litfaßsäule rissen. Auf der ganzen Welt wurden diese Plakate aufgehängt, um an die israelischen Geiseln zu erinnern, die sich noch immer in Gefangenschaft der Terrororganisation befinden. Und auf der ganzen Welt wurden die Plakate von antiisraelischen Demonstrant_innen abgerissen. Und nun eben auch von der Berliner Polizei.

Laut Tagesspiegel sollen die Polizist_innen vor der Entfernung Rücksprache mit dem Staatsschutz des LKA gehalten haben, eine Anzeige der Eigentümer_innen der Litfaßsäule soll nicht vorgelegen haben. Die Polizei begründet das Vorgehen mit dem Verstoß gegen das Pressegesetz, da ein Impressum auf den Plakaten gefehlt habe. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet.

Wann die Polizei keine Zeit hat

Das mag juristisch richtig sein, moralisch ist es falsch. Denn es verweist auf eine falsche Priorisierung der Polizei. Sticker und Plakate ohne Impressum gibt es zuhauf in der Stadt. Und während antisemitische, rassistische und andere menschenverachtende Plakate oft wochenlang im öffentlichen Raum hängen bleiben, sahen sich die Beamt_innen hier in der Pflicht, auf Recht und Ordnung zu pochen.

Besonders empörend ist das im Vergleich zum Umgang mit einem antisemitischen Vorfall in Berlin. Kürzlich hatten Unbekannte an die Wand eines Mehrfamilienhauses in Prenzlauer Berg einen Davidstern gemalt. Eine antisemitische Drohung – schließlich wurden in der NS-Zeit Häuser mit Davidsternen markiert, um Juden und Jüdinnen kenntlich zu machen.

Wer sich solidarisch zeigen möchten, muss weiter mit Messerchen und Aceton auf die Straße

Laut Medienberichten rief eine jüdische Bewohnerin des Hauses die Polizei. Doch die sagte, sie hätten keine Kapazitäten und empfahl eine Onlineanzeige. Zudem rieten sie ihr, den Davidstern zu entfernen, um Weiteres zu verhindern. Die Frau griff also selbst zum Aceton, um den Stern von ihrem Haus zu schrubben.

Während Jüdinnen und Juden selbst für ihre Sicherheit sorgen müssen, reißt die Polizei Plakate der Geiseln ab. Statt dieses Vorgehen zu verurteilen, ging Polizeipräsidentin Barbara Slowik mit einer Nicht-Entschuldigung an die Öffentlichkeit, in der sie bedauerte, dass „Menschen der israelisch/jüdischen Community verletzt wurden“. Für all diejenigen, die sich solidarisch zeigen möchten, kann das nur heißen, weiter mit Messerchen und Aceton auf die Straße zu gehen, um antisemitische Symbole und Parolen aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.

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Carolina Schwarz
Ressortleiterin taz zwei
Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.
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15 Kommentare

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  • Die Prioritäten dieser unfähigen Polizei-Chefin sind nicht mehr zu ertragen und nicht mehr haltbar.



    Berlin macht sich mit seinen Behörden, wieder einmal, im internationalen und nationalen Vergleich lächerlich.



    Plakate von Israelischen und Geiseln anderer Nationalitäten werden entfernt, während Davidsterne an Hauseingangstüren prangen?



    Diese Koalition mit ihrem CDU-Bürgermeister ist erbärmlich.

  • "Das also sind die Prioritäten."

    Nicht ganz! Die Fußballergebnisse stehen an erster Stelle!

  • Kann es denn sein, dass in den -nicht nur- Berliner Polizeibehörden rechte Tendenzen wirksam sind? Aber Dank Seehofer brauchen wir ja keine tiefergehende Untersuchung... Oder doch??

  • Bei so etwas muss ich immer wieder an Achternbuschs "Das Gespenst" denken.

    Muss ich mal wieder gucken.

  • "In Berlin gehen Menschen häufiger mal mit einem Messer auf die Straße. Nicht unbedingt, um ­andere anzugreifen oder sich auf die Schnelle eine Stulle schmieren zu können, sondern um unliebsame Sticker und Plakate von Stromkästen, Haustüren und Ampeln zu entfernen. Doch hat man einen Aufkleber der ­Neonazi-Partei Der Dritte Weg mühsam von der Metallstange einer Ampel gekratzt, klebt am nächsten Tag ein neuer dran. Und selbst aus banaleren Über­klebungsaktionen wie zwischen St. Pauli und Hansa Rockstock-Fans entwickelt sich schnell eine Klebe-Schlacht darum, welcher Verein am Ende auf den Straßen sichtbar bleibt."

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    Im Rhein-Main-Gebiet ist es oberste Pflicht derlei Aufkleber mit antifaschistischen Aufklebern zu überkleben. Das geschieht meistens innerhalb von 24 Stunden, in Nähe der Uni Frankfurt dauert es nicht Mal einen Tag. Abkratzen tut da keiner irgendwas.

    • @SeppW:

      Diese Klebeaktionen sind infantil!

    • @SeppW:

      Wo ist bitte der Bezug zum Thema, dass die Berliner Polizei mit - angeblich - extremer Unterbesetzung, Plakate der Hamas-Terroropfer gaaaaaanz schnell beseitigt?

  • Ich bin einfach nur entsetzt.....

  • Das ist also unsere Polizei, deren Interessenvertreter über Überlassung und Personalmangel klagen?

    Und was ist das für eine Präsidentin, die den Worthülsenvollernter anwirft, anstatt diejenigen, die für diese absolut hirnrissige Abkratzaktion verantwortlich sind, zum "Zusammenfalten" bei sich antreten zu lassen, und sie, sofern der Blödsinn von den Vorgesetzten angeordnet worden war, mal einige Wochen auf Streife zu schicken, egal, welchen Dienstgrad sie haben.

    Ich arbeite seit über 25 Jahren im Öffentlichen Dienst und ärgere mich von Jahr zu Jahr mehr über solche Dummheiten, die ohne Folgen bleiben, und über die erschreckende Anzahl von "Führungskräften", die genau das nicht können: Führen, Verantwortung übernehmen, und gelegentlich ihr Hirn einzuschalten, anstatt sich hinter ihren Vorschriften zu verschanzen.

    • @ PeWi:

      "Worthülsenvollernter "

      Genial!

      • @Ajuga:

        Vielen Dank.

        Der "Worthülsenvollernter" ist für mich der große Bruder der "Phrasendreschmaschine".

        Aber die Ehre, diese "Creation" erschaffen zu haben, gebührt nicht mir, sondern dem Kabarettisten Helmut Schleich - als er noch gut war.



        Der hat auch mal den Sportfunktionär und Großmetzger Uli Hoeneß als die "Stradivari unter den A-Geigen" bezeichnet. Auch dieser Begriff ist "multifunktional" und nicht auf ein Person beschränkt.

  • "Die Polizei begründet das Vorgehen mit dem Verstoß gegen das Pressegesetz, da ein Impressum auf den Plakaten gefehlt habe. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet."

    Hmmmm.

    Verstoß gegen die Impressumspflicht (§ 7 (1) BlnPrG) ist nach § 21 (1) 1. BlnPrG eine Ordnungswidrigkeit, und "KANN mit einer Geldbuße bis zu 5000 Euro geahndet werden" (§ 21 (3) BlnPrG).

    Ordnungswidrigkeit. Hmmmmmmm...



    Kann man verfolgen lassen. MUSS man aber nicht.

    • @Ajuga:

      Die Frage ist eine ganz andere: bei wem wird das verfolgt, und bei wem nicht? Und warum?