Initiativen-Sprecher über Tempelhof-Sieg: „Das sind keine Partikularinteressen“
Die Initiative „100 % Tempelhofer Feld“ sieht ihren Erfolg als Richtungsentscheidung – und will überlegen, inwieweit sie die Entwicklung noch weiter begleitet.
taz: Herr Schneidewind, der Gesetzentwurf der Initiative hat es geschafft. Was haben Sie besser gemacht als der Senat?
Michael Schneidewind: Ich glaube, der größte Unterschied liegt darin, dass die Bürger unserer Initiative mehr Glaubwürdigkeit zusprechen als dem Senat. Die Senatsverwaltung hat keine gelebte Fehlerkultur, sie lernt nicht aus Fehlern und gibt den Bürgern nicht genügend Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Wir waren da einfach authentischer, glaubwürdiger, und wir hatten die bessere Idee, das hat das Ergebnis heute ganz klar gezeigt. Die Menschen wollen ein freies Feld, und sie haben dem Senat seine Argumentation nicht abgenommen.
Wie geht es jetzt weiter, was sind die nächsten Schritte?
Jetzt wird gefeiert, dann räumen wir das Büro auf. Dann werden wir überlegen, inwieweit wir diese Sache noch begleiten. Es wurden ja auch schon Missinterpretationen des Entwurfs publik, da könnten wir schon noch ein bisschen Gouvernante spielen. Schließlich haben heute Hunderttausende Berliner ihr Vertrauen ausgesprochen, dass dieser Entwurf auch so umgesetzt wird, da sehen wir uns schon in der Pflicht, zu überwachen, dass das auch vernünftig passiert. Aber darüber wird es jetzt erst mal eine Diskussion auf der Mitgliederversammlung geben.
Im Vorfeld wurde der Entscheid von beiden Seiten als eine Abstimmung über die Zukunft Berlins präsentiert. Was bedeutet dieses Ergebnis für Berlin über das Feld hinaus?
Das ist eine Richtungsentscheidung in Sachen Stadtentwicklung in Berlin. Die Wähler haben gezeigt, was sie wollen: Mehr Bürgerorientierung, mehr Beteiligung an Entscheidungen, ein Umdenken in der Wohnungspolitik weg vom Schwerpunkt Neubau hin zur Bestandspolitik und gerade bei Großprojekten mehr Transparenz, was die Kosten angeht. Da hängt ja nur ganz selten ein Preiszettel dran, und das muss sich dringend ändern.
Wie stark hat die Initiative bei der Abstimmung in Sachen Wahlbeteiligung von der Europawahl profitiert?
Da müssen wir die Analysen abwarten. Ich denke schon, wir hätten das auch an einem anderen Tag schaffen können. Mich interessiert vor allem, ob bei den Wählern jetzt eher eine Personalfrage entscheidend war, gerade in Sachen Wowereit, oder ob es wirklich um die Sache ging, was ich begrüßen würde. Da bin ich gespannt auf das, was wir darüber in den nächsten Tagen erfahren.
61, ist Vorsitzender der Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“ und arbeitet beim BUND in Berlin.
Werden Nacheiferer Ihrer Initiative jetzt überall in Berlin versuchen, Neubau vor ihrer Haustür zu verhindern?
Ich würde begrüßen, wenn mehr Menschen von den Elementen direkter Demokratie Gebrauch machen. Das dann immer nur als Partikularinteressen abzutun, so im Sinne von „Nicht vor meiner Haustür“, halte ich für Blödsinn. Auch Wohnungsbaugesellschaften oder Senatsverwaltungen können Partikularinteressen verfolgen, und es ist gut, wenn sich die Bürger dagegen wehren. Direkte Demokratie ist dann ein Interessenausgleich und ein Volksentscheid ein gutes Instrument, das gerne oft genutzt werden soll.
Leser*innenkommentare
Dr. rer. nat. Harald Wenk
der staat soll den "volonte general" verteten: das optium, des volkswohls unter komkrten bedingungen, nachaltig und mit möglichst wenig schaden.
aus msathematik, physik und technik weiss man, das selbst unte völlig ausreichende datenmenge es oft recht mühsaM IST, DIESE OPTI,I, HERAUSZUBEKOMMEN., BESONMDSERS DIE ABSCÄTZUNGEN FÜR ZUKÜMFTOGE TERME IST RECHT SCHWIRERIG.
daist de "volonte de tous" ofgt eine nurt grobe näherung an den volonte generalll. weshalb volkxysabtimmungen noicht unbvedingt zuverlässig sind, da sich auch noch untte fewhlinfprmatinnspoltik der regirerung ujd medien leideen
da siehr ma, welchj unghezureschsaden sangerichte ewird, wen stat desa volonte genberal
von der regierung etzeas nutrtde arbeuitgebersweite dienendes durchgeziogen wird mizt volleer montur,, um sich geghen einen volone de tousa durchsetzen zu können, was wegen de erwähnten diffrenz "zugelassen" ist.
das ist behemoth, sogar bei nietzsche ohne namensnennung, und leviathan in der staatstheorie.
eine fsachzeitschrift heisst extra leviathan.
vjr
Jetzt sollte man den Weg beginnen zu einer echt partizipativen Stadtentwicklung in Berlin. Und, keine Angst – echte Partizipation ist echt konstruktiv.
Im Moment sind wir diesbezüglich noch eine eher kleine Gruppe, doch so beginnen der meisten Dinge:-)
vjr
Michael Schneidewind fasst das zusammen, was meine Berliner Freunde so mein(t)en – schwache Argumente der Verwaltung, klare der Initianten*)
Und noch etwas: Wie stark hat die Europawahl in Berlin von der Initiative in Sachen Wahlbeteiligung profitiert?
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*) CH-Deutsch für "Initiatoren":-)
miri
An Großprojekten, sagt er, "hängt ja nur ganz selten ein Preiszettel dran". Doch, da hängt meistens einer dran! Am BER hing anfangs einer, an der Elbphilharmonie auch, an jeder verdammten Autobahnbrücke hängt ein süßes kleines Preisschildchen...
genova
Aus Gesprächen und in blogs habe ich festgestellt, dass wohl viele Berliner aus taktischen Gründen für die 100-Prozent-Initiative gestimmt haben: Sie misstrauen dem Senat und wollen lieber keine Wohnungen, als Luxusbebauung. Der Senatsvorschlag enthielt beispielsweise den Passus, man wolle "behutsam" Neues bauen. Wie man über ein solch subjektives Wörtchen abstimmen soll, ist schleierhaft. Aber sie hätten nichts gegen eine Bebauung mit bezahlbaren Wohnungen. Insofern sollte Schneidewind das Ergebnis nicht überinterpretieren.
Ansonsten halte ich diese Initiative für reaktionär und rechts: Man sitzt in seiner Altbauwohnung und will nicht, dass sich irgendwas ändert. Man will überhaupt keinen Neubau mehr, sondern Politik im "Bestand". Was soll das heißen? Gibt es Millionen leerstehender Altbauwohnungen? Es ist ein Zeichen für unsere regressive Zeit, dass in Bezug auf Tempelhof nichts Fortschrittliches diskutiert wurde, sondern das Engagement nur der Abwehr von Neuem und Fremdem dient.
Die Bürgerinitiative hat was von der Kreuzberger Version von Wutbürgern: Im eigenen Saft schmorend und sich abschottend. Vermutlich die typischen Grün-Wähler von heute.
Mehr dazu:
http://exportabel.wordpress.com/2014/05/22/flughafen-tempelhof-ein-deutsches-dilemma/
Gabriel Renoir
@genova Kein Wohnungsneubau führt zu höheren Mieten. Wahrscheinlich war das Ganze eine Initiative der Vermieter.
genova
Gabriel,
gut möglich :-) Könnte aber auch sein, dass Schneidewind und Co. einfach ein Produkt neoliberaler Verwirrung sind. Man spürt Unwohlsein angesichts realkapitalistischer Verhältnisse, doch es fehlen die Begriffe, um das adäquat zu beschreiben. Deshalb sagt man lieber trotzig wie ein kleines Kind, dass sich auf keinen Fall irgendwas ändern darf. Denn erfahrungsgemäß wird es dann schlimmer.
Das ist ja richtig, aber es ist ein regressiver und damit rechter Ansatz. Es ist ein bisschen wie die Tea Party.
Xburger, gern geschehen :-)
XBurger
@genova Genau. Danke.