Einbürgerungsrecht in Österreich: Der Weg zum Ösi-Sein

Österreichs SPÖ will eine vereinfachte Einbürgerung im Land lebender Ausländer. Die rechten Parteien halten mit mit absurd falschen Zahlen dagegen.

Sebastian Kurz mit Maske

Wenn es nach ihm geht, bleiben die Hürden hoch: Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz Foto: reuters

WIEN taz | Nirgendwo in Europa sind die Hürden für die Einbürgerung höher als in Österreich. Das soll auch so bleiben, wenn es nach der ÖVP von Sebastian Kurz geht. Auf einen vergangene Woche präsentierten Vorschlag der SPÖ, Wartezeiten und Gebühren zu senken, reagierte die Kanzlerpartei mit reflexartiger Hysterie und einer Reihe von schlichtweg falschen Informationen. Das Land würde von einer halben Million Neubürger überschwemmt, hieß es in ersten Stellungnahmen. Fraktionschef August Wöginger ortete gar eine Verschwörung: „Die Links-Parteien wollen mittels Masseneinbürgerungen die Mehrheitsverhältnisse im Land ändern.“

Tagelang folgten die meisten Medien dem Spin der ÖVP, ohne den Entwurf der SPÖ einer ernsthaften Analyse zu würdigen. Allenfalls warfen sie die Frage auf, warum die größte Oppositionspartei der ÖVP die willkommene Gelegenheit gibt, von eigenen Korruptionsskandalen abzulenken. Erst in den letzten Tagen ließen einige Qualitätsmedien Experten zu Wort kommen, die ihre Sachkunde in die Debatte einbrachten.

Nach Darstellung von Sebastian Kurz würden mit einem Schlag sämtliche Flüchtlinge, die 2015 mit dem Massenexodus aus Nahost und Südasien ins Land kamen, einen österreichischen Pass bekommen. Er wolle die österreichische Staatsbürgerschaft „nicht entwerten“. Die müsse man sich „durch Leistung“ verdienen.

Auch die Einbürgerung von in Österreich geborenen Kindern, von denen mindestens ein Elternteil fünf Jahre legal im Land gelebt hat, kommt für ihn nicht in Frage. Vergangenes Jahr kamen in Österreich über 11.000 Kinder als Ausländer auf die Welt.

1.000 Euro Gebühren beim Bund für die Einbürgerung

Derzeit müssen Bürger des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sechs und Drittstaatsangehörige zehn Jahre warten, bis sie die Staatsbürgerschaft beantragen dürfen. Sie müssen nach Abzug von Miete und anderen Fixkosten 840 Euro Nettoeinkommen vorweisen können, hohes Sprachniveau nachweisen und einen Integrationskurs absolvieren.

Allein der Bund kassiert für die Verleihung der Staatsbürgerschaft über 1.000 Euro. Dazu kommen noch Ländergebühren. Die SPÖ will die Wartezeit auf allgemein sechs Jahre verkürzen, die Einkommenshürde und die Gebühren senken.

Laut Statistik Austria leben derzeit etwa 105.000 Drittstaatsangehörige im Land, die mehr als sechs aber weniger als zehn Jahre da sind, also nach den von der SPÖ vorgeschlagenen Kriterien ihre Dokumente einreichen könnten. Das ist weit entfernt von den 500.000, vor denen die ÖVP wider besseres Wissen warnt. Die Erfahrung lehrt, dass nur ein Bruchteil tatsächlich gleich einen österreichischen Pass beantragen würde.

Der Publizist und Politikberater Stefan Brocza ging am Dienstag in einem Gastkommentar in der Tageszeitung Der Standard auf die Befürchtungen des ÖVP-Fraktionschefs ein. Er kann sie nachvollziehen: Denn bei den Wiener Bezirksvertretungswahlen vom Oktober 2020, bei denen rund 230.000 EU-Bürgerinnen und -Bürger wahlberechtigt waren, stimmten überproportional viele Ausländer für Grüne und die liberalen Neos, während die Rechtsparteien ÖVP und FPÖ nur etwa halb so viele Stimmen bekamen wie in der Wählerschaft insgesamt.

Brocza: „Deshalb – und nur deshalb – auch das laute Geschrei der ÖVP. Wäre es nämlich anders und wären potenzielle ‚Neubürger‘ als ÖVP-Wählerinnen und -Wähler zu generieren, hätte man damit überhaupt kein Problem. Das zeigen die damaligen Ankündigungen der türkis-blauen Bundesregierung, die österreichische Staatsbürgerschaft an Südtirolerinnen und Südtiroler zu verleihen.“

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