Investoren räumen auf eigene Faust: Privatarmee im Bahnhofswald
Weil die Stadt Flensburg sich weigerte, den besetzten Bahnhofswald räumen zu lassen, haben es die Investoren privat versucht. Die Polizei stoppte das.
Unklar ist, ob die Arbeitskräfte sicher wussten, dass das Haus leer war. Aus Sicht der Aktivist*innen „schrecken sie nicht davor zurück, Leute körperlich zu bedrohen und zu gefährden“, heißt es in einer Mitteilung. „Als die Polizei sie ansprach aufzuhören, stoppten sie erst eine halbe Stunde später die Arbeiten.“ Am Telefon schilderten Beteiligte weitere Details: So schrie einer der Besetzer aus einem Baumhaus, dass er dort sei, dennoch setzten Arbeiter unten die Säge an.
Zuwege und Luftbrücken zwischen den Häusern und Plattformen wurden zerstört, und es seien auch zahlreiche Bäume so tief angesägt worden, dass sie absehbar eingehen werden. „Die haben Tatsachen geschaffen“, heißt es von Seiten der Aktivist*innen im Bahnhofswald.
Dabei hatte es noch am Donnerstag so ausgesehen, als könnten sie aufatmen: Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) hatte bei einem Besuch vor Ort angekündigt, es werde keine polizeiliche Räumung geben. Zuvor hatte die taz online berichtet. Der Grund für die Entscheidung der Verwaltung ist die Coronasituation in der Stadt, wo sich aktuell die besonders ansteckende Mutante B.1.1.7 ausbreitet. „Wir können in dieser Phase keine Maßnahmen in Gang setzen, die das Ziel gefährden, das Virus zurückzudrängen“, sagte Rathaussprecher Clemens Teschendorf.
Zwar steht die Stadt dem Bau grundsätzlich positiv gegenüber und sieht auch die Notwendigkeit für mehr Parkplätze nahe dem Bahnhof, die erbetene Amtshilfe beim Räumen des Grundstücks lehnte die allerdings ab. Der Gesundheitsschutz gehe vor, und letztlich sei es eben doch „ein privates Vorhaben auf einem privaten Grundstück“.
Räumung auf eigene Faust
Also nahmen die beiden Besitzer des Grundstücks, die Flensburger Investoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen, auch die Räumung ganz privat in die Hände. Eine Genehmigung besaßen sie nicht, weder Verwaltung noch Polizei waren vorab informiert. Kurz nach Beginn der Arbeiten traf die Polizei ein und stoppte die Rodung.
Zwar sei die „Rechtslage nicht mit einem Satz zu erklären“, so Polizeisprecher Christian Kartheus, „aber wenn man da einfach reingeht und Bäume fällt, sind Menschen in Gefahr.“ Am Vormittag erschienen Vertreter*innen der Stadtverwaltung, die eine Verfügung erließen, laut der die Arbeiten einzustellen und nicht weiter fortzuführen sind.
Es war bereits am Morgen zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden, Polizeikräften und Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes gekommen, also zu genau den hautnahen Begegnungen, die die Stadt unbedingt vermeiden wollte. Laut Mitteilung der Polizei wurde ein Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes am Kopf verletzt.
Kritik von allen Seiten
Im Verlauf des Tages trafen weitere Polizeikräfte und zahlreiche Unterstützer*innen der Besetzer*innen ein. Damit waren zeitweise mehrere Hundert Personen vor Ort: „Hochbrisant“ und angesichts der Coronalage gefährlich für alle Beteiligten, so die Gewerkschaft der Polizei in einer Stellungnahme.
Kritik kam auch von der Politik: Der Kieler Linken-Bundestagsabgeordnete und Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin sprach von einem „klaren und frechen Rechtsbruch, der aufgeklärt und geahndet werden muss“. Rainer Borcherding, Sprecher der Grünen Schleswig-Flensburg, nannten den „Einsatz einer Privatarmee an Arroganz nicht zu überbieten“. Das zeige, „was von der Gesetzestreue dieser Investoren zu halten ist“.
Gemeint sind die beiden Flensburger Jan Duschkewitz, Chef eines Sanitär- und Heizungsgeschäfts, und Steuerberater Ralf Hansen. Für sie drängt die Zeit: Nur bis Ende Februar darf laut Naturschutzgesetz Wald gerodet werden, danach beginnt die Brutsaison. Laut den Investoren droht die Steigenberger-Gruppe, die das Hotel am Bahnhof pachten möchte, mit Rückzug. Von der Hotelkette gab es dazu bis Redaktionsschluss keine Auskunft. Auch die Flensburger Investoren waren für Fragen nicht zu erreichen: „Der Chef ist heute natürlich nicht da“, sagte eine Mitarbeiterin der Firma Duschkewitz.
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