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Intendant über Geldnot am Celler Theater„Wir brauchen Luft im Schlauchboot“

Die Belegschaft des Schlosstheaters Celle geht in Hannover auf die Straße. Das Haus kann die tarifbedingten Kostensteigerungen nicht mehr wuppen.

Die Situation ist nicht besser geworden: Schon 2021 demonstrierten Beschäftigte der Theater in Niedersachsen vor dem Landtag Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Interview von Robert Matthies

taz: Herr Döring, dem Schlosstheater Celle fehlen 250.000 Euro – im Jahr seines 350-jährigen Bestehens. Wie schwierig ist die Lage?

Andreas Döring: Dieses Jahr kommen wir durch, und das Publikum, darum geht es ja, wird diesen Verlust nicht so merken. Aber es bedeutet auch Verlust: Denn wir müssen im künstlerischen Bereich eine Produktion aus dem Spielplan herausnehmen und zwei Wiederaufnahmen im Kinder- und Jugendbereich. Wobei das nur die Folge der eigentlichen Sparmaßnahme ist, die wir vorgenommen haben, nämlich eine Reduktion im Gästebereich. Wir hatten Produktionen davor anders besetzt, haben nun zum Teil Rollen reduziert und mussten am Ende die Entscheidung gegen eine Produktion treffen, weil einfach nicht genug Schauspielende mehr da waren. Das ist die eine Konsequenz.

taz: Und die andere?

Döring: Dass wir auch im Sachbereich Einsparungen vornehmen müssen, damit wir aus der akuten Not heraus etwas über 50.000 Euro einsparen können.

Bild: Marie Liebig
Im Interview: Andreas Döring

56, ist seit 2014 Intendant des Schlosstheaters Celle. Zuvor war er Schauspieler und freier Regisseur. Ab 2004 Intendant des Jungen Theaters Göttingen.

taz: Das Problem sind also vor allem die Personalkosten?

Döring: Spareffekte hat man vor allem im Personalkostenbereich und weniger im Herstellungsbereich, den man mit seinem Team ja ohnehin abdeckt. Über 80 Prozent unserer gesamten Kosten sind Personalkosten. Und wenn die Tarifabschlüsse besonders hochgehen wie in den vergangenen beiden Jahren, dann können wir die Kosten nicht auf die Eintrittspreise umverteilen, wenn wir nur 20 Prozent Eigeneinnahmenanteil haben. Dafür werden wir ja auch subventioniert: dass wir Theater für alle anbieten können.

taz: Warum sind die Kosten so gestiegen?

Döring: Im Grunde sind Gagen frei verhandelbar, aber seit dem Mindestlohn wurde allen klar: Die Mindestgage war zu niedrig. Die Tarifpartner haben nun entschieden, die Gagen und vor allem die Mindestgage anzuheben. Dazu kommen inflationsbedingte Sachkostensteigerungen. Bis heute waren die Häuser in der Lage, die sogenannten Corona-bedingten Rückstellungen zur Kompensation dieser Mehrkosten zu nutzen. Die Zeit des Von-der-Hand-in-den-Mund-Lebens ist in Celle aber vorbei.

taz: Was fordern Sie von der Politik?

Döring: Wir fordern, dass die Hoheit des Parlaments ausgleicht, was die Regierung trotz ihres Versprechens im Koalitionsvertrag nicht geleistet hat: die anteilige Übernahme der tarifbedingten Kostensteigerungen. Wir müssen akut erst mal wieder für ein Jahr Luft ins Schlauchboot gepumpt bekommen. Wir fordern seit Jahren einen Fördervertrag, der solche Phänomene verhindert und uns Planungssicherheit gibt. Wir fordern letztlich, dass die Umsetzung der Tarifbeschlüsse politisch gewährleistet wird. Wir sind im Haushalt des Landes zwar eine freiwillige Maßnahme, in Anführungsstrichen – warum gibt es da keinen rechtsverbindlichen Automatismus? Das ist unser Problem. Die Leute kriegen jetzt den Lohn, den sie verdienen. Dafür muss ein Kollege irgendwann nach Hause gehen, und das Jugendtheater kann nicht mehr spielen.

Demonstration in Hannover

Demonstration für eine auskömmliche Finanzierung der Theater: Do, 7. 11., 12 Uhr, vor dem Niedersächsischen Landtag, Hannah-Arendt­-Platz 1, Hannover. Infos: schlosstheater-celle.de

taz: Sie demonstrieren deshalb gemeinsam mit anderen niedersächsischen Theatern vor dem Landtag in Hannover.

Döring: Die Politik soll verstehen, um was es in aller Konsequenz geht. Es geht nicht um Geld, sondern darum, was mit dem Geld gemacht wird.

Bringen Sie Ihr Publikum mit?

Döring: Wir sind glücklich, dass wir in Celle einen hohen Zuspruch haben. Zur Demonstration fahren Zuschauer mit und wir bitten sie auch, gegenüber der Politik tätig zu werden, also Resonanz zu verstärken. Wir fragen nach Ideen, mit Blick in die Zukunft. Was können wir alles tun? Wir müssen dieses Theater nach 350 Jahren auf allen möglichen Handlungsebenen für die Zukunft absichern.

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