Importverbot gegen Russland: Kohlemarkt sortiert sich neu
Es darf keine russische Kohle mehr in die EU importiert werden. Alternativen gibt es – doch welche in Zukunft genutzt werden, ist noch unklar.
Der weltweite Kohlemarkt wird sich damit erheblich verändern, denn im Jahr 2021 kamen 50 Prozent der in Deutschland verbrannten Steinkohle noch aus Russland. Auf den weiteren Positionen lagen die USA (17 Prozent), Australien (13 Prozent) und Kolumbien (6 Prozent). Die russische Kohle wurde vor allem als Brennstoff für Kraftwerke verwendet, während die australische sich vor allem für die Stahlherstellung eignet.
Die Kraftwerke sind in Deutschland bei der Kohle – anderes als beim Erdgas – der größte Verbrauchssektor. Im Jahr 2021 setzten die hiesigen Kraftwerke 19 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten ein; damit haben sie ihren Verbrauch seit 2014 immerhin halbiert. Die Stahlindustrie ist der zweite große Verbraucher von Steinkohle mit 14,7 Millionen Tonnen.
Welche Länder in den kommenden Monaten in welchem Umfang die Lücke schließen werden, die das Embargo reißt, vermag der Verein der Kohlenimporteure noch nicht abzuschätzen. Deren Geschäftsführer Jürgen Osterhage sagte auf Anfrage nur: „Kohle ist auf dem Weltmarkt reichlich verfügbar.“ Er selbst bekomme täglich einige Angebote auf den Tisch. Im Juni hatte der Verein bereits verkündet, es seien „Testprogramme der neuen Kohlesorten“ aus verschiedenen Ländern „in vollem Gange“.
Bundesregierung hat keine Daten
Zu den künftigen Lieferländern äußert sich auch die Bundesregierung nur insofern, dass sie Australien, Indonesien, Kolumbien, Mosambik, Südafrika und die Vereinigten Staaten aufzählt und hinterherschiebt: „Über den genauen Anteil der jeweiligen Länder liegen der Bundesregierung keine Daten vor.“
Allerdings liegt es nahe, dass Deutschland die Kohle aus Kolumbien verstärkt im Blick hat, weil diese sich ähnlich wie die russische für Kraftwerke eignet. Ein Indiz für entsprechende Pläne ist auch ein Telefonat, das Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. April mit dem damals noch amtierenden kolumbianischen Staatspräsidenten Iván Duque Márquez führte – zwei Tage bevor dann der Europäische Rat die Sanktionen gegen die russische Kohle verhängte.
Den Inhalt des Gesprächs kommunizierte die Bundesregierung nur knapp: Themen seien „die bilaterale Zusammenarbeit, der Krieg in der Ukraine sowie die Zusammenarbeit bei Klimaschutz und Energiefragen“ gewesen. Auch auf eine anschließende parlamentarische Anfrage aus der Fraktion Die Linke nannte die Bundesregierung keine weiteren Details.
Brisant ist der Fall Kolumbien vor allem, weil das Land unter dem Stichwort „Blutkohle“ immer wieder wegen Verstößen gegen Umweltschutz und Menschenrechte in die Kritik geriet. Die Bundesregierung gibt sich in dieser Hinsicht gleichwohl unwissend. Als im Frühsommer Mitglieder der Fraktion Die Linke anfragten, welche Kenntnisse die Bundesregierung über die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in der Mine El Cerrejón habe, dem größten Steinkohletagebau Lateinamerikas, beschränkte sich die Antwort auf diesen einen Satz: „Über die Medienberichterstattung hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor.“
Welche Länder nun am Ende die Lücke füllen werden, die das Embargo hinterlässt, wird sich in einigen Monaten zeigen. Sicher ist bereits, dass die Zahlungen, die für fossile Energien aus der EU nach Russland gehen, sich durch das Kohle-Embargo nur geringfügig reduzieren werden. Denn nach Zahlen des Centre for Research on Energy and Clean Air mit Sitz in Finnland entfielen von den Beträgen, die seit Kriegsbeginn für fossile Energien nach Russland flossen, nur vier Prozent auf die Kohle. Von den seither aufgelaufenen fast 81 Milliarden Euro für Öl, Gas und Kohle machte das Erdöl alleine 56 Prozent aus.
Als nächstes folgt das Öl-Embargo
Daher will die EU als Nächstes auch das Öl zurückdrängen. Mit dem im Juni verabschiedeten sechsten Sanktionspaket wurde ein vollständiges Verbot der Einfuhr von russischem Rohöl und russischen Erdölerzeugnissen auf dem Seeweg erlassen. Bereits bestehende Verträge dürfen noch während eines Zeitraums von sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der Sanktionen erfüllt werden. Bei Erdölerzeugnissen beträgt diese Frist acht Monate.
Eine vorübergehende Ausnahme gibt es alleine für Pipeline-Rohöl, „um sicherzustellen, dass die Nutzung russischen Öls in geordneter Weise auslaufen kann“, so die EU-Kommission.
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