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Inflationsrate sinkt schlagartigNoch keine Entwarnung

Die Rate sinkt auf 4,5 Prozent, den niedrigsten Stand seit Beginn des Krieges. Lebensmittel kosten aber immer noch 7,5 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Die Inflationsrate sinkt, die Preise für Nahrungsmittel steigen weiterhin stark Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Berlin rtr | Die Inflationsrate in Deutschland ist im September gefallen. Die Verbraucherpreise legten nur noch um durchschnittlich 4,5 Prozent zum Vorjahresmonat zu nach 6,1 Prozent im August, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit Februar 2022, als der russische Überfall begann. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 4,6 Prozent gerechnet. Von August auf September zogen die Preise allerdings an, und zwar um 0,3 Prozent.

„Von dem schlagartigen Rückgang der Teuerung geht eine wichtige Signalwirkung für den Erfolg der Inflationsbekämpfung aus“, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Das könne dazu beitragen, den Preisauftrieb in den kommenden Monaten kontinuierlich abzuschwächen, wenn Verbraucher und Unternehmen unter dem Eindruck der positiven Nachrichten ihre Inflationserwartungen nach unten korrigierten.

„Trotzdem ist es für eine Entwarnung viel zu früh“, gab Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zu bedenken. „Denn die schneller steigenden Löhne werden die Inflation bei den arbeitsintensiven Dienstleistungen anfachen.“ Hinzu kämen noch De-Globalisierung, De-Karbonisierung und eine ungünstige Demografie. Für den Durchschnitt der kommenden Jahre sei daher mit Teuerungsraten deutlich über dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent zu rechnen.

Grund für den deutlichen Rückgang der Inflationsrate im zu Ende gehenden Monat ist ein sogenannter statistischer Basiseffekt: Die Bundesregierung hatte von Juni bis August 2022 den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket eingeführt, um die Verbraucher zu entlasten. Dieses gesenkte Niveau fällt nun aus dem Vorjahresvergleich heraus, was den kräftigen Rückgang der Teuerungsrate erklärt. „Die verzerrenden Effekte des 2022er-Entlastungspaketes sind damit aus den Zahlen verschwunden“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch.

Laut Bundesbank sinkt Teuerung weiter

Größter Preistreiber blieben Nahrungsmittel, die 7,5 Prozent mehr kosteten als im September 2022 (August: +9,0). Energie verteuerte sich nach dem Wegfall des Tankrabattes nur noch um 1,0 (August: +8,3) Prozent. Dienstleistungen kosteten 4,0 (August: 5,1) Prozent mehr – dazu trug der Wegfall des 9-Euro-Tickets bei. Auch die sogenannte Kerninflationsrate, bei der die stark schwankenden Nahrungsmittel- und Energiepreise außen vor bleiben, gab nach: von 5,5 auf 4,6 Prozent.

Der Bundesbank zufolge dürfte die Teuerung „im Jahresverlauf weiter abnehmen“. Die deutlichen Rückgänge auf den vorgelagerten Stufen – etwa Import-, Erzeuger- und Großhandelspreise – dürften nach und nach an die Verbraucher weitergereicht werden.

„Dennoch dürfte die Inflationsrate vor dem Hintergrund eines robusten Lohnwachstums auch mittelfristig deutlich oberhalb von zwei Prozent liegen“, erwartet die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht. Die führenden Institute gehen in ihrer Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung davon aus, dass die Teuerungsrate im kommenden Jahr auf 2,6 Prozent fallen wird, von durchschnittlich 6,1 Prozent im zu Ende gehenden Jahr. 2025 soll sie dann bei 1,9 Prozent liegen.

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5 Kommentare

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  • Unser größter Bauer hat dieses Jahr rund 1/3 seiner Erdbeeren, Himbeeren und Spargel nicht geerntet. Grund: Die Kunden seines Hofladens haben auf Grund der höheren Preise weniger gekauft als in den Vorjahren, auch auf den Selbstpflück-Feldern.



    Doch konnte er wegen der höheren Löhne und Betriebskosten nicht mehr zu den Vorjahrespreisen anbieten. Viele sind zur billigeren Importware der Discounter abgewandert. Konsequenz: Er hat sein Personal reduziert. Wer will ihm das wirklich verübeln.

  • Wie hoch wäre die Inflationsrate wenn wir in Deutschland eine funktionierende Marktwirtschaft hätten- reguliert durch ein Kartellamt, welches Marktmacht in den Sektoren Spritpreise, Nahrungsmittel, Wohnraum wirksam zu bekämpfen in der Lage wäre?

  • Mittlerweile ist ja rausgekommen, dass sich die offizielle I-Rate von der realen I-Rate bei den unteren Einkommen deutlich unterscheidet. Unten ist sie natürlich höher.



    Ursache ist, dass im "fiktiven Warenkorb" natürlich mehr Luxusartikel enthalten sind, bei denen die Preise lange nicht so deutlich angestiegen sind wie bei den Gütern des täglichen Bedarfs.

  • U.a. auch Griechisches Öl teuerer



    Weil die Griechen die Olivenbäume nur zu zwei Dritteln abernten oder was soll der Unsinn?

    Hauptsache die Reichen machen weiter ihren Reibach, bis das Gros der Bevölkerung die Faxen dicke hat…

    • @ROTEGRÄTE:

      Ihre AgD wird nichts besser machen, besonders nicht für das Gros.