Internationaler Tag der Pflege: Den „Pflexit“ abwenden
Die Bedingungen in der Pflege sind übel, viele Beschäftigte könnten nach der Pandemie aufgeben. Zum Tag der Pflege fordern sie eindringlich bessere Arbeitsverhältnisse.
„Es muss Tiefbau stattfinden“, verlangte Postel, die Vorsitzende im Errichtungsausschuss der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen ist. Um einen „Pflexit“ nach der Pandemie zu verhindern, müssen die Rahmenbedingungen nach Ansicht des Gremiums schnell und deutlich besser werden.
Branchenvertreter:innen haben auch mit einer Protestaktion vor dem Bundestag auf Missstände im Pflegebereich aufmerksam gemacht. Unter dem Motto „Wenn, dann jetzt: #Pflegerebellion“ beteiligten sich rund 50 Pflegerinnen und Pfleger an einer Demonstration und einem anschließenden Sleep-In in der Nähe des Reichstagsgebäudes. Zu dem Protest aufgerufen hatte unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.
Extreme Bedingungen
Die Demonstrantinnen und Demonstranten wandten sich „gegen die unhaltbaren Zustände im Gesundheitsbereich“. Bei einem Sleep-In in mehreren Klinikbetten ruhten sich Pflegerinnen und Pfleger symbolisch für diejenigen aus, „die kaum Zeit haben zur Ruhe zu kommen“, wie es hieß. Schon viel zu lange arbeite das Pflegepersonal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen unter extremen Bedingungen. Ein Großteil davon seien Frauen.
Der katholische Sozialverband KAB mahnte, auch die Leistungen der pflegenden Angehörigen anzuerkennen. Rund 75 Prozent der Pflegebedürftigen würden daheim von Familienangehörigen und ambulanten Pflegediensten versorgt. Zudem arbeiteten osteuropäische Hilfen hier oft in einer Grauzone. Die Politik müsse rechtliche Rahmenbedingungen eröffnen, um Pflegehilfskräfte vor Dumpinglöhnen zu schützen. Der KAB-Vorsitzende Andreas Luttmer-Bensmann stellte für die Pflegenden klar: „Das Klatschen im letzten Jahr ist noch keine Solidarität.“
Im Ringen der Koalition um bessere Bezahlung in der Altenpflege hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch eine gesetzliche Verbesserung vor der Sommerpause in Aussicht gestellt. Er sei „sehr zuversichtlich“, dass es noch vor dem Sommer einen Kompromiss gebe, der tariflichen oder tarifähnlichen Lohn sicherstelle, sagte Spahn am Mittwoch in Berlin.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte zuvor der Rheinischen Post gesagt: „Wenn das Gesetz ist, werden die Löhne in der Pflege damit vielerorts deutlich verbessert.“ Die Koalition war sich bei dem Thema zuletzt öffentlich uneins: Die SPD forderte Spahn zum Handeln auf; Spahn entgegnete, eine bessere Bezahlung dürfe aber nicht auf Kosten der Pflegebedürftigen gehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee