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Islamophobie in PolenIch beschütze euch

Mit ihren kruden Thesen hat es Miriam Shaded in Polen zum Medienstar gebracht. Gefeiert wird die Halbsysrerin nicht nur von rechts.

Perfekt gestylt setzt Miriam Shaded fremdenfeindliche Stereotypen in die Welt Foto: Paul Toetzke

WARSCHAU taz | Die goldene Halskette mit Kreuz ist zu ihrem Markenzeichen geworden. Sie baumelt an ihrem Hals, immer gut sichtbar. Wer Miriam Shaded das erste Mal trifft, der täuscht sich leicht. Man steht einer zierlichen jungen Frau gegenüber. Zielstrebig klingt sie, wenn sie von ihrer Stiftung zur Hilfe für christliche Flüchtlinge aus Syrien erzählt. Die gute Christin mit dem Herzen für Flüchtlinge – könnte man denken.

Doch das ist nur eine Seite der Miriam Shaded. Inzwischen ist sie besser bekannt für ihre antiislamischen Parolen. Miriam Shaded genießt es, im Rampenlicht zu stehen. Zuletzt stand sie sogar beim internationalen Pegida-Aktionstag in Warschau auf der Bühne. „Der Islam ist ein totalitäres System, das Morde, Vergewaltigungen und andere Verletzungen der Menschenrechte propagiert. Es wird Zeit, zu sagen: Schluss, genug davon!“, rief sie da einigen Hunderten Islamgegnern mit zitternder Stimme entgegen.

Für solche Sätze feiert sie besonders die rechte Szene in Polen. Doch auch in der Mitte der Gesellschaft ist sie angekommen. Kaum noch eine Migrationsdebatte verläuft ohne die 29-Jährige. In Polen wird immer noch heftig über die Aufnahme von Flüchtlingen gestritten. Ein Großteil der Bevölkerung sträubt sich dagegen. Der Islam bleibt etwas Unbekanntes im ethnisch homogenen Polen. Shaded spielt mit der Angst vor dem Unbekannten. Sie bedient antiislamische Ressentiments und wirbt gleichzeitig für die Aufnahme von christlichen Flüchtlingen. Darum kümmert sich ihre Stiftung.

„Alle wollen etwas von mir“

Das Büro der Fundacja Estera (Ester-Stiftung) liegt in einem Neubaugebiet im Süden von Warschau. Das Gebäude wurde gerade erst fertigstellt. Die Fensterscheiben glänzen, die meisten Wohnungen sind noch nicht bezogen. Ein Schild sucht man vergeblich. Zwei Sicherheitsbeamte schauen gelangweilt durch die Eingangstür des Hauses.

Eine kleine Zweizimmerwohnung im zweiten Stock dient der Stiftung als Büro. Die Absätze der Sekretärin klackern auf den hellen Fließen, eine weitere Mitarbeiterin sitzt hinter einem weißen, modern geschwungenen Schreibtisch. Dahinter Lederstühle in unbeflecktem Weiß. Es ist so sauber, dass man sich kaum zu setzen wagt.

Wenige Minuten später betritt Miriam Shaded abgehetzt das Büro. „Tut mir leid, es ist gerade ein bisschen viel. Alle wollen etwas von mir“, entschuldigt sie sich und lächelt dabei zufrieden. Ihr Englisch ist so makellos wie das Weiß des Zimmers, ihre Aussprache so elegant geschwungen wie die Schreibtische. Auch das Make-up sitzt so perfekt, wie man es von ihren Fernsehauftritten her kennt.

Bestens integriert, patriotisch, Christin

Miriam Shaded ist die Tochter einer polnischen Mutter und eines syrischen Vaters. Ja, Syrien. Moner Shaded, protestantischer Christ, kam in den 70ern aus Damaskus nach Polen und wurde Pfarrer an einer evangelischen Kirche in Warschau. 1986 wurde Miriam Shaded als jüngstes von sieben Kindern geboren. Auch sie engagierte sich früh in der Kirche und studierte zunächst Theologie. Danach begann sie, in der Marketingabteilung eines IT-Unternehmens zu arbeiten.

Bestens integriert, patriotisch und Christin, dazu ein Hauch Multikulti – mit diesem Image ist Miriam Shaded heute zum Medienstar in Polen geworden. „Im Moment kann ich mich kaum vor Medienterminen retten“, erzählt sie mit demselben zufriedenen Blick von zuvor und hängt ihren Mantel auf. Darunter trägt sie eine weiße, halb durchsichtige Bluse, dazu eine enge schwarze Hose. Über ihrer Schulter hängt eine weiße Lederhandtasche. „Ich wollte schon immer für Frauenrechte im Islam kämpfen“, sagt sie zu Beginn. Man wartet auf ein „Aber“, doch es folgt keins.

Jetzt kämpft Miriam Shaded gegen den Islam. Und für die verfolgten Christen. Die Flüchtlingskrise kam ihr gerade recht. 2013 bitten einige Bischöfe aus Syrien ihren Vater um Hilfe. Es geht um die Rettung von 300 christlichen Familien. Sie brauchen Visa, Unterkünfte und finanzielle Hilfe. „Ich war darauf vorbereitet“, sagt Miriam Shaded, „niemand von meiner Familie hätte diese Aufgabe stemmen können.“

Hilfe nur für christliche Flüchtlinge

Also übernimmt sie selbst. Sie sammelt Spenden, knüpft Kontakte zu Politikern und betreibt Lobbying. Dann gründet sie die Stiftung Fundacja Estera. Das Buch Ester in der Bibel thematisiert die Gefahr der jüdischen Verfolgung um 500 v. Chr. Ester ist Jüdin und verleugnet ihren Glauben zunächst. Durch eine List verhindert sie die Vernichtung ihres Volkes und wird zur Heldin.

Den Namen hat Miriam Shaded bewusst gewählt. „Christen sind das Hauptziel der Verfolgungen in Syrien“, behauptet sie, als gäbe es gar keinen Zweifel daran, „sie sind in der gleichen Situation wie die Juden während des Zweiten Weltkriegs.“ Deswegen hilft die Stiftung nur christlichen Flüchtlingen.

60 Familien hat sie bis jetzt nach Polen geholt, von denen allerdings die Hälfte nach Deutschland weiterreiste. Sie seien keine Gefahr für die Menschen in Europa – im Gegensatz zu Muslimen. Und die könnten schließlich in die Nachbarstaaten Syriens fliehen, sie müssten dort keine Verfolgung fürchten.

„Sie würden mich dort sofort vergewaltigen“

Miriam Shaded war noch nie in Syrien. Dafür einmal in Ägypten, das habe ihr gereicht. Was genau, das sagt sie nicht. „Heute würden sie mich als Christin und Frau dort sofort vergewaltigen, zur Sexsklavin machen oder töten.“ Sie scheint das tatsächlich zu glauben. Und macht keinen Hehl daraus, islamophob zu sein. „Das Christentum beruht auf Liebe, der Islam auf Hass“, hat sie unlängst im Interview mit der rechten deutschen Zeitung Junge Freiheit gesagt.

Ist es allein der Reiz der Provokation, der sie antreibt? Dann hätte sie ihr Ziel bereits erreicht. Oder setzt sie ein opportunes Denkmuster bewusst ein, zur Förderung der eigenen Karriere im katholischen Polen? Sicher, ihre Thesen haben sie auf die Titelseiten gebracht. Und Shaded genießt den Hype. Doch es steckt mehr dahinter. Ein grundtiefer, fast naiver Glaube an die eigene Auslegung, an Gut und Böse und nichts dazwischen. Der Islam als Quelle allen Übels. Viele folgen ihrem Schwarz-Weiß-Denkmuster. Schließlich kann sie als Halbsyrerin ja keine Rassistin sein.

„Ich habe den Koran gelesen, ich verstehe die Mentalität dieser Menschen“, sagt sie, „der Koran ist gefährlicher als ‚Mein Kampf‘.“ Gegen andere Argumente ist sie immun. Seit einem halben Jahr wiederholt sie ihre Thesen bei TV-Auftritten. Auch im reformierten, öffentlichen Fernsehen ist sie gern gesehen. Die Islamophobie gesellschaftsfähig machen, das hat sie sich zum Ziel gesetzt. Nun wird sie fast auf die Bühne getragen. An diesem Abend hat sie ihren nächsten Auftritt bei TVP, dem größten öffentlichen Fernsehsender in Polen.

Mit Lederjacke und Pistole auf Facebook

Im September vergangenen Jahres wurde auch die rechtslibertäre Partei Korwin, benannt nach dem EU-Parlamentarier und Parteichef Janusz Korwin-Mikke, auf sie aufmerksam. Kurz vor den polnischen Parlamentswahlen im Oktober wird Miriam Shaded gefragt, ob sie nicht für die Partei kandidieren wolle. „Ich kann mich mit der antiislamischen Einstellung der Partei identifizieren“, sagt sie heute, „und sie haben mir Unabhängigkeit für meine Themen – Flüchtlinge und Frauen – zugesichert.“ Auch das meint sie ernst.

Dass Korwin-Mikke immer wieder gegen Frauen (“sie sollten kein Wahlrecht haben“) und Flüchtlinge (“menschlicher Abfall“) austeilt, hält sie nicht ab. Obwohl sie offiziell kein Mitglied ist, wird sie zum neuen Gesicht der Partei. Mit ihren syrisch-polnischen Wurzeln sieht man sie als willkommenes Gegengewicht zu Korwin-Mikkes Angriffen auf Flüchtlinge. Die Partei scheiterte nur knapp an der 5-Prozent-Hürde.

Auch auf Facebook verbreitet Miriam Shaded seit einiger Zeit ihre islamophoben Parolen – zur Freude von Rechtsextremen und Nationalisten. Fast 40.000 Fans zählt ihre Facebook-Seite, Tendenz steigend. Die Fotos von ihr in Lederjacke und mit Pistole in der Hand sind besonders bei Männern beliebt. Sie erinnert an die Actionfigur Lara Croft. „Ich beschütze euch“, schreibt sie darunter. Auch sonst kann man jedes Interview von ihr auf Facebook nachlesen, jedes Video anschauen. Unter einen ihrer Posts schreibt jemand „Polska dla Polaków“ (Polen den Polen).

„Nicht meine Flüchtlinge“

Angst bereitet das Miriam Shaded nicht. Dass auch immer wieder christliche Flüchtlinge von rechtsextremen Polen zusammengeschlagen werden, sei Schuld der Regierung. „Wenn die polnische Regierung endlich klar sagen würde: ‚Wir nehmen keine Muslime auf‘, wird den Menschen hier die Angst genommen“, sagt sie.

Auch die Angriffe auf Flüchtlingsheime in Deutschland kann sie nachvollziehen. „Das ist immer noch wenig, verglichen mit 700 Angriffen von Flüchtlingen auf Deutsche pro Woche“. Die Quelle für diese Zahlen? Sie greift zu ihrem iPhone, schaut kurz drauf und sagt dann, sie würde sie nachreichen. Sie hat sie wohl nicht wiedergefunden.

Auf die Frage, ob sie schon einmal ein Flüchtlingsheim besucht hat, sagt sie nur: „Nein, das sind nicht meine Flüchtlinge.“

Ein Blick in den Spiegel, sie streicht sich durch die braunen Haare. Das Make-up sitzt noch. Gleich beginnt die Flüchtlingsdebatte im ersten polnischen Fernsehen. Und Miriam Shaded hat sich vorbereitet. Sie wird fordern, den Islam in Polen per Gesetz zu verbieten. Dann wird sie wieder im Mittelpunkt stehen.

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9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Wen wundert es? Es ist doch genauso wie in Deutschland. Hier in Deutschland hetzen Menschen mit Namen wie Sarrazin und Pirinçci gegen Ausländer. Ganz zu schweigen von NPD-Mitgliedern mit Namen wie Szymanski, Andrejeweski und Pastörs...

  • Ich würde gern wissen, wo Frau Shaded gesagt hat, dass sie Frauen das Wahlrecht abspricht.

    Das kann ich mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen.

    Ich habe gesucht, (auf polnisch natürlich, so viel kann ich lesen), aber nur Seiten gefunden auf denen Frau Shaded das Wahlrecht abgeprochen wird (weil sie angeblich dummes Zeug redet).Danke

  • nein

    diese Häuser und Stadtteile hat Assads Luftwaffe ausgebombt in den Jahren 2011- bis heute: http://www.haaretz.com/st/c/prod/eng/2016/news/03/syria/

    • @nzuli sana:

      Hat was von, auf eine hyperhysterisch-herumfuchtelnde Weise, gekünstelt Mitleid erzeugen zu wollen. Indem man mit beliebigen Schockbildern gegen sowieso und auch persönlich unliebsame Leute die Stimmung aufheizen möchte.- Sie sind hier schon gestern, wegen eines Ihrer Kommentare, von zwei Lesern rassistischer Anwandlungen verdächtigt worden. (Bei Hilfe für Unfallopfer, süffisante Verknüpfungen zum besten geben zu wollen)

  • In Syrien sollen islamistisch- bestialische, von westlichen Interessengruppen beschönigte "Oppositionsgruppen" am Werke sein. Andererseits, über die syrische Staatsform heißt es, sie sei säkular. Damit im Zusammenhang, hört man wiederholt christliche Stimmen, die behaupten, sich insofern unter einer Assad-Regierung sicherer zu fühlen. Miriam Shadeds genauere Positionsbeschreibung, reicht mir durch den Versuch des Taz-Artikels noch lange nicht.

     

    Soll es mittels Kritik an ihrer Person gegen den säkularen Assad oder gegen diese islamistischen, sogenannten "Oppositionellen" gehen. Miriam Shaded- Beschreiber bitte deutlicher werden.

    Und wenn es heißt, wer alles aus dem rechten Lager sich an sie ranhängen möchte. Ja nun, an wen alles aus dem polit-religiösem Lager hängt sich die bigotte westliche Interessengruppe denn so in Syrien an. (Nicht gering z.B. an die Saudis et al.)

  • " Darunter trägt sie eine weiße, halb durchsichtige Bluse, dazu eine enge schwarze Hose. Über ihrer Schulter hängt eine weiße Lederhandtasche."

    "Ein Blick in den Spiegel, sie streicht sich durch die braunen Haare. Das Make-up sitzt noch."

     

    Da war der Autor wohl kurz abgelenkt und dachte, er würde für die Brigitte schreiben und nicht für die taz.

  • Diese Karrierefrau ist also „das neue Gesicht“ der rechtslibertären Partei, obwohl sie gar nicht Mitglied dieser Partei ist, die Frauen das Wahlrecht entziehen will.

    Der Artikel schildert eine Anhäufung absurden Verhaltens, kindisches Theatermachen und infantiles Gedöns, Chaos und voll-autonome Dummheit eines homogenen Volkes.

    Warum sollten Journalisten und politische AktivistInnen darauf inhaltlich eingehen? Auch die Frage der tagesschau.de „Welches Programm hat die AfD?“ „Warum kommt Pauke Fretri nicht zu unserer Fernsehshow?“ ist völlig verfehlt.

    Es geht nur um „ICH“, „Ich“ und „Ich.“ Um völkischen Stimpfsinn und Egoismus – verbunden mit der Empfehlung, die Deutschen sollten noch mehr Terroranschläge gegen Sammellager verüben, in denen Geflüchtete eingesperrt werden.

    Wahnsinn.

  • Frau Shaded kocht ihr Mediensüppchen nicht anders als Sarrazin oder Pirinçci und ist scheinbar überzeugt doof-bigott, aber sie versteht wohl das dünne Eis nicht, auf dem sie läuft. Ohne Cruzifix-Kettchen ist sie in den Augen polnischer Rassisten ganz schnell wieder selber eine braune Migrantin und Parasit im slawischen Volkskörper. Fragen Sie mal die deutschnationalen Juden im Dritten Reich, die haben auch nicht verstanden, warum sie plötzlich ins KZ deportiert wurden.

    • @hessebub:

      Wenn Frau Shaded "das dünne Eis nicht [versteht], auf dem sie läuft", dann ist sie damit in der selben Lage wie alle anderen Anführer. Jeder von ihnen rechnet es sich als persönliches Verdienst und zwangsläufige Folge der eigenen Großartigkeit zugute, wenn es ihn an die Spitze einer Bewegung spült.

       

      Es fehlt diesen Leuten schlicht die Fähigkeit zur Selbstkritik. Auch eine Form von Dummheit, das. Allerdings eine, die sehr gut honoriert wird von der Gesellschaft. Zum Beispiel mit Aufmerksamkeit, der wichtigsten Währung überhaupt im Leben von Narzissten. Oder mit Geld, dem Wundermittel schlechthin.

       

      Alle wollen etwas von Frau Shaded, sogar die taz. Denn alle versprechen sich etwas davon. Und mit jedem Interview, mit jedem Foto, das von dieser Frau erscheint, wird sie ein wenig wichtiger. In ihren eigenen Augen, aber auch in den Augen derer, die sich ganz gern vertreten lassen von anderen – oder sonst irgendwie profitieren möchten. Frau Shaded wirkt erheblich attraktiver, als viele anderen Polen wirken. Also glaubt man, dass sie auch viel mehr erreichen kann als jeder Andere. Und irgendwie ist da ja auch was dran. (Siehe taz.)

       

      Ob irgendwer Adolph Hitler jemals für attraktiv gehalten hat, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass die Wähler anno 2016 deutlich stärker vom Marketing und einem allgemeinen Starrummel geprägt sind als noch 1933. Schönheit ist derzeit ein echter Wert. Erstaunlich viele Menschen wollen glauben, dass gar nicht bös sein kann, wer schön ist. Man denkt an Hugh Grant, George Clooney, Halle Barry oder eben Angeline Jolie - und ist ganz sicher, dass so ein Mensch kein Schwein sein kann. Wenn's dann auch noch die eigenen Gedanken sind, die er artikuliert, entfällt auch noch der letzte Grund, sich selbstkritisch zu hinterfragen.

       

      Nein, es ist leider nicht nur Miriam Shaded, die "das dünne Eis nicht [versteht], auf dem sie läuft". Bei weitem nicht.