Interview mit Walschützer: „Das ist absolute Gesetzeswillkür“
Die Organisation Sea Shepherd kämpft gegen die Jagd auf Grindwale – und mit dem Militär. Eigentlich will sie nur, dass EU-Gesetze beachtet werden.
taz: Herr Strerath, Sie wurden gleich bei Ihrem ersten Einsatz gegen den Grindwalfang auf den Färöer Inseln verhaftet. Was war da los?
Tom Strerath: Wir waren für die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd zu siebt mit unserem Schlauchboot in einem Fjord unterwegs. Plötzlich sahen wir aus einer Bucht immer mehr Fischerboote herausfahren. Auch ein Militärboot und unser Mutterschiff, die „Sam Simon“, waren dabei. Da war uns sofort klar, dass da was im Busch war. Also haben wir uns an die anderen drangehängt.
Es ist Walfangsaison. Waren die Boote auf dem Weg zu Grindwalen?
Wale waren überhaupt nicht zu sehen. Als die Besatzung des Militärboots uns gesehen hat, hat sie sofort zwei Schlauchboote zu Wasser gelassen, ein paar Marinesoldaten sind zu uns rübergekommen und haben uns festgenommen. Die Polizei war mit an Bord. Die arbeitet hier meistens sehr eng mit dem Militär zusammen.
Warum wurden Sie festgenommen?
Beim Grindwalfang gilt eine Bannmeilenzone, die keiner befahren darf, der etwas gegen diese Waljagd unternehmen will. Touristen, die jagen wollen, dürfen hingegen rein. Allerdings müssen die Behörden über den Seefunkkanal 16 darauf hinweisen, dass gerade ein Fang ansteht.
32, ist Hafenarbeiter in Bremen und Aktivist bei der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd. Diese kämpft seit 1983 gegen die Jagd auf Grindwale und organisiert jedes Jahr Freiwillige, die in den Gewässern patrouillieren.
Und diesen Hinweis gab es in diesem Fall nicht?
Richtig, den gab es nicht. Wir konnten auch keinen Grindwalfang erkennen. Trotzdem wirft man mir nun vor, das Bannmeilengesetz verletzt zu haben. Bei den anderen sechs Festgenommenen weiß ich nicht, wie die genaue Anklage lautet. Mein Pass wurde eingezogen, man hat Fingerabdrücke und eine DNA-Probe von mir genommen.
Was für eine Strafe droht Ihnen jetzt?
Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich könnte beispielsweise des Landes verwiesen werden und dürfte dann ein Jahr lang nicht mehr einreisen.
Das ist alles?
Eine andere Möglichkeit wäre, dass ich bis zu 3.500 Euro Bußgeld zahlen muss. Und im schlimmsten Fall muss ich zwei Jahre ins Gefängnis.
Haben Sie den Eindruck, dass die Färöer-Inseln die Aktionen von Sea Shepherd gezielt verhindern wollen?
Das sieht stark so aus. Es gibt auf der Insel ein Gesetz, das es der Polizei erlaubt, jede Person festzunehmen, gegen die auch nur der Verdacht besteht, dass sie einen Grindwalfang stören will. Dieses ganze Gesetz wurde zielgenau auf unsere Störaktionen zugeschnitten. Mittlerweile macht Sea Shepherd ja schon die sechste Kampagne auf den Färöern. Und mit jeder Kampagne haben die Behörden das Gesetz weiter verfeinert. Bis vor Kurzem galt sogar noch, dass jeder, der sich in den Hoheitsgewässern der Färöer befindet, den Behörden umgehend melden muss, wenn er Delfine oder Grindwale entdeckt hat.
Das heißt, Sie wurden verpflichtet, den Behörden die Standorte von den Tieren bekannt zu geben, die Sie eigentlich vor ihnen schützen wollten?
Genau, man verstieß gegen ein Gesetz, wenn man nicht bei der Polizei anrief, um Grindwale zu melden, die geschlachtet werden können. Das ist absolute Gesetzeswillkür.
Wie geht es nun mit Ihnen persönlich weiter?
Ich werde bis zur Verhandlung auf der „Sam Simon“ bleiben. Wenn ich den Termin für meine Verhandlung habe, werde ich eine Aussage machen, damit ich meinen Pass wiederkriege. Dann will ich zurück nach Bremen und von dort aus weiter gegen den Delfin- und Grindwalfang vorgehen.
Sie sind ehrenamtlich für Sea Shepherd im Einsatz. Was machen Sie sonst?
Ich bin von Beruf Hafenarbeiter. Mein Arbeitgeber unterstützt mich in meinem Engagement und hat mich für den Einsatz hier freigestellt. Wenn ich zurückkomme, kann ich ganz normal weiterarbeiten.
Sea Shepherd ist ja Schwierigkeiten gewohnt. Wie macht die Organisation in diesem Fall weiter?
Wir werden nicht von den Färöern wegbleiben. Unser Ziel ist, dass den Färöer-Inseln auferlegt wird, dass auch sie die EU-Gesetze zum Schutz der Grindwale anwenden müssen. Es kann nicht sein, dass sich die Färöer als Teil des Königreichs Dänemark nicht an das europäische Recht halten müssen, sondern ihre eigenen Gesetze schaffen können – und dass Dänemark zur Unterstützung auch noch Militär schickt. Wir werden weiterhin alles tun, damit die Gesetze geändert werden, um dem Gemetzel im Meer ein Ende zu setzen.
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