Irische Partei lehnt EU-Plan ab: Laborversuch in Irland

Der nordirischen Wirtschaft geht es schlechter als der Republik Irland. Helfen kann, dass Nordirland im EU-Markt bleibt – doch eine Partei blockiert.

Der Vorsitzende DUP Jeffrey Donaldson spricht in Mikrofone

Lehnt die Pläne von EU und britischer Regierung ab: Jeffrey Donaldson, Chef der unionistischen DUP Foto: Lorraine O'Sullivan/reuters

DUBLIN taz | Bis zur Teilung vor gut 100 Jahren waren die nordirischen Grafschaften weitaus wohlhabender als der Rest der Insel. 70 Prozent der Frauen und 32 Prozent der Männer waren in der Leinen-Industrie, im Schiffbau und in der Rüstung beschäftigt – weit mehr als im Süden, wo es ohne die Guinness-Brauerei noch schlechter ausgesehen hätte. Belfast war damals nicht nur die größte, sondern auch die reichste Stadt Irlands.

Das hat sich grundlegend gewandelt, Nordirland geht es heute schlechter als der irischen Republik. Der Wirtschaftswissenschaftler David McWilliams vergleicht die Situation auf der irischen Insel mit einem Laborversuch: Beide Teile Irlands waren in der Europäischen Union, haben eine ähnliche Bevölkerungsstruktur und dieselben natürlichen Ressourcen. Aber die Menschen leben seit gut hundert Jahren in zwei Jurisdiktionen – ohne ideologische Grenzen wie zwischen der Bundesrepublik und der DDR oder zwischen Nord- und Südkorea.

Für Nordirland gelten andere Regeln als für die irische Republik – allerdings auch nicht die gleichen wie für den Rest des Vereinigten Königreichs, aufgrund des Nordirland-Protokolls, das zum Brexit-Vertrag gehörte.

Ende Februar einigten sich die britische Regierung und die EU nach langem Ringen auf den sogenannten Windsor-Rahmenplan, der das Protokoll ablösen soll. Ziel der Einigung ist, den Handel zwischen Nordirland und den anderen britischen Teilen zu vereinfachen. Am Mittwoch stimmt das britische Unterhaus über die Vereinbarung ab.

Plan könnte Nordirland aus der Misere helfen

Kritik kommt von der Democratic Unionist Party (DUP), der größten unionistischen Partei Nordirlands: Sie verkündete am Montag, den Windsor-Rahmenplan ablehnen zu wollen. Die Unionisten sehen Nordirland als einen Teil des Vereinigten Königreichs wie jeder andere. Aus Protest gegen die bisherigen Regelungen boykottiert die DUP seit gut einem Jahr das Belfaster Regionalparlament.

Laut Windsor-Rahmenplan bleibt Nordirland im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion – zum Unmut der DUP. Dabei ist das vielleicht die große Chance für Nordirland. Der Zugang zu zwei Märkten kann der Provinz aus der wirtschaftlichen Misere helfen.

Die Daten sind aufschlussreich, vor allem im Vergleich mit der Republik Irland: Kinder der ärmsten 20 Prozent in Nordirland haben heutzutage eine Lebenserwartung von nur 53 Jahren. Insgesamt führen die Menschen in Nordirland nur 61 Jahre ein gesundes, beschwerdefreies Leben, in der Republik Irland hingegen 69,4 Jahre.

Auch im Bildungsbereich geht die Schere auseinander: In Nordirland haben, so eine Studie des unabhängigen Economic and Social Research Institute in Dublin, 40,7 Prozent der 25- bis 34-Jährigen eine Hochschulausbildung, in der Republik sind es über 55 Prozent. In Nordirland haben 20 Prozent keinen Schulabschluss, in der Republik nur 7,4 Prozent. Ein Drittel der 16- bis 64-Jährigen in Nordirland hat weder einen Job noch eine Ausbildung – der höchste Anteil im Vereinigten Königreich.

Unionisten fürchten Verrat der britischen Regierung

Die Unionisten seien offenbar entschlossen, dass es so bleibt, damit in der Republik Irland der Wunsch nach einem vereinigten Irland aus finanziellen Gründen gedämpft werde, vermutet McWilliams: „Wen schert es schon, dass die Wirtschaftsleistung im Süden fast neunmal größer ist als im Norden, solange der Union Jack flattert?“

Bei der DUP geht die Angst um, erneut von der Regierung in London hereingelegt zu werden. Viele Parteimitglieder nehmen es dem ehemaligen Premier Boris Johnson noch immer übel, Nordirland für den Deal mit der EU „verraten“ zu haben. Für sie ist das Nordirland-Protokoll ein Verrat an der Integrität des Vereinigten Königreichs. Weil sich der Windsor-Rahmenplan nicht sonderlich vom Nordirland-Protokoll unterscheide, könne sie ihm nicht zustimmen, erklärte die DUP.

Ohne die DUP gibt es aber keine nordirische Regierung, denn die besteht laut Belfaster Friedensabkommen von 1998 zwingend aus einer Koalition. Die beiden stärksten Parteien auf protestantisch-unionistischer und katholisch-republikanischer Seite stellen jeweils den Ersten Minister und dessen Stellvertreter. So werden die Feierlichkeiten am Karfreitag zum 25. Jahrestag des Belfaster Abkommens gedämpft sein.

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