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Impftermine von der KitaKluge Aktion mit Risiko

Eiken Bruhn
Kommentar von Eiken Bruhn

In Bremen verteilen Kindertagesstätten in ärmeren Stadtteilen Termine für Impfungen. So sollen dort Menschen erreicht werden, die skeptisch sind.

Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard bei einer Bürgerschaftssitzung im November 2020 Foto: dpa/Sina Schuldt

M obile Impfzentren rücken aus, um die Seuchengefahr in den Armenvierteln zu bannen. Diesen Eindruck vermitteln viele Medienberichte im Nachklang der Aufregung um die hohen Infektionsraten im Kölner Stadtteil Chorweiler. Das hat einen üblen ordnungspolitischen Beigeschmack. Als ginge es weniger um Hilfe für diejenigen, die aufgrund von Armut mit einem hohen Infektionsrisiko leben müssen, sondern darum, diejenigen, die in den „besseren“ Gegenden leben, vor dem infektiösen Pöbel zu schützen.

Es zahlt sich jetzt aus, dass Bremen eine linke Gesundheitssenatorin hat. Denn die betrachtet das Thema tatsächlich aus Sicht der Betroffenen. Anstatt nur die Leute in den weißen oder roten Anzügen loszuschicken, entwickelt sie Strategien, wie die Hemmschwelle, an einer Impfung teilzunehmen, so gesenkt werden kann, dass auch diejenigen erreicht werden, die sich nicht von selbst in die Schlange vor den Impfbus stellen.

Dabei die Kitas anzusprechen, ist eine kluge Idee, weil Er­zie­he­r*in­nen nicht als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen werden, sondern häufig als Vertrauenspersonen, die das für viele Menschen Wertvollste hüten, was sie haben: die eigenen Kinder. Dass die Kita-Leiter*innen sofort zugesagt haben – noch vor ihren Vorgesetzten – verdient Hochachtung. Sie sind bereits jetzt mehr als ausgelastet mit der Umsetzung immer neuer Regeln und seit Kurzem der Ausgabe von Schnelltests.

Allerdings birgt die Aktion das Risiko, dass der Unterschied zwischen Kindertagesbetreuung und Staatsmacht verwischt wird. Sie sollte daher eine Ausnahme bleiben.

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Eiken Bruhn
Redakteurin
Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; Systemische Beraterin.
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2 Kommentare

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  • "Es zahlt sich jetzt aus, dass Bremen eine linke Gesundheitssenatorin hat."

    "Jetzt"?

    Wir haben Corona seit Anfang 2020. Wir hatten die ganze Zeit über hohe Werte in den ärmeren Vierteln. Die Menschen haben dort seit Monaten in engeren Wohnungen gelebt. Frau Bernhard trat da nie in Erscheinung. Auch bei dem Thema Flüchtlingsunterkünften als Hotspot hat sich Frau Bernhard weg geduckt.

    Und jetzt, wo genügend Impfstoffe bald da sind, kommen Konzepte, die Coronagefährdung über Armut bei Priorisierungen mitdenken, viel zu spät an.

  • "Als ginge es weniger um Hilfe für diejenigen, die aufgrund von Armut mit einem hohen Infektionsrisiko leben müssen, sondern darum, diejenigen, die in den „besseren“ Gegenden leben, vor dem infektiösen Pöbel zu schützen."

    Der Ansatz ergibt keinen Sinn. Ginge es wirklich darum, Menschen in "besseren" Gegenden zu schützen, hätte man die Impfteams gleich nach Oberneuland oder Schwachhausen geschickt - analog dazu, dass etwa die höher entwickelten Länder den Impfstoff den weniger entwickelten Ländern weitestgehend weggeschnappt haben.



    Stattdessen ist es so, dass Menschen in "besseren" Gegenden oder Lebensumständen noch nicht geimpft werden. Diese Vorgehensweise ist solidarisch.

    Die Haltung der Autorin ist im verlinkten Artikel (taz.de/Impfung-von...iligten/!5765299/) zutreffend als problematisch charakterisiert worden:

    "Die Furcht davor, etwas Richtiges zu tun und dabei etwas Falsches auszulösen, kann dazu führen, dass gar nichts getan wird – mit fatalen Folgen. [...] Dahinter steckt eine falsch verstandene Fürsorge, die für die Betroffenen tödlich enden kann."

    Man könnte ja Menschen etwa in Gröpelingen einfach mal fragen, was ihnen wichtiger ist - körperliche Unversehrheit und Gesundheit oder ideologisch-moralische Einwandfreiheit. Ich tippe auf Ersteres.

    Abschließend ist der Autorin aber auch zuzustimmen. Die Idee mit den Kitas ist wirklich gut, hoffentlich lassen sich noch viele zweifelnden Menschen überzeugen.