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Inflation im EuroraumAlles teurer als erwartet

Die Verbraucherpreise im Euroraum sind gestiegen, genauso wie die Energiekosten. Analysten haben mit weniger Inflation gerechnet.

Auch Karotten sind teurer geworden Foto: Demy Becker/dpa

Luxemburg/Frankfurt/Berlin dpa/rtr | Die Inflationsrate im Euroraum ist zu Jahresbeginn auf einen neuen Höchststand gestiegen. Die Verbraucherpreise lagen im Januar um 5,1 Prozent über dem Niveau vom Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch in Luxemburg nach einer ersten Schätzung mitteilte. Dies ist der höchste Wert seit Einführung des Euro 1999. Im Dezember hatte die Rate bei 5,0 Prozent gelegen. Volkswirte hatten für den Jahresbeginn hingegen im Schnitt einen merklichen Rückgang auf 4,4 Prozent erwartet.

Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Verbraucherpreise um 0,3 Prozent. Hier war ein Rückgang um 0,4 Prozent prognostiziert worden.

In Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euroraum, war dagegen die Inflation zu Jahresbeginn leicht gesunken. Die Preise für Waren und Dienstleistungen lagen im Januar noch 4,9 Prozent über dem Niveau vor Jahresfrist. Im Dezember hatte die ebenfalls von teurer Energie angetriebene Teuerungsrate noch bei 5,3 Prozent gelegen, was das das höchste Niveau seit 1992 war.

Getrieben wurde die Teuerung einmal mehr durch einen extrem starken Anstieg der Preise für Energie, die sich zum Vorjahresmonat um 28,6 Prozent verteuerte. Lebens- und Genussmittel waren 3,6 Prozent teurer als vor einem Jahr.

Ohne Energie, Lebens- und Genussmittel stieg das Preisniveau im Januar um 2,3 Prozent. In dieser Abgrenzung war der Preisauftrieb rückläufig, im Dezember hatte die sogenannte Kernrate noch 2,6 Prozent betragen. Allerdings war der Anstieg zu Jahresbeginn stärker als von Analysten erwartet. Die Kerninflation wird von vielen Ökonomen als verlässliches Maß für den Inflationstrend angesehen.

Volkswirte fordern Handeln der EZB

Das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent wird aktuell noch deutlicher als bisher überschritten. Eine Zinserhöhung ist aber noch nicht in Sicht. Die EZB sieht die Inflation vor allem durch Sonderfaktoren getrieben und rechnet im Verlauf des Jahres mit einem Rückgang der Inflationsrate.

Für die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die am Donnerstag auf ihrer Zinssitzung wieder den geldpolitischen Kurs abstecken, dürfte dies eine negative Überraschung sein. Denn nach dem vom EZB-Stab entworfenen Szenario sollte sich die Inflation 2022 stabilisieren und es schrittweise zu einem Rückgang der Teuerungsrate kommen.

Volkswirten zufolge nimmt mit dem neuen Rekordhoch der Druck auf die EZB zu. „Die unerwartet hohe Teuerungsrate ist ein Nackenschlag für die EZB,“ meinte etwa Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die Notenbank solle die massiv gestiegenen Inflationsrisiken endlich anerkennen und geldpolitisch den Fuß vom Gas nehmen. Helaba-Volkswirt Ralf Umlauf wendet den Blick auf die anstehende Sitzung der EZB: „Spannend ist, ob die EZB-Präsidentin morgen auf der Pressekonferenz erneut betont, dass Zinserhöhungen in diesem Jahr sehr unwahrscheinlich seien.“ An den Finanzmärkten wird hingegen auf eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr spekuliert.

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8 Kommentare

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  • Das Problem ist doch, dass 'wir'selbst in der EU abhängig werden von Importen. Wohin das führt, konnte man immer beim Weichwerden von Währungen erleben, etwa in Südeuropa gegenüber einer damals starken DM oder den jeweiligen Peseten der einstmals 'reichen' Länder Chile oder Argentinien, in der Türkei läuft das gerade extrem trotz der umfangreichen wirtschaftlichen Beziehungen in Richtung Nachbarstaaten und Afrika. Das Einzige, was $ und € noch einigermassen am Leben hält ist die Tatsache, dass Vermögende gerne einen starken Staat hätten, der ihren Reichtum an Patenten und Immobilien -zur Not mit Polizei oder sogar militärisch- absichern kann, das nennt man dann 'Demokratie' ! Da sind EZB und Fed aber ziemlich hilflos, wenn die exportierenden Länder uns gegenüber die Muskeln spielen lassen !

  • Es gibt eine Menge "Analysten", die damit gerechnet hatten, liebe TAZ-Redaktion.



    Und mich hat's nicht überrascht.

  • Wenn die EZB wenigstens mal einen halben Prozentpunkt hochgehen würde, damit das Thema der Negativzinsen obsolet würde, könnte sie wenigstens etwas Druck aus dem Kessel nehmen.

  • Für die Markt-Fetischisten müsste klar sein: Bevor grüner Strom dazu führen könnte, Gas- und Ölleitungen überflüssig zu machen, wären die Betreiber dieser Energiequellen doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie nicht alles dafür tun, die noch werthaltigen Rohstoffe so teuer wie möglich abzugeben. Und wenn sie dann noch das Tausendste Hochaus in die Wüste stellen, auch wenn absehbar ist, dass es in absehbarer Zeit keine touristischen Truppentransporter geben dürfte.

  • Man darf gespannt sein, wann die Politik endlich reagiert und jenen, die ohnehin zu wenig zum Leben haben, mehr Hilfe zukommen lässt. Im November bekamen HartzIV-Empfänger ganze 3 (drei!) Euro mehr pro Monat. Ein Witz angesichts der Preissteigerungen. Solche Erhöhungen von HartzIV kommen immer mit großer Verzögerung und zu niedrigen Beträgen. Aber HartzIV-Empfänger haben ja auch keinen Lobbyistenausweis, mit dem sie in den Ministerien ein- und ausgehen können, wie sie lustig sind, um Politiker in ihren Büros zum Gespräch zu bitten.

    • @hsch:

      Hartz IV soll Angst machen. Daher wird sich an den Sätzen nichts ändern. Ich wünschte, es gäbe eine Partei der Hartz-IV-Empfänger. Sonst wird es nie ein auskömmliches Grundeinkommen oder eine vergleichbare Maßnahme geben.

    • @hsch:

      Es besteht keinerlei Anlass bezüglich der systematisch betriebenen Verarmung der Majorität der Bevölkerung noch: „gespannt“ zu „sein“ ― auch die aktuelle Regierung war nicht willens, das seit Jahren existente Thema angemessen zu erhöhender (Hartz-IV-) Regelsätze oder geschweige denn das Thema: bedingungsloses Grundeinkommen in ihren Koalitionsvertrag aufzunehmen.

      Und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank schwurbelt bezüglich der seit Monaten grassierenden Inflation in der Öffentlichkeit mit antizipierbar haltlosen Beschwichtigungen und sieht keinerlei Anlass, gegen die Inflation geeignete Maßnahmen zu ergreifen, noch das Ausrauben eines jeden Kleinsparers durch eine seit Jahren währende Null-Zins-‘Politik’ zu beenden.

    • @hsch:

      HartzIV-Sätze werden halt nur einmal im Jahr angepasst. Sollte die Inflation entsprechend hoch bleiben, wird es eine dementsprechend hohe Anpassung geben.

      Die letzte (niedrige) Erhöhung ist allein der bis zuletzt niedrigen Inflation geschuldet.