Infrastrukturinitiative der G7: Konkurrenz für die Seidenstraße
Die G7-Staaten wollen China etwas entgegensetzen. Deswegen haben sie eine globalen Infrastrukturinitiative beschlossen. Doch Deutschland bremst.
Auf Betreiben der USA wollen die Staats- und Regierungschefs der G7-Länder USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien mit einem mehrere Hundert Milliarden Dollar umfassenden Infrastrukturprogramm der Volksrepublik China Konkurrenz machen. US-Berechnungen zufolge wird in weiten Teilen der Welt Infrastruktur im Wert von 40 Billionen US-Dollar benötigt. Die Initiative „Build Back Better World“ (eine bessere Welt wiederaufbauen) soll nach US-Angaben Hunderte Milliarden Dollar an öffentlichen und privaten Geldern für Investitionen in Entwicklungsländer aufbringen.
Die Umsetzung solle „auf transparente und nachhaltige Weise – finanziell, umweltfreundlich und sozial – erfolgen“, versprach die US-Regierung. Vor allem Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen von dem Programm profitieren. Die G7 einigten sich darauf, das Vorhaben in ihrer Abschlusserklärung des Gipfels zu verankern.
Seit 2013 ist China dabei, mit dem Projekt Neue Seidenstraße Handelswege nach Europa, Südostasien, Afrika und Lateinamerika zu erschließen. Was im Westen bis vor Kurzem noch belächelt wurde, ist in weiten Teilen mittlerweile bereits Realität. Mehr als 100 Länder haben Kooperationsverträge mit der Volksrepublik für den Bau etwa von Bahnlinien, Straßen und Häfen unterzeichnet. Rund eine Billion Dollar hatte die Führung in Peking bis 2025 für dieses umfassende Programm angekündigt. Fast 730 Milliarden Dollar hat sie bis 2019 bereits investiert oder fest eingeplant, vermutet der Handelsökonom Alexander Sandkamp vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel. „Fakt ist, dass schon sehr viel Geld in die Hand genommen wurde und auch weiterhin wird.“
Anti-China-Programm
Nun also das Gegenprogramm der G7. „Es geht nicht darum, dass die Länder zwischen uns und China wählen müssen“, sagte ein führender Beamte der US-Regierung. Vielmehr solle „eine positive, alternative Vision“ geboten werden, für die sich Länder entscheiden könnten. Kritiker der Neuen Seidenstraße warnen schon seit geraumer Zeit vor der Gefahr, dass arme Länder sich finanziell und politisch abhängig und damit auch erpressbar von der autoritären chinesischen Führung machen. Oft kommen auch nur chinesische Unternehmen zum Zuge. Die USA werfen Peking einen „Mangel an Transparenz, schlechte Umwelt- und Arbeitsstandards“ und ein Vorgehen vor, das viele Länder am Ende schlechter dastehen lasse.
Chinas Führung reagierte auf den Vorstoß im britischen Cornwall verärgert und stellte den Stellenwert der G7 generell infrage. „Die Zeiten in denen weltweite Entscheidungen von einer kleinen Gruppe von Ländern getroffen wurden, sind lange vorbei“, sagte ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London. Alle Staaten, egal ob groß oder klein, stark oder schwach, arm oder reich, seien gleich. Welche Konsequenzen der neue Anti-China-Kurs der G7 hat, ließ Peking zunächst offen.
Die G7-Regierungen waren sich in der Haltung zu China denn auch keineswegs einig. Bis kurz vor dem Abschluss des Gipfels am Sonntag feilten die Beteiligten an der Formulierung. Vor allem die Bundesregierung wollte einen allzu konfrontativen Kurs verhindern. China ist inzwischen Deutschlands größter Handelspartner. Insbesondere für die deutsche Autobranche ist die Volksrepublik der wichtigste Absatzmarkt.
Und auch bei der Neuen Seidenstraße hat die Bundesregierung ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits ist ihr schon bewusst, dass Peking außenpolitisch zunehmend aggressiv agiert und sich mit zweifelhaften Methoden versucht Rohstoffvorkommen und Einfluss zu sichern. Andererseits ist Duisburg eine der Endstationen der Seidenstraßen-Verbindungen, die gesamte Region inzwischen ein beliebter Investitionsstandort für finanzkräftige Unternehmen aus China. Diese Investitionen will die Bundesregierung nicht gefährden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchte die Bedeutung der gegen China gerichteten G7-Initiative herunterzuspielen. Es werde zunächst nur eine Arbeitsgruppe geben, die erste Projekte benennen solle, betonte Merkel am Rande des Gipfels. „Aber so weit, dass wir jetzt Finanzmittel spezifiziert hätten, so weit sind wir noch nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Linke gegen AfD und BSW
Showdown in Lichtenberg
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten