Indien verbietet islamische Blitzscheidung: Ehe vor Gericht
Der Mann musste nur drei Mal das Wort „Verstoßung“ sagen – und schon war die Scheidung vollzogen. In Indien ist das nun verboten.
dpa/epd/taz | Indiens Oberster Gerichtshof hat die islamische Blitzscheidung durch das Verstoßen der Frau verboten. Eine Ehe zwischen Muslimen galt in Indien bisher als geschieden, wenn der Mann drei Mal innerhalb kurzer Zeit das Wort „Talaq“ (Verstoßung) aussprach. Die Frau hatte kein Widerspruchsrecht.
Das Gericht in Neu-Delhi habe diese „Dreifach-Talaq“ oder auch „Sofortscheidung“ genannte Praxis am Dienstag nach dreimonatigen Beratungen mit einer 3:2-Mehrheit für verfassungswidrig erklärt. Denn sie verletze das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Das teilte Zakia Soman von der muslimischen Frauenorganisation „Bharatiya Muslim Mahila Andolan“, die zu den Klägern gehörte, vor Reportern mit.
Die Richter entschieden im Fall einer 35-jährigen Muslimin, die 2016 gegen diese Praxis geklagt hatte, nachdem ihr Mann ihre 15-jährige Ehe mit dem dreifachen Talaq einseitig geschieden hatte. Das Gericht forderte vom Parlament jetzt ein dem Urteil entsprechendes Gesetz. Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Premierminister Narendra Modi nannte die Entscheidung „historisch“.
Muslime machen etwa 14 Prozent der rund 1,3 Milliarden Einwohner Indiens aus. Indiens Religionsgruppen unterliegen getrennten Gesetzen, die Heirat, Scheidung und andere Aspekte des Privatlebens regeln. Das Gremium, das für Muslime über die Einhaltung dieser Gesetze wacht, das „All India Muslim Personal Law Board“, hatte sich gegen ein Verbot des umstrittenen Scheidungsbrauches ausgesprochen. Es handle sich um eine religiöse Angelegenheit, für die das Gericht nicht zuständig sei.
Die für den Fall zuständigen fünf Richter, die fünf unterschiedlichen Religionen angehören, entschieden allerdings Medienberichten zufolge mehrheitlich, dass „Dreifach-Talaq“ auch gegen die Lehre des Korans verstoße.
Indische Medien sprachen von einem großen Sieg für die Geschlechtergleichheit. Muslimische Männer haben in Indien ihre Ehefrauen durch dreimaliges Aussprechen von „Talaq“ etwa per Telefon, E-Mail oder SMS verstoßen können. In vielen mehrheitlich muslimischen Ländern gibt es diesen Brauch nicht oder nicht mehr. Malaysia verbot vor einigen Jahren die Verstoßung per SMS.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert