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Iraker aus SachsenFlüchtling tot im Wald gefunden

Ein Iraker wurde im Mai 2016 in einem Supermarkt in Arnsdorf von einer Bürgerwehr schikaniert. Nun wurde seine Leiche entdeckt.

Ort der Freiheitsberaubung: Supermarkt in Arnsdorf Foto: dpa

DRESDEN taz | Der am Ostermontag in einem Wald tot aufgefundene Mann ist jener irakische Geflüchtete, der im Mai 2016 vor einem Supermarkt in Arnsdorf nahe Dresden von einer Bürgerwehr gefesselt worden war. Die Dresdner Polizei teilte am Donnerstag mit, dass der 21-Jährige durch Fingerabdrücke zweifelsfrei identifiziert sei. Zuvor hatte eine bei dem Toten aufgefundene Aufenthaltsgenehmigung bereits auf den Iraker verwiesen.

Am Mittwoch war die schon stark verweste Leiche obduziert worden. Demnach starb der Mann an Unterkühlung und lag wahrscheinlich schon seit Januar in jenem Waldstück bei Dorfhain, ebenfalls etwa 20 Kilometer vor Dresden, wo ihn ein Jagdpächter zu Ostern fand.

Der Fall hatte überregional Aufsehen erregt, weil der Iraker im Mai 2016 von vier Männern einer Bürgerwehr festgesetzt wurde. Zuvor war der Flüchtling in einem Supermarkt nach Problemen mit seiner Telefonkarte gegenüber einer Kassiererin laut geworden. Die Männer zerrten ihn hinaus und fesselten ihn mit Kabelbindern an einen Baum.

Ein Verfahren wegen angeblicher Bedrohung der Verkäuferin wurde allerdings eingestellt. Hingegen soll am Montag vor dem Amtsgericht Kamenz die Hauptverhandlung gegen die vier Männer der Bürgerwehr beginnen. Ihnen wird Freiheitsberaubung vorgeworfen. Der verstorbene Iraker sollte eigentlich als Zeuge angehört werden.

Recherchen vor einem Jahr hatten ergaben, dass der Mann im psychiatrischen Krankenhaus Arnsdorf phasenweise stationär behandelt wurde. Seine psychischen Probleme hätten nichts mit seiner Flucht zu tun, sagte die Klinikleitung damals. Der Iraker müsse sich absehbar immer wieder in Behandlung begeben.

Am Montag soll vor dem Amtsgericht Kamenz die Hauptverhandlung gegen die vier Männer der Bürgerwehr beginnen

Nach Angaben einer Polizeisprecherin wurde der Asylbewerber zuletzt Anfang Januar von einer Betreuerin lebend gesehen. Er habe unter anderem Medikamente bei Flüchtlingshelfern abgeholt. Zu dieser Zeit war er einem Asylbewerberheim im Tharandter Wald zugewiesen, das in der Gegend der jetzigen Leichenfundstelle liegt. „Dann verliert sich seine Spur“, so die Polizeisprecherin.

Nun ermitteln die Dresdner Staatsanwaltschaft und eine polizeiliche Mordkommission. Äußere Gewalteinwirkung hatte die Obduktion vom Mittwoch bereits ausgeschlossen.

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14 Kommentare

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  • Um den Fall aufzuklären könnte man die Bewohner der Unterkunft und den Arzt befragen. Hat der Mensch irgend welche Drohungen bekommen, zum Beispiel während der Freiheitsberaubung? Nach Spuren (Reifen, Fußspuren, Alkohol, Zigaretten...) im Wald um den Tatort müsste besser gesucht werden. Innere Obduktion könnte weitere Erkenntnisse liefern. Zu viel Alkohol oder KO-Tropfen im Blut könnten auch Indizien für ein Gewaltverbrechen wie Mord oder Tötung sein.

     

    Eine Nachricht, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, würde zudem potenzielle Straftäter abschrecken.

  • Schlimm.

    Und warum liegt das Asylbewerberheim im Tharandter Wald und nicht in der Stadt?

    • @nzuli sana:

      Es liegt nicht einsam mitten im Wald, sondern wohl in einem Dorf namens Grillenburg. Das wird in dem Artikel nicht deutlich. Man kann es aber googlen.

  • Zu hinterfragen wäre es auch, ob der Mann seinen ersten Besuch beim Arzt bereits vor oder erst nach der Freiheitsberaubung gemacht hat. Zudem könnte der Mann beim behandelnden Arzt über die Freiheitsberaubung und deren Folgen dem Atzt berichtet haben. Zwar gibt es ärztliche Schweigepflicht. Zur Klärung des Falls, in Anbetracht der Umstände, bedarf es jedoch keine Schweigepflichtentbindung.

     

    Um den Fall aufzuklären, wichtig wäre zu erfahren, ob der Arzt dazu (Vorfall mit Freiheitsberaubung) befragt wurde? Und bestimmt war der Man nicht akut (!) selbstmordgefährdet; schließlich hat er sich um seine Genesung beziehungsweise um seinen gesundheitlichen Zustand aktiv gekümmert, was dem Artikel zu entnehmen ist.

    • @Stefan Mustermann:

      Der Iraker war schon davor in psychiatrischer Behandlung: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5309925&s=Iraker+b%C3%BCrgerwehr/

      • @lions:

        Jeder Mensch ist vor dem Gesetz gleich, auch wenn er krank ist. Dass er nicht zwangseingewiesen wurde, bestätigt ja, dass er wegen seiner Krankheit nicht allgemeingefährlich oder selbstmordgeferdet war.

  • Zu dem was Bürgerwehr gemacht hat...

     

    Streitigkeiten wie an der Kasse löst man durch Gespräche. Kassiererinnen werden immer wieder darauf angewiesen, sehr schnell zu kassieren. Einigen Käufern gefehlt es nicht, wenn Lebensmitteln dabei auf den Boden Fallen oder grob geworfen werden, obgleich das unverhofft passiert und nicht Kassiererinnen schuld dabei sind, sondern Geschäftsführung, die so an dem Einsatz von Kassiererinnen Personalkosten spart bei Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen, neben der Kürzung der Arbeitsstunden. So etwas kann man aber vor Ort durch Gespräche lösen und nicht durch Gewalt und Freiheitsberaubung.

  • Rundum Verbrechensbekämpfung verschwinden nicht selten Zeugen, wenn sie gegen Schwerverbrecher oder Mafia (organisiertes Verbrechen) aussagen müssen. So können Verbrecher unbestraft davon kommen. Das wären also Mafia-Methoden. Was nicht heißen muss, dass es in dem vorliegenden Fall so war. Es ist aber eine Methode, um Verbrechen aufzuklären, dass man Analogien (Vergleich auf Ähnlichkeit mit anderen stattgefundenen Straftaten) anstellt oder mögliche Motive (Hatte der Mann Feinde, Auseinandersetzungen, Streitigkeiten..?) prüft.

  • 1G
    1326 (Profil gelöscht)

    So so. Schickaniert nennt man sowas.

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Quatsch mit Soße. Hätte die taz gemeldet, dass man irgendwo, in irgendeinem Wald zu irgendeinem Zeitpunkt irgend einen Toten gefunden hat, ohne weitere Nennung weiterer Fakten, wäre es eine absurde Meldung gewesen.

    Soweit d'accord?

    Also, Sie können sich schon wünschen dass man die Meldung ganz auslässt. Ihre Begründung dafür würde mich in dem Fall interessieren.

    Oder aber es kommt die ganze Meldung mit (nicht namentlicher) Identität und Vorgeschichte, denn ohne letzterer ist die Entdeckung der Leiche völlig uninteressant, mit jedoch ein recht eigenartiges Vorkommnis.

    • @61321 (Profil gelöscht):

      "Also, Sie können sich schon wünschen dass man die Meldung ganz auslässt. Ihre Begründung dafür würde mich in dem Fall interessieren."

       

      Die Begründung ist seit Freiburg bekannt. Sie lautet "lediglich regionale Bedeutung".

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @61321 (Profil gelöscht):

      .

      @FLY natürlich

  • Immer wieder gibt es die auch in diesem Medium oft erhobenen Forderungen, dass man bei Meldungen, wo es nicht unbedingt nötig ist, den Namen, die Herkunft, das Geschlecht nicht nennt.

     

    Vor diesem Hintergrund wundert es doch sehr, das der Untertitel des Artikels "Ein Iraker wurde im Mai 2016 in einem Supermarkt in Arnsdorf von einer Bürgerwehr schikaniert. Nun wurde seine Leiche entdeckt." lautet. Nach Lektüre des Artikels wird dann deutlich, dass der Vorgang im ersten Satz einfach gar nichts mit dem zweiten Satz zu tun hat. Die "Vorgänge" sind wohl unabhängig voneinander (ausser vielleicht über die anscheinend vorhandene psychische Erkrankung). Wozu wird das also so prominent hervorgehoben? Ist es nicht bedauerlich genug, dass ein Mensch vorzeitig zu Tode gekommen ist?

    • @fly:

      Sehr viele wichtige NSU-Zeugen sind auch alle "zufällig" kurzfristig in jungen Jahren verstorben...