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Industrielobbyist über Heizungsgesetz„Es geht nicht um Ideologie“

Der Lobbyverband der Elektroindustrie unterstützt Habecks Heizungsgesetz. Warum und worauf es ankommt, erklärt Geschäftsführer Wolfgang Weber.

„Wärmepumpen können Heizenergie klimaneutral und sehr effizient bereitstellen“ Foto: Filip Singer/epa
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Herr Weber, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht unter Druck wegen seines Gesetzes zur Modernisierung der Heizungen. Ihr Industrieverband unterstützt seine Politik. Warum?

Wolfgang Weber: Weil wir es für richtig halten, die Wärmewende einzuleiten. Die Gebäude verursachen etwa ein Drittel der klimaschädlichen Abgase. Die effizienteste Technik, den CO2-Ausstoß von Gebäuden zu senken, ist die Wärmepumpe.

Sie verlangen, das Gesetz in den kommenden sechs Wochen zu beschließen. Warum diese Eile?

Die Politik sollte schnell Klarheit schaffen. Das wäre gut für die Menschen, die einen Beitrag zur Energiewende leisten wollen. Aber auch für Unternehmen, die große Investitionen in die Herstellung der Wärmepumpen planen. Außerdem profitieren die Privathaushalte. Wenn die Entscheidung getroffen ist, sinkt für sie das Risiko, jetzt noch in Heizungstechnologien zu investieren, die später durch steigende Betriebskosten sehr teuer werden können.

Bild: Foto: ZVEI/Alexander Grueber
Im Interview: Wolfgang Weber

…ist promovierter Chemiker und Geschäftsführer des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), zu dem mehr als 1.100 Firmen gehören. Zuvor arbeitete Weber unter anderem für den Chemiekonzern BASF.

Ist es wirklich sinnvoll, Wärmepumpen in den Mittelpunkt zu stellen?

Keine andere Technologie verbindet zwei wichtige Ziele so hervorragend: Wärmepumpen können Heizenergie klimaneutral und sehr effizient bereitstellen. Weil mehr und mehr erneuerbarer Strom eingesetzt wird, sinkt zugleich der CO2-Ausstoß.

Aber die Technik ist heute mindestens doppelt, wenn nicht drei- oder viermal so teuer wie fossile Heizungen. Spricht das nicht für Abwarten, anstatt für eine schnelle Reform?

Indem mehr Wärmepumpen auf den Markt kommen, werden die Anschaffungskosten zurückgehen. Außerdem sollte man an die Betriebskosten denken. Über die Lebensdauer einer Heizung von etwa 20 Jahren dürfte die elektrische Variante in den meisten Fällen günstiger abschneiden. Schließlich werden die Verbraucherpreise für Kohle und Erdgas steigen, weil der politisch eingeführte und immer weiter wachsende Kohlendioxidpreis oben drauf kommt.

Ungefähr die Hälfte der hiesigen Heizungen läuft mit Erdgas. Hunderttausende Kilometer Rohre bringen den Brennstoff in die Haushalte und Firmen. Sind das keine zwingenden Gründe, auch künftig auf Gase, jedenfalls in kohlendioxidfreier Form zu setzen?

Wärme auf Basis von grünem – also aus Ökostrom produziertem – Wasserstoff ist im Vergleich zur Direktnutzung des Stroms sehr ineffizient. Das liegt an der mehrfachen Umwandlung während des Herstellungsprozesses, wodurch viel Energie verloren geht. Unter anderem deshalb werden grüne Gase für das Heizen auf lange Sicht keine große Rolle spielen.

Die Stadtwerke betreiben große Fernwärmenetze – für viele Haushalte eine günstige Anschlussmöglichkeit.

Fernwärme bietet tatsächlich gute Möglichkeiten – etwa, wenn man sie mit großen Wärmepumpen kombiniert. In Wien entsteht ein solches Projekt für 120.000 Wohnungen. Deshalb findet sich diese Option im Gebäudeenergiegesetz des Wirtschaftsministeriums.

Müsste Habecks Gesetz nicht Strom, Gas, Fernwärme und alle Kombinationen dieser Energieträger voranbringen?

Der Entwurf ermöglicht bereits zahlreiche Optionen. Es können auch andere Technologien jenseits der Wärmepumpe verwendet werden, solange die dafür eingesetzte Energie zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammt. Andererseits sollte die Politik ihrer Verantwortung nachkommen und heute schon realistische Wege zur Klimaneutralität bieten.

Die Elektroindustrie stellt die Elektrizität in den Mittelpunkt, die Gasindustrie das Gas, die Holzindustrie bevorzugt Holz als Brennstoff. Braucht demokratische Wirtschaftspolitik nicht immer einen Mittelweg?

Die Politik hat das Mandat, einen Kompromiss zu finden. Unsere Aufgabe ist es dagegen, darauf hinzuweisen, dass die direkte Elektrifizierung Klimaschutz und Effizienz am besten miteinander verbindet. Die Vision der „All Electric Society“ ist das Energieeffizienz-Szenario einer klimaneutralen Gesellschaft.

Selbst Fachleute sagen, es sei quasi unmöglich, die Strommengen mit Ökokraftwerken herzustellen, die wir in 20 Jahren für Stromheizungen und Elektroautos brauchen.

Fünfmal so viel erneuerbaren Strom zu produzieren wie heute erscheint vor dem Hintergrund von Klimaschutz und weniger Abhängigkeit bei Energieimporten realistisch. Wir haben große ungenutzte Potenziale für Sonnenenergie auf den Dächern der Gebäude und für Windstrom auf dem Meer sowie an Land.

Manche Fachleute bezeichnen Ihre Vision der sogenannten „All Electric Society“ als Ideologie. Die riesige Speicherkapazität, die als Reserve nötig wäre, wird niemals vorhanden sein, heißt es.

Es geht um Effizienz, nicht Ideologie. Um die sogenannten Dunkelflauten zu überstehen – Zeiten mit wenig Wind und Sonneneinstrahlung – brauchen wir tatsächlich genügend Speicherkapazitäten. Dafür ist auch grüner Wasserstoff wichtig. Wir werden ihn hierzulande produzieren, sinnvollerweise genau dann, wenn wir ein Überangebot an Wind- und Sonnenenergie haben. Einen Teil werden wir sicher auch importieren. Es gibt viele Länder, für die die Produktion von Wasserstoff eine vielversprechende neue Option darstellt.

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12 Kommentare

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  • vgl. Sollndas:



    Auch eine mit Strom aus Erdgas betriebene Wärmepumpenheizung nutzt den Brennstoff effizienter als eine Direktheizung mit Erdgas: Beispiel: Stromerzeugung mit Wirkungsgrad 60% mal Heizzahl 3 = 180% Effekt, während die Gasheizung stets etwas weniger als 100% des Brennwertes nutzen kann.

    Bei E-Autos ist der Wirkungsgradvorteil noch größer, allerdings auch der anfängliche Nachteil durch die Batterien.

    Damit unterstütze ich keine Stromerzeugung aus Erdgas; die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien sollte schneller zunehmen als der Strombedarf der "neuen" Verbraucher in Heizung und Verkehr, aber man kann nicht erst nur das eine und dann das andere machen; dafür reicht die Zeit nicht.

  • 3G
    32051 (Profil gelöscht)

    Mich regt das Wort "Ideologie" so auf.

    iDeOlogIsCh sind immer die anderen.

    Der eigenen Meinung entsprechend ist stets der "gEsunDe mEnscHenvErStAnd"

  • Ein Industrielobbyist.



    Jetzt will schnell jeder seine Schäfchen ins Trockene bringen. Und dabei wird eben oft das Pferd von hinten aufgezäumt.



    Es wäre besser erst eine kommunale Wärmeplanung zu machen und den Bedarf an Strom usw. zu ermitteln. Wann steht überhaupt für alle ausreichend Strom zur Verfügung? Für elektrisch heizen, Warmwasser und E-Autos? Dann kann man ein Heizungsgesetz machen, aber nicht ohne gleichzeitige Berücksichtigung der notwendigen Energiesparmaßnahmen.



    Und dann weiss man was es kostet und kann über Förderung und Zeitplan reden.

  • Ja wenn natürlich der Lobbyist sagt es ist keine Ideologie, dann ist es auch keine (😂😂😂 ). Es gäbe bestimmt Personen für ein Interview die diese Problematik objektiver sehen würden als eine Person die dafür bezahlt wird.

  • Elektro-Lobby ist für Elektro-Heizungen.

    Imagine my Shock!

  • Ich sehe die hohen Preise bei den Wärmepumpen dadurch geschaffen, das man jetzt im hau ruck die Wärmepumpen ohne Übergangszeiten vorschreiben will.

    Firmen wie Hitachi oder LG sind bei der Produktion klar im Vorteil, da die Wärmepumpe und Klimagerät sehr ähnlich sind.



    Eine Firma wie Stiebel Eltron muss erst einmal die Produktion ausbauen (Personal, Maschinen usw.), andere wie Viessmann oder Budersu sind erst mal raus, es bracht da Entwicklung (Kompetenz).

    In ein ein paar Jahren kann man dann zum Schnäppchenpreis die Kellerlöcher mit Wärmepumpen Fluten.

    Vor kurzem war noch Gas dass non plus ultra ich erinnere an über 1 Jahrzehnt Merkel im Zusammenspiel mit Gazprom lobbyist Schröder, wie da Klimaziele eingehalten werden sollten, ein Rätsel?



    Aus Gas Strom und dann Wärmepumpe und E-Autos damit Antreiben, gleich Umweltfreundlich?



    Ohne den Ukraine Krieg wären wir heute bei Nordstream 1 und 2 und hätten wahrscheinlich 10H beim Windkraftausbau, soweit auch mal an die Adresse der Klimakleber, welche ja die jetzige Regierung so hart Angreifen!

    Vor Wärmepumpe und E-Autos sollte erst einmal der Ausbau der Erneuerbaren Energien Explosionsartig ausbauen, denn da steht und fällt die Umweltfreundlichkeit bei Wärmepumpe und E-Autos und Co..

    • @udo123:

      "im hau ruck die Wärmepumpen ohne Übergangszeiten"



      Es gilt schon im ursprünglichen Entwurf eine Übergangszeit bis 2045, erst dann müssen alte, noch funktionsfähige Öl- und Gasheizungen getauscht werden. Das verbleibende CO2-Budget zur Einhaltung der 1,5°-Grenze reicht demgegenüber allerdings nur noch etwa sechs Jahre.

      • @Ingo Bernable:

        ...und genau dieses Restbudget verplempern wir jetzt, mit irren Aufwand und Ressourcenverbrauch für E-Autos und Wärmepumpen. Statt das Geld in den den Ausbau der Erneuerbaren (incl. Holz und Biomasse) und in wirklich energiesparende Technologien zu stecken.



        E-Autos und Wärmepumpen sparen letzlich keinerlei fossile Primärenergie ein, solange es nicht ganzjährig Überschüsse an Erneuerbaren gibt. Sie verschieben nur Emissionen aus dem Verkehrs- und Gebäudebereich in den Strombereich.

  • Bleibt die Frage



    welchen Strommix das elektroheizende Volk denn bei der 65-er-Rechnung zugrundelegen darf ? Den nur in der marktschreierischen Rhetorik existierenden "100 % Ökostrom", der ihm mehr oder weniger über-teuert verkauft und angeblich exklusiv durch die Leitung geschickt wird, oder den realistischen, physisch existierenden BRD-Strommix, bei dem die Erneuerbaren sich derzeit grad mal mühsam an die 50 % ranrobben ? Und wenn's, wie bislang dieses Jahr, eher grau aussieht am Himmel statt dauersonnig, auch mal wieder weniger sein kann als die knappe Hälfte aus der vorläufigen Bilanz des Jahres 2022. Zumal, wenn Windstrom dauernd abgeregelt werden muss, weil die Netze nicht mitspielen. 2021 lagen wir eher um 40 % CO2-freien Stroms. Französischen Plutoniumstrom mal beiseite, ham wir also noch 50 bis 60 Prozent Verbrennerstrom. Da muss das Wärmepümple schon nah am Optimum funktionieren (i.e. Umgebungswärme trägt ihre geplanten 2/3 tatsächlich bei), um übers Jahr gerechnet bei höchstens 35 % Verbrennerwärme zu landen.



    *Zudem: Wird den einen ihr Ökostromkauf angerechnet, muss, wer Normalostrom kauft, entsprechend einen höheren Prozentsatz Verbrennerstrom angerechnet bekommen. Welcher Anteil des tatsächlich anfallenden "Öko"-Stroms als solcher verkauft wird, das hängt dann ganz von nicht vorhersehbaren Marketing-Erfolgen der Stromverkäufer ab; wie 'grau' bis dunkelgrau der eigene Normalostrom in der Folge dann ist, kann sich also kein Kunde vorher ausrechnen, und niemand ihm. Gleiche Rechnung für Battrieautos: wird Normalmixstrom getankt, so wird der immer grauer, je mehr vom Ökostrom andererseits als solcher vermarktet wurde.

    • @lesnmachtdumm:

      Der Windstrom wird vor allem abgeregelt, weil der Strommarkt so gestaltet ist, dass sich Stromhändler nicht darum kümmern müssen, wo in Deutschland sie Strom beziehen und absetzen, und die Netzbetreiber dann für einen Ausgleich sorgen (häufig durch Windenergie-Abschaltung im Norden und Ersatzbezug von fossilen Kraftwerken m Süden). Mit der Einführung getrennter Preisbildungsgebiete ließen sich sehr viele Abschaltungen auf einen Handstreich vermeiden.

      Lesenmachtdumm meint: "Zumal, wenn Windstrom dauernd abgeregelt werden muss, weil die Netze nicht mitspielen." Das Problem liegt darin, dass die Begrenztheit der Netze in der Preisbildung nicht berücksichtigt wird.

    • @lesnmachtdumm:

      Es ist noch schlimmer. Jeder zusätzliche Verbraucher (also z.B. eine Wärmepumpe) VERSCHLECHTERT den Strommix. Die Sonne scheint nicht heller und auch der Wind weht nicht stärker, wenn so ein Ding in Betrieb geht. Was passiert, ist, dass in der Lausitz eine Schippe Braunkohle mehr aufgelegt wird. Die Wärmepumpe wird letztlich zu 100 % fossil betrieben.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Mal von einer anderen Blickrichtung betrachtet: Alles "elektrisch" bedeutet noch viel mehr überall und immer elektromagnetische Felder mit verschiedenster Stärke und Eigenschaften in einer evolutionär noch nie dagewesenen Art. Mir fehlt der ernsthafte Blick darauf. Die überkommene Grenzwertsetzung ist m.E. auch hier eine an der Wirtschaft orientierte Daher ist das Bewusstsein über die ökologischen und gesundheitlichen Implikationen nur unzureichend entwickelt, So lange dies so ist, bleibt das Risiko unbeachtet, dass der Weg in die „All Electric Society“ einer in eine weitere Sackgasse sein könnte. Es ist zu ernst, um das zu übergehen.