piwik no script img

Internes Papier aus StudentenverbindungZu reaktionär für eine Verbindung

Bei den katholischen Studenten­verbindungen sorgt ein internes Papier für Streit. Es liegt der taz vor.

Für das „Memorandum Romanum“ gibt es Zuspruch, vor allem von Erzbischof Nikola Eterović, dem Botschafter des Papstes in Deutschland

Ein buntes Begleitprogramm erwartet die Teilnehmer der 138. Versammlung des Cartellverbands, die am Donnerstag in Berlin beginnt. Doch wenn der Verband katholischer Studentenverbindungen, der rund 25.000 Mitglieder zählt, zu seiner obersten Versammlung zusammenkommt, dürften nicht nur der „Traditionelle Akademische Frühschoppen“ oder eine Dampferfahrt durch das Regierungsviertel, sondern auch hitzige Diskussionen auf dem Programm stehen.

Grund ist ein internes Papier, das von Mitgliedern des „Berliner Vororts“ im letzten Sommer verfasst und verschickt wurde, kurz nachdem dieser die Führung des Verbands übernommen hatte. Das 31-seitige Schreiben mit dem Titel „Memorandum Romanum“ kommt so extrem reaktionär daher, dass es selbst unter den katholischen Verbindungsstudenten auf Kritik stößt. Der Streit lässt sich anhand interner E-Mails nachvollziehen, die die Autonome Antifa Freiburg einsah und der taz zugänglich machte, ebenso wie das strittige Papier selbst.

Vor allem stilistisch wird das Papier intern kritisiert, etwa als „pathetisch“, „ausufernd“, „selbstreferenziell“ und „pseudo-theologisch“. Auch inhaltlich üben einige Verbandsmitglieder Kritik. Gründe dafür gibt es genug. Die sechs Verfasser des Schreibens, die verschiedenen Berliner Studentenverbindungen angehören, verurteilen nicht nur die heutige Zeit für ihre „grassierende Dekadenz, [die] jegliche Formen der Demut und Sittlichkeit zersetzt“. Sie finden auch scharfe Worte für den Synodalen Weg, das Reformprojekt der katholischen Kirche in Folge der Missbrauchsskandale.

Die Missbrauchsfälle selbst werden relativiert: Die Kirche werde zum „alleinigen Sündenbock“ für das eigentliche Problem gemacht, das in Wirklichkeit die gesamte Gesellschaft betreffe und aus „krankhaften Deformationen von Liebe auf dem Nährboden zügelloser, unkontrollierter Sexualität“ bestehe. Gewarnt wird vor jeglichen Liberalisierungsbemühungen in der katholischen Kirche, sei es hinsichtlich der Rolle der Frau oder der von Homosexuellen. „Geschlechtliche Vielfalt“, Lebensmodelle jenseits der heterosexuellen Ehe, Säkularisierung und Wissenschaft werden als Bedrohung des „christlichen Erbe des Abendlandes“ dargestellt, um das es laut den Verfassern so schlecht wie noch nie stehe.

Friedrich Merz ist auch ein „Alter Herr“

Doch für das „Memorandum Romanum“ gibt es nicht nur Kritik, sondern auch Zuspruch – von einzelnen Verbindungsmitgliedern, vor allem aber von Erzbischof Nikola Eterović, dem Botschafter des Papstes in Deutschland. Der Vatikan hat den Synodalen Weg und die damit einhergehenden Reformbemühungen in der katholischen Kirche in Deutschland immer wieder kritisiert. Kein Wunder also, dass Eterović das Papier für seine „klare katholische Haltung“ lobt, wie es eine Meldung auf der Homepage des Cartellverbands stolz verkündet.

Der Cartellverband ist der größte Verband von Studentenverbindungen in Europa. Insbesondere in der Union finden sich zahlreiche Mitglieder, zu den „Alten Herren“ zählen etwa der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz oder der ehemalige CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Wie wir alle wissen, setzte sich Merz bei einer entsprechenden Abstimmung im Parlament für straffreie Vergewaltigungen in der Ehe ein. Sehr christlich .Was soll man/ Frau von so einem Menschen halten?

    • @Ingrid Feistner:

      Okay, aber man muss ja auch sehen, dass Merz 2020 auf Facebook postete, dass er nicht für eine straffreie Vergewaltigung in der Ehe war, sondern nur Angst vor Falschbehauptung durch zerstrittene Ehepartner so stimmte, wie er stimmte. Er wollte also gar nicht, dass Vergewaltigung in der Ehe straffrei ist, sondern glaubte einfach, dass Frauen die Vorwürfe nur erfinden, um Männern bei Scheidungen zu schaden und wollte, dass sie die Anzeige zurückziehen können, wenn sie ihren Fehler bemerken bzw der Ehemann ihnen klargemacht hat, dass das ein Fehler war. Es ging ihm nur um den Schutz von Frauen. Das macht ihn doch gleich viel mehr zum Kanzlermaterial.

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @Iguana:

        Die Abstimmung im BT war im Jahre 1997. Hat er aber lange gebraucht für seine „Erklärung". Fürwahr „Kanzlermaterial".



        btw.: Diese idiotische Begründung benutzt doch bei unklarer Beweislage jeder Vergewaltiger. Auch ohne Ehe.

        • @95820 (Profil gelöscht):

          Frauman nennt sojet

          VERSCHLIMMBESSERUNG! Woll

          kurz - Ein typischer Fritze Merz - 🙀🥳😡 -

      • @Iguana:

        Sorry - durch längseln wird’s nur noch schlimmer. Newahr.



        Na aber Si‘cher dat. Da mähtste nix.



        Normal! Wollnich

  • "Die Missbrauchsfälle selbst werden relativiert: Die Kirche werde zum 'alleinigen Sündenbock' für das eigentliche Problem gemacht, das in Wirklichkeit die gesamte Gesellschaft betreffe und aus 'krankhaften Deformationen von Liebe auf dem Nährboden zügelloser, unkontrollierter Sexualität' bestehe..."

    Tolle Nummer.

    Ich hatte das Vergnügen einer religiösen Schule... in Spanien in den 1960ern Inklusive der "Zuwendung" seitens diverser frommer Kirchenmänner.

    War dort und damals schon "zügellose und unkonrtollierte Sexualität"?

    Kommt, Leute. Die Kirche hat's auch schon ohne sexueller Befreiung hinbekommen.

    Sicher war's nicht nur die Kirche. Nicht nur die katholische.

    Aber dass hierarchische Machtstrukturen, zudem auch noch zölibatäre, zudem auch noch die, denen mensch die Formung der Jugend anvertraut es besonders gut hinbekommen dürfte nicht sehr überraschend sein.

    Ich finde es verstörend, dass Ultrakonservative so viel Erfolg haben können, bei so viel Dummheit.

  • Die Kirchen, allen voran die katholische, rückentwickeln sich immer weiter zu Sekten. Mit Vorstellungen wie sie in dem "Memorandum Romanum" formuliert werden, geht es zurück ins Mittelalter - bestärkt von denen, die davon profitieren: die Machthaber (zu gendern braucht an dieser Stelle nicht!), die ihre Positionen festigen wollen. Da halte ich es mit John Lennon: "Imagine" - eine Welt ohne Religion - es wäre DIE Erlösung....

  • Das sind eben noch richtige Katholiken, die die katholische Tradition und Lehre hochhalten. Kein Wunder, dass der Botschafter des Papstes sich hinter sie stellt ...

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Wir leben in der Vor-Merz-Zeit. Bald werden Bürger wieder Untertanen. Und Friedrich Merz wird Ehrenmitglied bei Borussia Dortmund.



    „Hurra! Hurra! Hurra!“ (Diederich Heßling)



    de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan

    • @95820 (Profil gelöscht):

      Einige sehnen sicherlich



      Sich auch nach "Typen Metternich",



      'Vormärz' war biedermeierlich,



      Das passt nicht recht zu Fried(e)rich.



      Ich ahne, wer sie ihm verschafft,



      Beim Club die Ehrenmitgliedschaft.

  • Eigentlich gehen mir sojet katolsche Klüngel am Achtersten vorbei! But.

    Die zwei alten Herren - schon mit 18 ihre eigenen Großväter! Help



    Remarcable: “Merz ist seit 1977 Mitglied der katholischen Studentenverbindung KDStV Bavaria Bonn im CV und Mitglied in folgenden Organisationen: Rotary Club Arnsberg,[77] Deutscher Anwaltverein (DAV), Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung (DAJV), Frankfurter Zukunftsrat, Trilaterale Kommission, Deutsche Nationalstiftung und Atlantik-Brücke. Merz war 2005 Gründungsmitglied und bis zur Auflösung 2014 Mitglied des Fördervereins der Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.[78] Friedrich Merz gehört zum Kreis der Herausgeber der Fachzeitschrift Der Betrieb.[79] Zwischen 2019 und 2021 war er Vizepräsident des CDU-nahen Berufsverbands Wirtschaftsrat der CDU.“



    & der zweite =>



    Nie was auffe Kette gekriegt! Woll



    Aber - “Ziemiak ist Mitglied der katholischen Studentenverbindung



    AV Widukind in Osnabrück im CV und der KDStV Winfridia in Münster.“



    de.wikipedia.org/wiki/Paul_Ziemiak



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Merz



    & Sein Lügenmärchen



    www.tagesspiegel.d...deren-friedrich-me