Insektensterben in Deutschland: Fledermäuse müssen hungern
Naturschützer warnen, dass das Insektensterben auch die Fledermäuse ausrotten könnte. Mit daran schuld: die Landwirtschaft.
Berlin taz | Die Fledermäuse erwachen momentan aus dem Winterschlaf. Nachts gehen sie auf die Jagd, um ihre leeren Reserven aufzutanken. Doch sie finden kaum noch Futter. „Seit einiger Zeit beobachten wir einen alarmierenden Rückgang von Insekten“, sagt Karl Kugelschafter, Fledermausexperte vom Naturschutzbund (Nabu).
Für die Fledermäuse geht es ums Überleben, denn sie ernähren sich fast ausschließlich von Insekten und müssen pro Tag ungefähr ein Drittel ihres Körpergewichtes an Nahrung zu sich nehmen. Hochgerechnet braucht ein einzelnes Tier also ungefähr ein Kilogramm Insekten in einem Sommer.
Der Insektenmangel ist schon länger bekannt: 2016 ermittelten der Entomologische Verein Krefeld und der Nabu in einer Langzeitstudie, dass sich in den letzten 15 Jahren die Gesamtbiomasse der Insekten um rund 80 Prozent reduziert hat. Ihnen machen die Pestizide und der chemische Dünger in der Landwirtschaft zu schaffen.
Auch die Fledermäuse werden schleichend vergiftet, wenn sie die pestizidverseuchten Insekten fressen. Zudem verlieren die Fledermäuse ihre angestammten Lebensräume, weil Monokulturen die Landwirtschaft dominieren. „Die Graue Langohrfledermaus jagt bevorzugt auf Streuobstwiesen. Diese Flächen werden hierzulande allerdings immer weniger, sodass es diese Fledermausart künftig schwer haben wird, Nahrung zu finden“, sagt der Zoologe Gerald Kerth von der Uni Greifswald.
Nicht nur Fledermäuse sind bedroht
Der Berliner Fledermausexperte Carsten Kallasch warnt, dass nicht nur die Fledermäuse sterben. Alle Insektenfresser leiden. Dazu gehören etwa Mauersegler, Schwalben, Maulwürfe, Spitzmäuse und Igel.
Um den Lebensraum der Fledermäuse wieder zu vergrößern, würde es schon helfen, wenn sich private Gartenbesitzer von ihren exotischen Zierpflanzen trennten. Kerth rät den Hobbygärtnern, möglichst heimische Pflanzen auswählen. „Dann finden die Insekten Nahrung, sodass die Fledermäuse ausreichend Beute machen können.“
Leser*innenkommentare
Age Krüger
Danke für den Artikel.
Ich habe mich gerade entschlossen, den Sommerflieder doch stehen zu lassen und werde mir Dienstag mal 'ne Ladung Kleesamen besorgen.
Es nervt zwar, wenn man nachts selbst im Wintergarten dauernd Nachtfalter an der Lampe hat, aber Fenster auf und gleichzeitig Licht an, kann ich eh nicht wegen der Hornissen. Und Rasenmähen macht sowieso wenig Spaß.
biggerB
„Only after the last tree has been cut down / Only after the last river has been poisoned / Only after the last fish has been caught / Then will you find that money cannot be eaten."
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Weissagung_der_Cree
MfG
biggerB
A. Müllermilch
Einnert an Maos "Ausrottung der vier Plagen" und an das Märchen "Der Bauer als Wettermacher".
Die Menschheit greift in unvorstellbarem Ausmaß in die Natur ein und kann die Auswirkungen nicht übersehen.
85198 (Profil gelöscht)
Gast
Hey Redaktion: Im Untertitel steht "Feldermäuse". Das ist sicher keine neue Art, sondern ein Buchstabendreher.
Oskar
taz-Autor
@85198 (Profil gelöscht) Danke für den Hinweis, korrigieren wir gleich.
Energiefuchs
Seht ihr, ist doch so rum: weniger Insekten, weniger Fledermäsue. Und nicht: weil die Fledermäuse alle Insekten fressen, gibt es keine mehr.
Maike123
Fledermäuse sind gefährliche Krankheitsüberträger, ähnlich anderer Schädlinge wie Ratten, Zecken, Tauben oder Moskitos.
Sie übertragen potenziell tödliche Viren, die Tollwut oder Mumps verursachen.
Wenn man mit allen Mitteln versucht, Ratten auszurotten, warum macht man nicht das gleiche mit den noch gefährlicheren Fledermäusen?
Hanne
Ich empfehle zum Einstieg ins Thema den Film "More than Honey":
http://www.morethanhoney.ch/
http://www.zeit.de/kultur/film/2012-10/more-than-honey-bienen-film-2
P.S.: Das mit den Ratten hat ja bisher keinen Erfolg gehabt.
Karo
80 % weniger Insekten innerhalb von 15 Jahren - das ist eine Katastrophe ! Warum schafft es so eine Meldung nicht auf die Titelblätter?
Man stelle sich vor - es gäbe plötzlich 80% Arbeitslosigkeit, die Börsenkurse fielen um 80% - heissa - da wäre der Teufel los... aber 80% Insektensterben...
das schert niemanden.
Life is Life
Ja, weil die allermeisten beim Thema Glyphosat nur darüber nachdenken, dass es bei Verbrauchern Krebs erzeugen könnte. Alle atmen auf, wenn dies nicht bewiesen werden kann und die EU, deren Landwirtschaftspolitik natürlich an den Interessen industriellen Erzeuger ausgerichtet ist, wird den Einsatz von Glyphosat weiter zulassen.
Selbstverständlich ist unser unsäglicher aktueller Landwirtschaftsminister vorn dabei.....
Drüber, dass der Einsatz von Glyphosat maßgeblichen Einfluss auf das Insektensterben hat, interessiert den doch nicht.....
85198 (Profil gelöscht)
Gast
@Karo Falsche Welt und die Grünen sind unternehmerfreundlich und setzen auf Bio-Siegel.
JoWall
Demnächst also Vollbeschäftigung bis zum Umfallen um alle Pflanzen per Hand zu bestäuben (kein Witz, passiert schon).
Sollten eigentlich mittlerweile die meisten mitbekommen haben. Aber ist eben wie mit dem Klimawandel. Abstrakt, anscheinend weit weg und bloß nichts ändern. Zukünftige Generationen werden sich bedanken.
Hanne
@JoWall Das menschliche Blütenbestäuben ist aber sehr aufwendig und dazu sehr ineffektiv (siehe auch in der Doku "More than Honey"). In Asien müssen bereits Obstbäume per Mensch bestäubt werden, weil ursprünglich Vögel ausgerottet worden sind und jetzt keine Bienen zum Bestäuben mehr da sind. Es ist eben ein Naturkreislauf. Wenn darin was "ausstirbt", folgt bald der/das nächste Glied in der Kette ...
Manni
exotische Zierpflanzen entfernen???
Auch meinen Bienenbaum, meine Sophora, die Wildbienen ernähren wenn deutsch verwurzelte Bäume nix mehr bieten. Das Fledermaussterben hat mit exotischen Pflanzen nichts zu tun. Das grenzt ja an Faschismus.
Mika
Die Fledermäuse sollen sich nicht so haben! Schließlich bleibt ihnen durch das rechtzeitige Verhungern der elende Tod durch Zerschreddertwerden an all den Windrad-Monstern erspart, mit denen Claudia Roth und ihre Kumpane die schönsten Monokulturlandschaften Deutschlands verschandelt haben!
Mitch Miller
Allerdings: Insektenmangel. Merkt jeder Motorradfahrer, weil das Visier seit Jahren immer sauberer bleibt. Und auf der Windschutzscheibe auch: sog. "Insektenschwämme" zum Scheibenreinigen sind mittlerweile überflüssig. Noch vor 10-20 Jahren klatschten Massen von Viechern auf die Scheibe, ein Geschmiere war das. Jetzt: nahezu nichts mehr - und wir wohnen auf dem Land! Vermutlich gibt's in den Städten jetzt mehr Insekten...der Honig ist zumindest schon mal besser, weil weniger pestizidbelastet!
Schmetterlinge gab's vor 30-40 Jahren en masse - jeder Flieder war gut besucht. Heute: Freude, wenn mal ein Zitronenfalter vorbeikommt. Sogar Pfauenaugen sind schon sehr selten, ein Admiral eine Sensation.
Die einzigen, die das scheinbar nicht betrifft sind die Stechmücken.
Das ist eine sehr stille Katastrophe, und wir haben sie der Agrarindustrie zu verdanken, die immer mehr oder stärkere Chemie verwendet, weil das Zeug wirklungslos wird.
32795 (Profil gelöscht)
Gast
Ich kann Ihnen sagen es liegt nicht nur an den Pestiziden. Dort wo die Wiesen alle paar Wochen (für Biogasanlagen) gemäht werden sieht es nicht anders aus. Auf dem Golfrasen findet man nur noch ein paar Ameisen.
Aber darüber spricht man nicht, Biogas ist ja "Bio"...
Hanne
@32795 (Profil gelöscht) Biogas ist in keinsterweise "bio" im Sinn von "öko"/ökologisch angebaut, sondern bedarf zum Betrieb höchst intensiver Landwirtschaft. Das "Bio" im Namen steht hier - wie damals schon beim "Biodiesel" aus Raps - für die Herstellung aus regenerativen Quellen.