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Integrationsgipfel für Ukrai­ne­r*in­nenEs sind zuerst Geflüchtete

Dinah Riese
Kommentar von Dinah Riese

Die Integrationsbemühungen sind sinnvoll. Aber es ist jetzt nicht die Aufgabe von Ukrainer*innen, den deutschen Fachkräftemangel zu beheben.

Facharbeitermangel: Die Ukrai­ne­r:in­nen sollen's richten Foto: Thomas Koehler/imago

D as war’s mit dem Fachkräftemangel. Problem gelöst. Mehr als 280.000 Menschen sind aus der Ukraine bislang nach Deutschland gekommen, und innerhalb nur weniger Tage nach Ausbruch der Kriegshandlungen listete die Webseite „Job Aid Ukraine“ mehrere Tausend Stellenangebote für Geflüchtete.

Es ist bizarr, wie erwartungsvoll manch ei­ne*r in Wirtschaft und Politik auf die Menschen schaut, die vor wenigen Tagen erst alles verloren haben. Deren Familien mitunter noch im Kriegsgebiet ausharren oder an der Front kämpfen. Diese Menschen brauchen gerade Unterstützung, weil sie vor einem Krieg geflohen sind, und nicht, weil sie der deutschen Wirtschaft nützen.

Wie es weitergeht, ist noch ungewiss. Viele hoffen darauf, bald nach Hause zurückkehren zu können. Sie jetzt schon als künftige Fachkräfte fest einzuplanen, ist also nicht nur aus Gründen der Moral, sondern auch ganz pragmatisch nicht sinnvoll. Trotzdem ist es richtig, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sich jetzt schon bei einem sogenannten Integrationsgipfel am Mittwoch mit Ver­tre­te­r*in­nen von Gewerkschaften und Arbeitgebern trifft, um über die Arbeitsmarktintegration dieser Menschen zu sprechen.

Es ist absehbar, dass viele für längere Zeit nicht in die Ukraine zurückkehren werden können. Für diese Menschen braucht es dann die ganze Bandbreite möglicher Unterstützungsangebote: Integrations- und Sprachkurse. Kinderbetreuung. Zügige Verfahren zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen.

Wie viele am Ende bleiben werden, kann noch niemand sagen. Das hängt auch davon ab, wie sich der Krieg in den kommenden Wochen entwickelt. Doch sich erst dann um diese Dinge zu kümmern, wenn sie dringend gebraucht werden, wäre zu spät. Denn alles das ist nicht von jetzt auf gleich aus dem Boden zu stampfen – das kennen Eltern, die in deutschen Großstädten händeringend nach Kitaplätzen suchen, zur Genüge.

Es ist nicht die Aufgabe ukrainischer Geflüchteter, den deutschen Fachkräftemangel zu beheben. Doch es ist die Aufgabe Deutschlands, ihnen hier einen guten Ort zum Ankommen zu bieten. Dafür braucht es Weitsicht.

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Dinah Riese
Ressortleiterin Inland
leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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10 Kommentare

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  • Der Fachktäftemanfel ließe sich in Kitas und Pflege beheben oder zumindest deutlich reduzieren: Deutliche Gehaltserhöhung, deutlich bessere Arbeitsbedingungen (mehr Personal etc.), deutlich höhere fachliche Anerkennung dieser Berufe. Menschen verlassen diese Arbeitsbereiche -neuerdings als Sorgearbeit verbrämt- zurecht, und es brodelt. Da kommen ukrainische Arbeitskräfte gerade recht, deren Ansprüche an all dem werden auf absehbare Zeit nicht so hoch sein.

    • @Kalk Post:

      Wenn der Fachkräftenangel in betroffenen Branchen zu höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen führen würde, wäre das natürlich sehr gut. Aber das Problem würde es nicht lösen. Die Leute sitzen ja überwiegend nicht bei Hartz 4 zu Hause, weil ihnen die Löhne zu niedrig sind, sondern arbeiten woanders, wo sie auch gebraucht werden und fehlen würden. Arbeitskräfte werden ja auch im Einzelhandel, in der Gastronomie, in der IT-Branche, in der Industrie, bei der Bahn und vielen mehr dringend gesucht, es reicht nicht, die mit höheren Gehältern hin und her zu verschieben.

  • Dieser Beitrag ist eine unsinnige Verdächtigung. Es dürfte nicht viele Menschen geben, die gleich wieder „dunkle Absichten“ hinter den erleichterten Zugangsregeln zu Arbeit wittern. (Im Gegenteil, der Umgang mit Arbeitsberechtigungen anderer Flüchtlinge ist eher der Skandal wie auch Abschiebungen aus einem „integrierten Leben“).



    Wie zu hören war, wünschen sich viele Flüchtlinge eine Ablenkung von ihrem Kummer und man hat auch die Gefahren der Ausnutzung in den Blick genommen, was hoffentlich auch verwirklicht wird.



    Falls es zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen kommt (von welcher Seite auch immer), wird es mit den Arbeitsstellen und dem sozialen Frieden noch schwierig genug, so dass eine Beseitigung vom Fachkräftemangel wohl kaum das Hauptaugenmerk sein wird.

  • Der Artikel konstruiert etwas was nicht nicht vorhanden ist. Die bisher Geflüchteten sind überwiegend Frauen, Alte und Kinder. Es mögen vereinzelt Fachkräfte darunter sein, für den Arbeitsmarkt sind diese aber eher ein Reservoir für prekäre Jobs. Die immer wieder genannten Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen sind nur Einzelfälle, Auch Plegepersonal und die Ärztinnen dürften nich sofort in den Arbeitsmarkt eintreten.

  • Ich denke, ein gewisser Prozentsatz wird auf jeden Fall bleiben, einfach weil es ihnen hier besser gefällt, sie hier einen höheren Lebensstandard haben, ein passenderen Job finden oder einen Partner oder neue Freunde, weil sie hier Möglichkeiten haben, die sie in der Nachkriegs-Ukraine nicht haben werden weil sie die Gesellschaft als freier empfinden oder warum auch immer. Das sollten wir auch unterstützen. Zuwanderung ist ein Mittel gegen Arbeitslosigkeit und es macht Sinn, auf die Leute zuzugreifen, die hier sind und gerne bleiben möchten.

    • @Ruediger:

      Und noch was: "Es sind zuerst Geflüchtete"? Für mich sind es zuerst Menschen. Menschen, die im Moment in Deutschland leben. Warum, wie lang das finde ich nicht so wichtig. Sie sind jetzt erstmal Teil unserer Gesellschaft.

  • Der sogenannte deutsche Fachkräftemangel ist selbst verschuldet.

    Was nötig ist, die Ukrainer hier willkommen zu heißen, ihnen Sicherheit zu geben und wer will und kann sollte hier eine faire Chance haben, einen Job zu bekommen.



    Dabei darf es nicht zu einem Brain-Drain kommen, aber das Risiko schätze ich eher gering ein.

    • @cuba libre:

      Osteuropa und übrigens auch Ostdeutschland wird jetzt seit Jahrzehnten von Deutschland um die gebildeten Eliten gebracht. In einigen Ländern wie Rumänien nimmt das inzwischen schon drastische Ausmaße an, wo mehr als 20% der Absolventen in Fächern wie Medizin sofort nach Abschluss das Land gen Deutschland verlassen. Diese Länder werden systematisch von uns ausgeblutet. Was der Abzug aller akademischen Eliten über mehrere Generationen anrichtet sehen wir ja schon bei uns im Osten. Das Risiko schätze ich gering ein. Wenn ich sowas schon lese.

      • @Šarru-kīnu:

        Sie werden nicht gerufen, sondern sie gehen wegen der prekären Arbeitsverhältnisse. Wenn jemand zu kritisieren ist, dann sind es Ausgebildeten, die das Land verlassen oder , wenn hier ausgebildet nicht mehr zurückkehren. Sie sind es die das Land ausbluten, die Nachbarn in Stich und im Elend zurücklassen. Ich möchte nicht den Aufschrei hier im Land hören wenn man die gut Ausgebildeten zurück in die Heimat schicken würde. Allerdings gebe ich zu, daß in Brandenburg Medizinern das Studium finanziert wird, wenn sie sich verpflichten für 5 Jahre auf Land zu gehen. Ob das auch für ausländische Ärzte gilt, darüber habe ich keine Kenntnis.

  • "Diese Menschen brauchen gerade Unterstützung, weil sie vor einem Krieg geflohen sind, und nicht, weil sie der deutschen Wirtschaft nützen."

    Genau so funktioniert Kapitalismus...