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Internationales Treffen zur UkraineGroßer Gipfel auf kleiner Insel

Auf Malta treffen sich 65 Länder, die Ukraine präsentiert wiederholt Selenskis „Friedensformel“. Dabei geht es auch um die Nachkriegsordnung.

Die Ukraine kämpft weiter: Freiwillige trainieren, um den ukrainischen Kräften beizutreten Foto: Thomas Peter/reuters

BERLIN taz | Bei einem dritten „Friedensgipfel“ für die Ukraine am Wochenende auf Malta hat die ukrainische Regierung nach eigenen Angaben weitere internationale Unterstützung für ihre Haltung zur Beendigung des Krieges mit Russland erhalten. 65 Länder nahmen an dem Gipfel teil, der auf ähnlichen Treffen in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen am 26. Juni und der saudi-arabischen Stadt Dschiddah am 6. August folgt. Das sind deutlich mehr Länder als bisher: in Dschiddah waren es noch etwa 40 gewesen, in Kopenhagen noch weniger.

Die Regierung von Präsident Wolodimir Selenski präsentiert auf jedem dieser Treffen Selenskis „Friedensformel“ für die Ukraine, die er erstmals im September 2022 der UN-Generalversammlung vorgetragen hatte. Die „Friedensformel“ ist ein Zehn-Punkte-Plan mit einem vollständigen Rückzug Russlands hinter die international anerkannten Grenzen der Ukraine, einem Ende der Kampfhandlungen und der Wiederherstellung der ukrainischen Kontrolle ihrer Grenzen als Kernelement, gekoppelt mit verpflichtenden Sicherheitsgarantien für die Ukraine.

Weitere Elemente sind ein Sondertribunal für den russischen Angriffskrieg, russische Entschädigungszahlungen an die Ukraine zum Wiederaufbau, die Rückkehr aller Kriegsgefangenen und Deportierten sowie Maßnahmen zur globalen Energie- und Lebensmittelsicherheit.

Russland hat diesen Plan immer zurückgewiesen und ist zu Verhandlungen mit der Ukraine auf dieser Grundlage nicht bereit, sondern höchstens auf Grundlage einer ukrainischen Anerkennung aller russischen Annexionen. Es geht bei der „Friedensformel“ auch nicht so sehr um die Vorbereitung möglicher Friedensgespräche als um die Ausarbeitung der internationalen Komponenten einer Nachkriegsordnung für die Ukraine nach einer militärischen Niederlage Russlands.

Besserer Zugang für das Rote Kreuz

Auf Malta wurden fünf der zehn Punkte der „Friedensformel“ debattiert: atomare Sicherheit, Energiesicherheit, Lebensmittelsicherheit; Rückkehr der Kriegsgefangenen und Deportierten und Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine.

Als praktische Schritte in diesen Punkten wurden Kontrollrechte für die Internationale Atomenergiebehörde IAEA im russisch besetzten AKW Saporischschja genannt, ein verbesserter Zugang für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) zu Kriegsgefangenen sowie eine völkerrechtlich bindende Rolle für den Internationalen Gerichtshof (IGH).

Dieser ist für zwischenstaatliche Rechtsstreitigkeiten zuständig, bei Fragen der Einhaltung der UN-Charta und eine Reform des UN-Sicherheitsrates. Es bedürfe auch internationaler Verpflichtungen zur Gewährleistung von Ernährungssicherheit und gegen den Einsatz von Energielieferungen als Waffe oder Druckmittel, hieß es.

Als nachteilig werten Beobachter den Umstand, dass China nicht teilnahm, wie bereits beim ersten Gipfel in Kopenhagen im Juni. Dass chinesische Vertreter im August zum zweiten Gipfel nach Dschiddah gekommen waren, hatte die ukrainische Seite noch als Erfolg verbucht.

Jetzt wird als Neuzugang die Teilnahme Armeniens gefeiert, das nach dem Ausbleiben russischer Unterstützung gegen die aserbaidschanische Eroberung Berg-Karabachs im September seine Beziehungen zu Moskau überdenkt. Die wichtigen Schwellenländer Brasilien, Indien, Südafrika und Türkei waren erneut anwesend, die westlichen Unterstützer der Ukraine sowieso. Deutschland war nach Angaben aus Regierungskreisen auf „hoher Beamtenebene aus dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt“ vertreten.

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9 Kommentare

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  • Anstatt eines "Friedensgipfelspektakels" wären Verhandlungen zwischen den Parteien angebracht, ohne Glamour an einem Tisch.

    • @Mee:

      Wir leben im postfaktischen Zeitalter und da kommt Selenski halt gut an mit seinen Inszenierungen. Vielen halten ihn ja sogar für ein demokratisches Staatsoberhaupt, obwohl die Ukraine laut Demokratindex noch nicht Mal eine Demokratie ist:



      www.demokratiematrix.de/ranking

      Leider spielen heutzutage Fakten immer weniger eine Rolle.

    • @Mee:

      Russland will aber nicht und nun?

      • @Machiavelli:

        Selenski will aber genauso wenig (siehe sein "Friedensplan") verhandeln - er hat sogar Verhandlungen per Dekret mit Putin untersagt.



        Auf wen meinen Sie hat der Westen mehr Einfluss; auf Putin oder Selenski?



        Mit jedem Tag den der Krieg länger dauert verschlechtert sich nicht nur die Verhandlungsposition der Ukraine, sondern wird das Land noch weiter zerstört von den russischen Invasoren.



        Man hätte spätestens im letzten Herbst auf die Aussagen einige der höchsten westlichen Genärele hören sollen und versuchen wieder ernsthaft zu verhandeln.



        Putin weiß natürlich leider, dass die Zeit für ihn spielt:

        www.spiegel.de/aus...-a6b2-f1b170cbc6f3

        Es sind schon viel zu viele Menschen durch den russischen Angriffskrieg gestorben. Irgendwann muss doch auch Mal Realismus und Pragmatismus einkehren, wenn man verhindern will, dass die Ukraine einen noch höheren Preis bezahlen muss.

        • @Alexander Schulz:

          Machen Sie doch mal konkrete Vorschläge über was genau mit einem Despoten wie putin verhandelt werden soll.

        • @Alexander Schulz:

          Ihre Argumentation hat den Schönheitsfehler, dass die Ukraine das unrechtmäßig angegriffene Land ist. Wenn Sie fordern, daß der Westen auf Selenski Einfluss nimmt, beinhaltet das automatisch, daß die Ukraine doch bitte russisch-imperiale Realitäten akzeptiere. Das kann kaum im Interesse Europas sein, da es die Russen nur bekräftigen würde in ihrem Vorgehen. Siehe Georgien als Beispiel.



          Ich würde stattdessen fordern, dass die reichen Industrieländer Europas über wirtschaftliche oder wahlpolitische Kurzsichtigkeiten hinwegschauen, die Rüstungsschmieden endlich angemessen hochfahren, und die Ukraine mit allem ausrüsten, was sie zur Verteidigung braucht. Der Diktator und seine Oligarchenelite wird offensichtlich nicht ruhen bis sie sich eine blutige Nase holen. Das kann man auch sehr einfach daran erkennen, wie sie ihre Soldaten verheizen.

        • @Alexander Schulz:

          Putin weis das die Zeit für ihn spielt, Menschenleben bedeuten ihm nichts warum soll er also verhandeln? Und warum soll er sich an irgendwas halten? Und Zelenskyy hat nicht Verhandlungen verboten, das ukrainische Parlament hat festgestellt das Verhandlungen mit Putin sinnlos sind da er sich nicht an sein Wort hält, was ein Fakt ist.



          Klar könnte der Westen Druck auf die Ukraine ausüben und vielleicht kriegt man dann sogar einen "Frieden" und in ein paar Jahren greift Russland wieder an.

      • @Machiavelli:

        Es ist immer schwierig 2 Parteien an einen Tisch zu bringen (vielleicht haben sie schon mal die Erfahrung gemacht), also nicht aufgeben und alle insbesondere die diskreten Kanäle etc. nutzen.



        Oder meinen sie auch dass der Showdown ziwschen Palästinensern und Israelis das Mittel der Wahl ist ?

        • @Mee:

          Hab mich damit schon oft beschäftigt. Das Problem ist in diesem Krieg geht es um Russlands Anspruch um Weltmachtstatus, alles außer Siwg und der ist futsch. Jetzt muss man mal sehen wie lange Saudi Arabien in Yemen Krieg führte und da gibg es nur um den Anspruch Regionalmacht zu sein. Diskrete Kanäle werden die ganze Zeit genutzt, das dabei nichts rauskommt ist dem Fakt geschuldet das Russland einfach hofft laut auf Zeit spielen den Krieg gewinnen zu können.