Israel-Boykott in Norwegen: Gewerkschaften für Einfuhrverbot
Der größte norwegische Gewerkschaftsverband ruft zum ökonomischen, kulturellen und akademischen Boykott Israels auf.
![Ein Junge trägt eine Box durch ein Acker mit Weinreben Ein Junge trägt eine Box durch ein Acker mit Weinreben](https://taz.de/picture/1985114/14/bfa3b0a11bc36bca945ad684adbcce2b_edited_70555571_d3a6eb44c7.jpeg)
Von besonderer Bedeutung scheint dabei die Begründung für diesen Beschluss. In der Vergangenheit hätten alle Gesprächsbemühungen für eine friedliche und gerechte Lösung des Nahostkonflikts „nur einen geringen Effekt“ gehabt, weshalb die Zeit für einen „ökonomischen, kulturellen und akademischen Boykott Israels“ gekommen sei, heißt es in der Erklärung des Gewerkschaftsdachverbandes.
Nunmehr hoffe man, Druck ausüben zu können, damit die Annexion palästinensischen Territoriums durch Israel aufhöre, die Blockade des Gazastreifens beendet und „auf eine demokratische Staatslösung mit gleichen Rechten für alle“ hingearbeitet werde.
„Seit 50 Jahren gibt es die völkerrechtswidrige Okkupation, seit Dutzenden von Jahren haben wir appelliert und appelliert, über einen Boykott immer wieder diskutiert, aber es dann doch bei Aufrufen zum Dialog belassen“, sagt Jan Olof Andersen, Vorsitzender der Elektro- und IT-Gewerkschaft: „Aber nichts ist besser geworden, eher schlimmer.“
Folgt ein israelisches Einreiseverbot?
Mit 193 zu 117 Stimmen verabschiedete eine überzeugende Mehrheit des alle vier Jahre abgehaltenen LO-Kongresses, des höchsten Beschlussorgans des Dachverbands, die Boykottforderung. Zudem fordern die Gewerkschafter von der Regierung in Oslo auch eine Anerkennung Palästinas als selbstständigen Staat in den Grenzen von 1967. Außerdem solle Norwegen ein Einfuhrverbot für israelische Waren aus den besetzten Gebieten erlassen und sicherstellen, dass der staatliche Pensionsfonds und die norwegische Wirtschaft insgesamt die israelische Okkupation nicht über Investitionen unterstützt.
Norwegische VerbraucherInnen werden aufgefordert, vermehrt palästinensische Waren zu kaufen, um die dortige wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Direkte Konsequenzen dürfte der LO-Beschluss zunächst für deren VertreterInnen selbst haben. Auf sie werden wegen Unterstützung der internationalen BDS-Kampagne vermutlich ab jetzt israelische Einreiseverbote warten. Die LO-Führung, die davor gewarnt und sich gegen einen generellen Boykott ausgesprochen hatte, versprach dennoch, den Kongressbeschluss „zu respektieren“. Man werde auf seiner Basis nun sowohl in der internationalen Gewerkschaftsbewegung wie innenpolitisch arbeiten, erklärte der LO-Vorsitzende Hans-Christian Gabrielsen.
Für einen teilweisen Wirtschaftsboykott, deren Befürworter sich in Norwegen nicht wie in Deutschland Vorwürfen wegen Antisemitismus ausgesetzt sehen, hatten sich in der Vergangenheit neben verschiedenen Einzelgewerkschaften die Kommunalvertretungen mehrerer norwegischer Städte, Jugendorganisationen diverser Parteien und einzelne Parlamentsabgeordnete ausgesprochen. Auch bei vielen diesjährigen 1.-Mai-Veranstaltungen gehörten Parolen nach einem „Boikott Israel“ zu den Forderungen.
Steigerung von Misstrauen und Spannungen
Den jüngsten umfassenden internationalen Boykottaufruf wiesen aber nicht nur VertreterInnen der konservativ-rechtspopulistischen Regierung in Oslo sofort zurück – „Boykott schafft Abstand“, twitterte Außenminister Børge Brende, „wir wollen mit beiden Seiten enge Verbindungen aufrechterhalten.“ Auch Anniken Huitfeldt, sozialdemokratische Vorsitzende des außenpolitischen Parlamentsausschusses, betonte, „die Gewalt muss enden, die Besatzung muss enden, es muss eine Zweistaatenlösung geben, aber ein genereller Boykott ist nicht der richtige Weg“. Einig sei man sich aber mit LO in Hinsicht auf den Boykott von Waren aus den israelischen Siedlungen.
Riya Hassan, europäische Koordinatorin der Kampagne der weltweiten BDS-Bewegung, begrüßte den LO-Beschluss und gab der Hoffnung Ausdruck, dieser werde nun auch „in wirksame Maßnahmen umgesetzt“. Es müsse endlich „Druck auf die norwegische Regierung ausgeübt (werden), alle militärischen Beziehungen mit Israels Unterdrückerregime zu beenden“, so Riva Hassan.
In einer Stellungnahme der israelischen Botschaft in Oslo heißt es erwartungsgemäß, man verdamme die Beschlüsse des Gewerkschaftsverbandes auf Schärfste: „Auf einen totalen Boykott gegen den israelischen Staat hinzuarbeiten, wird nur zu einer weiteren Steigerung von Misstrauen und Spannungen beitragen. Das wird uns von einer friedlichen Lösung noch weiter wegbringen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben