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Investitionen in VerkehrViel mehr Geld für Straße als für Bahn

In den vergangenen 30 Jahren hat Deutschland doppelt so viele Mittel in Straßen gesteckt wie in die Schieneninfrastruktur. Das zeigt eine Studie.

Mehr Autos für mehr Straßen in Deutschland Foto: Arnulf Hettrich/imagebroker/imago

Berlin afp | Deutschland hat in den vergangenen knapp 30 Jahren etwa doppelt so viel in Straßen investiert wie in seine Schieneninfrastruktur. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie und des T3 Transportation Thinktank im Auftrag von Greenpeace. Zahlen aus jüngeren Jahren zeigen demnach zudem, „dass die deutsche Politik nach wie vor voll auf das Auto ausgerichtet ist“.

Die beiden Denkfabriken haben dem Bericht zufolge die Investitionen in die Straße und die Schiene in den 27 EU-Staaten sowie in Großbritannien, Norwegen und der Schweiz untersucht. Vergleichbare Daten für diese 30 Länder lagen für die Jahre 1995 bis 2018 vor. In diesem Zeitraum wurden demnach im Schnitt 66 Prozent mehr in Straßen als in die Schiene investiert.

In Deutschland beliefen sich die Mehrausgaben den Angaben zufolge auf über 100 Prozent: 278,4 Milliarden Euro flossen in Straßen, nur 132 Milliarden in die Schiene. Während das deutsche Schienennetz bis 2020 um 15 Prozent auf 38.400 Kilometer schrumpfte, wuchs das Autobahnnetz um 2000 Kilometer (18 Prozent).

Im internationalen Vergleich schrumpfte nur das Schienennetz in Litauen, Polen und Portugal stärker als das deutsche. Und nur Spanien, Frankreich und Portugal haben relativ zum bestehenden Netz mehr Autobahnkilometer gebaut.

Greenpeace: Deutschland bleibt Autoland

Bei den Mehrinvestitionen in das gesamte Straßennetz im Vergleich zu den Schieneninvestitionen schafft es Deutschland allerdings nicht in die Top 10. Länder wie Rumänien, Kroatien, Polen und Irland gaben in den Jahren 1995 bis 2018 ein Vielfaches mehr für neue Straßen aus als für neue Schienen.

Jüngere Zahlen suggerieren eine Annäherung der Ausgaben: In den Ländern, für die bereits Zahlen vorliegen, haben sich in den Jahren 2018 bis 2021 die Mehrausgaben für die Straße merklich auf 34 Prozent reduziert. Auch in Deutschland ging der Abstand zwischen den Investitionsvolumen in die beiden Verkehrsträger auf 84 Prozent zurück. Die Veränderung ist jedoch kleiner als in den anderen Ländern, woraus Greenpeace schließt, dass Deutschland vorerst Auto-Land bleibt.

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9 Kommentare

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  • Dass zu wenig Geld in den Ausbau der Bahn-Infrastruktur fließt, liegt nicht nur an konservativen Politikern oder daran, dass zu viel in den Straßenverkehr gesteckt wird. Baumaßnahmen der Bahn werden regelmäßig von Naturschützern, Bürgerinitiativen oder Provinzpolitikern mit bestimmten Partikularinteresen be- und verhindert. Aus jeder neuen Trasse, jedem neue Bahnhof, selbst einzelnen neuen Brücken wird ein Kulturkampf gemacht, es wird geklagt und protestiert. Gerade wurde von solchen Kräften die Schnellbahntrasse Hamburg-Hannover erfolgreich verhindert. Es wird alles getan, um die Bahn in ihrer Bummelzugstruktur aus Dampfzug- und Kleinstaatenzeiten des 19. Jahrhunderts zu erhalten. So kann die Verkehrswende nicht klappen.

  • So erschreckend wie die Zahlen klingen. In Realität ist es noch schlimmer und verzerrter.

    Das sind NUR die Investitionen in Infrastruktur! Die tatsächlichen Kosten vom Autofahren spiegelt das noch nichtmal wieder. Nehmen wir zB einfach mal jährliche Unfallkosten von 30 Milliarden Euro in Deutschland. Dazu noch unendliche Subventionen. Nicht zuletzt die Folgekosten von CO2 und anderen Belastungen von Mensch und Unwelt.

    Man brauch sich nur den ÖPNV von Berlin vor 80 Jahren anschauen und wird feststellen, dass es kaum Verbesserungen gegeben hat. Kein Wunder, dass immer noch viele meinen Auto fahren zu müssen.

  • Die Verkehrsträger leisten ja auch unterschiedlich. Wenn man bedenkt, dass der Anteil der Bahn am Verkehrsmix selbst in der Schweiz, wo die Leute fast doppelt so gern Bahn fahren wie überall sonst, die gefahrenen Bahnkilometer unter einem Viertel der Autokilometer liegen, ist ein Ausgabenverhältnis von 1:2 immer noch überproportional zugunsten der Bahn.

  • Das Ergebnis der Untersuchung hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht. In meiner Kindheit in den 70ern war die Elektrifizierung der Bahnstrecke Hof - Weiden - Regensburg immer wieder Thema. Das ist bis heute nicht geschehen. Nicht mal zum Teil. Die A9 und die A93 wurde, aus- bzw. neugebaut. Eine A6 führt in den Osten Richtung tschechische Grenze. Von den vielen, teilweise dreispurigen Bundesstrassen möchte ich gar nicht reden. Sogar der Transrapid, also die von Edmund Stoiber so genial angepriesene Direktverbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen FranzJosefDings wurde nicht realisiert. Italien und Österreich basteln am Brennerbasistunnel und Bayern, also die mit Laptop und Lederhose, haben noch nicht mal die Pläne für die Verbindungsstrecken nach Deutschland fertig.

  • Nur doppelt so viel? Wer regelmäßig Bahn fährt hat das Gefühl es wurde noch sehr viel weniger investiert

    • @Choronyme:

      Das ist Teil des Problems, schätze ich. "Straße" als Infrastrukturkonzept ist halt schon deutlich einfacher gestrickt als "Bahnverkehr". Das kriegt ein Staatsapparat noch einigermaßen zum Funktionieren...

  • Das kombiniert mit den verstecken Kosten für den Straßenverkehr macht klar,das es keine ernsthafte Verkehrswende geben kann. Ein paar kleine Veränderungen,aber alles in allem wird der Verkehr so bleiben wie er ist.