Interview mit Andreas Otto (Grüne): „Ein wichtiges Zeichen“

Dass das Land bei der Nachnutzung von Tegel auf Holzbauweise setzt, freut den grünen Baupolitiker Andreas Otto – genug ist es ihm noch lange nicht.

Auf einem guten Holzweg: Blick ins Treppenhaus der Sekundarschule Mahlsdorf Foto: Thomas Mayer

taz: Herr Otto, Sie treiben das Thema Holzbau schon länger voran. Im März 2019 fasste Rot-Rot-Grün im Abgeordnetenhaus einen Beschluss, der den Senat als größten Bauherrn der Region aufforderte, hier voranzugehen. Ende vergangener Woche hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) verkündet, dass das Land nach Schließung des Flughafens Tegel dort 5.000 bis 6.000 Wohnungen in Holzbauweise errichten will. Zufrieden?

Andreas Otto: Dem Klimaschützer reicht das natürlich noch lange nicht. Aber für den Politiker, der weiß, wie zäh und langwierig solche Prozesse ablaufen, ist es schon eine große Sache, wenn das Land Berlin beim Wohnungsbau in dieser Größenordnung auf Holzbau setzt. Das ist ein wichtiges Zeichen.

Der parlamentarische Beschluss forderte auch, dass beim Holzbau soziale und ökologische Standards gewährleistet werden. Wie lässt sich das in Tegel umsetzen? Indem nur Holz aus Brandenburg verbaut wird?

Ganz klar ist, dass bei solchen Bauvorhaben nur Holz aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung zum Einsatz kommen darf. Das lässt sich über Zertifikate sicherstellen. Was die regionale Herkunft angeht, wird man sich mit den Brandenburgern unterhalten müssen, inwieweit es dort schon ausreichendes Potenzial gibt, seitens der Forstwirtschaft und der holzverarbeitenden Firmen. Bei bisherigen Bauprojekten in unserer Region kam bislang immer auch ein größerer Anteil der Holzelemente aus Süddeutschland.

57, vertritt seit 2006 den Wahlkreis Prenzlauer Berg Nordwest als direkt gewählter Abgeordneter. Zwei Schwerpunkttehmen des Sprechers der Grünen-Fraktion für Baupolitik sind die Förderung des Holzbaus und die Asbestsanierung.

Ihnen schwebt ja ein sogenannter „Holzbau-Cluster“ vor – aus Forschung, Produktion und Weiterverarbeitung.

Genau, und dazu ist es sehr wichtig, mit Brandenburg zusammenarbeiten. Einen Landesbeirat Holz Berlin/Brandenburg gibt es bereits, aber die Kooperation kann noch deutlich verstärkt werden. In erster Linie müssen unsere Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und ihr Kollege in Potsdam, Jörg Steinbach, das voranbringen. Ich habe nach der Koalitionsbildung in Brandenburg aber auch schon mit Axel Vogel, dem grünen Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz über das Thema gesprochen, die Aufgeschlossenheit in der Landesregierung ist groß. In den Parlamenten ist zudem eine gemeinsame Kommission zur besseren Zusammenarbeit der beiden Länder in Planung. Da kommt auch der Holzbau auf die Tagesordnung. Ich bin sehr optimistisch.

Als die Berliner Mietskasernen noch aus Backsteinen errichtet wurden, war das auch ein regionaler Rohstoff. Könnte man künftig ein hölzernes Berlin allein aus Brandenburger Bäumen bauen?

Da wäre ich vorsichtig, denn es gibt ja durchaus eine Konkurrenz um das regionale Holz. Für die Papierherstellung wird es ebenso nachgefragt wie von der Pelletindustrie. Wobei es mir natürlich lieber wäre, alles würde verbaut und nichts mehr verbrannt.

Auch auf Initiative von Andreas Otto hin entstand der Berliner Holzbaupreis, der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen Berlin im Oktober 2019 zum ersten Mal vergeben wurde. Teilnehmen konnten ArchitektInnen, BauherrInnen und Holzbau-Unternehmen, aber auch Forschungsteams an Berliner Hochschulen.

In der Kategorie Neubau gewannen die vom Land Berlin errichtete Sekundarschule Mahlsdorf (siehe Foto), die Mensa auf dem Tempelhofer Feld (Bauherr: Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg) sowie das Projekt „Gemeinschaftswohnen im Wedding“ der Wohnungsbaugenossenschaft „Am Ostseeplatz“.

Weil?

Wenn wir Holz verbrennen, aber auch wenn es im Wald verrottet, wird wieder das CO2 freigesetzt, das beim Wachstum gebunden wurde. Verbauen wir es, wird das Gebäude zum Kohlenstoffspeicher, für 50, 100 oder noch viel mehr Jahre. Klimaexperten sagen, dass man idealerweise heute schon zu 100 Prozent aus Holz bauen müsste, denn auch die Herstellung von Zement setzt große Mengen CO2 frei.

Der parlamentarische Beschluss vom März 2019 hat auch ein Förderprogramm angeregt, um private Initiativen voranzubringen. Ist davon schon etwas zu sehen?

Das ist noch in der Debatte. Ich denke, dass sich zumindest einzelne innovative Projekte aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm BEK werden fördern lassen. Ein ganz großes Förderprogramm haben wir tatsächlich noch nicht in den Haushalt eingestellt. Wir gehen davon aus, dass sich das auch so entwickelt. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehen ja nun schon in Vorleistung, bei den Genossenschaften gibt es herausragende Projekte. Beispielsweise errichtet die BeGeno16 in Weißensee ein Quartier für rund 250 Menschen und hat dafür das Architekturbüro Deimel Oelschläger gewonnen, das in Holzbauweise plant. In den Holzgebäuden werden knapp 5.000 Tonnen CO2 für viele Jahre eingelagert. Wichtig ist, dass die GESOBAU und die anderen Landesgesellschaften jetzt nicht warten, bis die Tegel-Nachnutzung realisiert wird, sondern bei aktuellen Projekten den Holzbau schon mal üben.

Als im vergangenen Jahr der Bau von fast 30 Kitas in Holz-Modulbauweise ausgeschrieben wurde, ist das gefloppt: Es kamen keine Angebote von Bauunternehmen.

Das ist richtig, aber da wurde auch Ursachenforschung betrieben – mit dem Ergebnis, dass die Anforderungen einfach sehr hoch gesteckt waren. Es waren nicht kleine Lose ausgeschrieben worden, sondern Komplettpakete, und viele kleine Holzbauunternehmen sind noch nicht soweit. In einer zweiten Ausschreibung wurde das aufgesplittet, daraufhin gab es dann auch Bewerbungen und Aufträge.

Bei modernem Holzbau gibt es kein höheres Brandrisiko mehr als bei anderen Bauweisen. Gibt es trotzdem noch Vorbehalte gegenüber diesem Material in der Großstadt?

In der Bevölkerung am wenigsten, am ehesten noch in Teilen der Verwaltung und bei den Wohnungsbaugesellschaften. Die Grundhaltung „Wir haben das doch immer schon so gemacht“ löst sich erst langsam auf. Da braucht man einen langen Atem zum Umsteuern. Aber Fridays for Future mahnt uns dringend, dass auch in Berlin etwas getan werden muss. Wenn es um den Klimaschutz geht, können wir nicht allein über die Kohlekraftwerke in der Lausitz reden.

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