Inlandsflüge im deutschen Fußball: Liga der Flieger
In der Fußball-Bundesliga sind Kurzstreckenflüge trotz Klimakrise üblich. Sogar von Frankfurt nach Freiburg reist man mit dem Flugzeug.
„Bequemer geht’s nicht“, so bewirbt ein internationales Zugportal im Internet die schnellen Verbindungen zwischen Frankfurt am Main und Freiburg. Für den Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt gibt es offenkundig attraktivere Alternativen. Als Trainer Oliver Glasner nach der Partie beim SC Freiburg zum Ausfall des Stammtorhüters Kevin Trapp befragt wurde, erzählte er: „Er hat gestern Abend schon etwas gespürt, (…), dann haben wir gesagt, er fährt oder fliegt mit uns – wir sind ja heute erst angereist, er fliegt mit uns heute runter.“
Die beiden Städte sind via Luftlinie 243 Kilometer voneinander entfernt, für die Zuglinie braucht der ICE 2 Stunden und 10 Minuten. Warum nutzt der Klub, der vor knapp zwei Jahren stolz verkündete, bei einer Studie in der Bundesliga-Nachhaltigkeits-Tabelle auf dem fünften Platz gelandet zu sein, dennoch für diesen Kurztrip das Flugzeug?
Nachgefragt hat damals in Freiburg niemand. Jan Stasheim, bei der Eintracht Leiter Medien und Kommunikation, zeigt sich Wochen später erst einmal ratlos. Grundsätzlich steuere man in der Saison 9 von 17 Bundesligastandorten mit Bus und Bahn an – auch Freiburg. Er schreibt: „Gegebenenfalls hat es sich hier um einen Versprecher gehandelt“. Er werde den Trainer dazu befragen.
Drei Tage später, nach wiederholter Nachfrage der taz antwortet Stasheim: „Aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Abendspiel unter der Woche gehandelt hatte, ist die Mannschaft tatsächlich nach Freiburg geflogen. Dies ist allerdings als absolute Ausnahme zu verstehen.“ Und er erklärt: „Leider verzerrt dieser Fall das Bild etwas, denn in der Regel reisen wir bewusst.“ Vor dem Hintergrund der Klimakrise, hatte er zuvor geschrieben, sehe der Verein grundsätzlich die zwingende Notwendigkeit zu ökologischem Handeln.
Sicherheitsbedenken bei der Auskunft
Vor zweieinhalb Jahren geriet bereits das DFB-Nationalteam, das so gern gesellschaftliches Vorbild sein will, in Turbulenzen der öffentlichen Diskussion. Um zu langes Sitzen zu vermeiden, flog man damals „aus Verantwortung gegenüber den Vereinen“ (Zitat Oliver Bierhoff) von Stuttgart nach Basel.
Von ökologischer Verantwortung wird im Profifußball aber ebenfalls viel gesprochen. Die Deutsche Fußball Liga verpflichtet die Vereine neuerdings, eine Nachhaltigkeits- und Umweltstrategie vorzulegen. Ab der Saison 2023/24 werden Mindestkriterien für das Lizenzierungsverfahren überprüft.
Es wird dabei auch darum gehen, eigenes Handeln transparent zu machen. Noch tun sich damit einige Vereine schwer. Auf eine Anfrage der taz an die 18 Bundesligisten, wie häufig die Vereine vergangene Saison das Flugzeug für die Auswärtsreisen genutzt haben und welches die kürzeste Flugreise war, meldet sich immerhin das Gros der Liga. Lediglich fünf Vereine, darunter Bayern München und Borussia Dortmund, antworten überhaupt nicht.
Der VfL Bochum und Bayer Leverkusen verweigern aus Sicherheitsgründen genauere Auskünfte. „Der Schutz unserer Werkself und sämtlicher Begleiter auf Reisen im In- und Ausland ist ein sensibles Thema“, schreibt Bayer Leverkusen und bittet um Verständnis. Der Verein sei aber entschlossen, sich „in diesem für uns alle wichtigen Zukunftsthema weiterzuentwickeln“. Die Bochumer erklären zumindest, Flüge seien bei ihnen die Ausnahme. In erster Linie sportliche Erfordernisse, so stellt Union Berlin klar, seien für die Reiseart entscheidend. Zu „betrieblichen Abläufen“ gebe man im Detail keine Auskünfte.
Flugbewegungen auf der Homepage
Lediglich pauschale Bekenntnisse zu nachhaltigem Handeln ohne die gewünschten konkreten Informationen erhält man vom SC Freiburg, Borussia Mönchengladbach und dem FC Augsburg. Im Gegensatz dazu bieten andere Vereine wiederum sehr genaue Zahlen an.
Der VfB Stuttgart hat die Anzahl seiner neun Inlandsflüge vergangene Saison sogar auf seiner Homepage aufgeführt. Im Rahmen einer großen Treibhausgasbilanz, die etliche Faktoren wie Fanbewegungen, Müllproduktion, Energieverbrauch enthält. Beim FSV Mainz 05 verweist man darauf, seit diesem Jahr der erste klimaneutrale Verein der Liga zu sein. Bei der Inlandsflugfrage gelten hier als grobe Richtlinien, dass Flugreisen erst ab 400 Kilometer Entfernung in Erwägung gezogen werden. So habe es in der Saison 2021/22 sechs Flugreisen gegeben.
Auf acht Flugreisen kommt die ebenfalls sehr transparente TSG Hoffenheim. Die Debatte um Kurzstreckenflüge, heißt es dort, sei „unbedingt richtig“. Die Vereine, die sich aufgeschlossen und auskunftsfreudig zeigen und die Bedeutung von Nachhaltigkeitsprojekten betonen, unterscheiden sich deshalb im Flugverhalten aber nicht unbedingt von anderen Teams. Die Hoffenheimer flogen vergangene Saison beispielsweise in das 314 Kilometer entfernte München. Und die Stuttgarter nach Köln, obwohl eine schnelle Zugverbindung (2 Stunden und 14 Minuten) besteht.
Ein Vergleich, welche Vereine weniger Flüge bucht, wäre eh schief. Hertha BSC und RB Leipzig weisen zu Recht darauf hin, dass man aufgrund des Standortes häufiger weitere Auswärtsreisen unternehmen muss als andere Vereine. Im Schnitt, legt Hertha offen, sei man pro Saison 11 bis 13 Mal mit dem Flugzeug unterwegs.
Auch ein wenig Flugscham
Die Nutzung von Inlandsflügen ist eine Selbstverständlichkeit in der Bundesliga. Häufig machen die Vereine in ihren Antworten auf den Konflikt zwischen den Anforderungen des Profisports und dem Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Umwelt aufmerksam. Flugscham, darauf deutet die mitunter spärliche Auskunftsfreude hin, gibt es in der Liga durchaus.
Diejenigen Klubs, die mit Transparenz in die Offensive gehen, verweisen gern auf ihre Konzepte zur Verringerung ihres gesamten CO2-Fußabdrucks. Es ist der Versuch, schlechtere Werte in einer Disziplin durch gute Taten in anderen zu kompensieren.
Auf die Frage der taz, ob der jeweilige Verein in Zeiten der Klimakrise das Flugzeug heute seltener nutzt als früher, hat übrigens nur Werder Bremen offen geantwortet: Man versuche zwar Synergien zu nutzen, mit St. Pauli sei man gemeinsam ins Wintertrainingslager geflogen, die Anzahl der Flüge bewege sich aber noch auf gleichbleibendem Niveau.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure