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Islamophobie-Vorwürfe gegen ÖsterreichSchuld ist der Ali

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Der Europarat wirft Österreich Islamfeindlichkeit vor. Vor allem die FPÖ und ÖVP schüren bewusst Ressentiments.

Steht gerade noch so: Ein Kreuz auf einem Berg in Österreich Foto: Volker Preusser/imago

D er Europarat wirft Österreichs Politik und Gesellschaft Islamfeindlichkeit vor. Die Kritik ist nicht neu und kommt nicht überraschend, ist doch die teils offene, teils subtile Rhetorik gegen „Gruppen, die sich nicht integrieren wollen“ unentbehrlicher Bestandteil des Narrativs, das die FPÖ groß gemacht und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die Macht gebracht hat.

„Burkaverbot“ in der Öffentlichkeit und Kopftuchverbot in Volksschulen sprechen zwar kein real existierendes Problem an, weil die Anzahl der betroffenen Personen verschwindend gering ist, nähren aber ein latent vorhandenes Ressentiment in der Bevölkerung.

Die Ausstattung der elektronischen Gesundheitskarte mit einem Foto begründete die ÖVP-FPÖ-Regierung vor zwei Jahren mit dem Kampf gegen „Sozialmissbrauch“. Die FPÖ lieferte dazu ein Trickfilm-Video, auf dem der listig lachende Fez-Träger Ali mit der E-Card seines Vetters Mustafa zum Arzt gehen will. „Pech gehabt, Ali!“, heißt es in dem Video. Dass die Erneuerung der E-Cards ein Vielfaches dessen kostet, was der angebliche Missbrauch verursacht, ist unerheblich. Es ging um die Botschaft. Sebastian Kurz prägte den Begriff der „Einwanderung ins Sozialsystem“, die unbedingt verhindert werden müsse. Der Vorwurf wurde gerne mit kinderreichen Kopftuchträgerinnen illustriert.

Österreich war in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend Ziel von Zuwanderung aus muslimisch geprägten Ländern. Und anders als vor einem halben Jahrhundert, als türkische Gastarbeiter zunächst ohne Frauen kamen und nachkommende Frauen selten verhüllt waren, ist der Islam heute in der Öffentlichkeit stärker sichtbar und hat, was die Zahl der Gläubigen angeht, die Protestanten vom zweiten Platz verdrängt. Internationaler Terrorismus und die Tatsache, dass auch aus Österreich Muslime in den Dschihad nach Syrien gezogen sind, hat die Menschen verunsichert. Doch man kann diese Ängste schüren oder durch kluge Politik mildern. Mehr Wählerstimmen scheint das Spiel mit der Angst zu bringen.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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1 Kommentar

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  • "„Burkaverbot“ in der Öffentlichkeit und Kopftuchverbot in Volksschulen sprechen zwar kein real existierendes Problem an, weil die Anzahl der betroffenen Personen verschwindend gering ist, "

    Das Argument finde ich nicht sehr stark, da es offensichtlich um eine große gesellschaftliche Debatte und sehr reale Fragestellungen geht. Wie jede Diskussion hängt es sich dann an bestimmten Punkten auf. Will der Autor etwa unterstellen, dass alle Muslime in allen wesentlichen Punkten so denken wie die taz oder wie er? Viele Muslime denken in vielen Punkten, die ihnen auch sehr wichtig sind, deutlich anders. Sie haben alles recht dazu und dürfen ihren Standpunkt vortragen. Und andere dürfen natürlich etwas dagegen sagen. Das scheint mir doch eine wichtige gesellschaftliche Debatte. Wie kann man da so tun als gäbe es nichts, über das man reden müsste?