Impfstoff-Initiative Cepi: Der nächsten Epidemie vorbeugen

Mehr als drei Milliarden Euro will die Impfstoff-Initiative Cepi sammeln. Sie setzt auf die mRNA-Technologie und das Biotechunternehmen Moderna.

Eine Frau mit Mundschutz zieht eine Impfspritze auf

Impfung mit Moderna-Vakzine gegen Corona Foto: Daniel Irungu/epa

LONDON taz | Einen Impfstoff gegen eine lebensbedrohliche Krankheit in gut drei Monaten entwickeln? Das klingt nach Science-Fiction. Schneller geht das wahrscheinlich nur in Skripten von Comicverfilmungen. Denn bisher dauerte es Jahre bis Jahrzehnte, bis For­sche­r:in­nen so weit waren. Doch das ist das erklärte Ziel der Impfstoff-Initiative Cepi und einiger Wissenschaftler:innen, die ihr Vorhaben im New England Journal of Medicine veröffentlicht haben. Gegen 15 bedrohliche Krankheitserreger, die unter anderem HIV, Tuberkulose oder Malaria auslösen, sollen zeitnah Impfstoffe entwickelt werden und das mit Förderung und neuer Technologie.

Dass die medizinische Forschung bald so weit sein könnte, lässt sich mit der Entwicklung von Corona-Impfstoffen in Rekordzeit von unter einem Jahr erahnen. Mittlerweile haben eine Vielzahl von Vakzinen gegen einen schweren Verlauf einer Sars-CoV-2-Infektion eine Notfallzulassung der WHO erhalten. Drei stammen von den Unternehmen AstraZeneca, Novavax und Moderna – und wurden finanziell von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, kurz Cepi, unterstützt. Moderna setzte dabei auf mRNA-Technologie, die auch bei den Impfstoffen von morgen gegen besonders schwere Krankheiten zum Einsatz kommen soll.

Bevor die Coronapandemie über die Welt hereinbrach, schlossen sich 2017 in Davos Regierungen, Forschende, Pharmakonzerne und Philanthropen zusammen. Denn die Ebola-Epidemie (2014–16) in Westafrika hatte einen bleibenden Schrecken hinterlassen. Damit war die internationale Impfstoffallianz Cepi geboren. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich die Gates Stiftung, Deutschland, Norwegen und das Weltwirtschaftsforum.

2022 geht Cepi in eine neue Runde. Großbritannien richtet zum Beginn der Woche die Geberkonferenz in London aus, damit Cepi wie geplant für die nächsten fünf Jahre weiterarbeiten kann. Deutschland hat vor, Cepi mit weiteren 80 Millionen Euro zu unterstützen, so Judith Pirscher (FDP), Staatssekretärin im Forschungsministerium, die persönlich erschien. Bisher waren es über 440 Millionen, eine der höchsten Summe eines öffentlichen Unterstützers.

Eine feste Zusage gäbe es aber erst, nachdem der Haushalt im Sommer beschlossen wurde, so Pirscher. Große Zusagen kamen auch aus Japan, Großbritannien, den USA, Stiftungen wie Gates und Wellcome Trust so wie Norwegen. Knapp 1,4 Milliarden Euro von dem Ziel 3,1 Milliarden Euro konnten bisher akquiriert werden.

Moderna verzichtet in 92 Ländern auf Patentschutz

Trotz vieler Gesprächsrunden mit führenden Persönlichkeiten des globalen Gesundheitswesens dürften wohl vor allem die Zusagen des US-Pharmakonzerns Moderna in Erinnerung bleiben. Während des Cepi-Gipfels erklärte Moderna, in 92 Länder mit niedrigerem Einkommen auf den Patentschutz ihres Covid-Impfstoffes Spikevax zu verzichten. Darunter sind viele Länder Afrikas, Südasiens und Südostasiens wie Indien, Indonesien, Vietnam und Uganda.

Für asiatische Länder wie Indien, in denen 60 Prozent der Bevölkerung zweifach geimpft sind, hat der Vorstoß zunächst weniger Gewicht. Anders sieht es für Staaten wie Indonesien aus, die von Impfstoff-Importen abhängig sind – und lange mit Vakzinen aus China versorgt wurden. Moderna möchte zudem eine führende Rolle in Afrika übernehmen und gab bekannt, dass die angekündigte Produktionsstätte in Kenia gebaut werden soll, um so den Kontinent besser zu versorgen.

Moderna kündigte ebenfalls an, seine mRNA-Plattform für externe Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu öffnen. Staatliche und akademische Einrichtungen könnten sich bewerben. Sie sollen helfen, die 15 Impfstoffe zu entwickeln. Professorin Daniela Dieterich von der Uni Magdeburg sieht in RNA-Impfstoffen den Vorteil, dass sie einfacher zu synthetisieren sind. Nachteil sei aber, dass mRNAs sehr instabil sind und damit die Logistik und Lagerung bei extrem niedrigen Temperaturen von mindestens -70° C notwendig sei.

Der Unternehmensethiker Markus Scholz, FH Wien, weist darauf hin, dass Pharmakonzerne mit Vakzinen hohe Gewinne gemacht haben. Darunter auch Moderna, das im vergangenen Jahr mehr als 10 Milliarden Euro einnahm. „Es ist ein positiver Schritt, den Moderna geht und ein notwendiger Schritt auch das technologische Know-how zu teilen. Eine alleinige Patentfreigabe ist nicht ausreichend“, betont Scholz.

30 Jahre Krebsforschung

Zwar wurden mRNA-Impfstoffe mit der Pandemie erstmals zugelassen, allerdings geht dieser Ansatz auf 30 Jahre Krebsforschung zurück. Sie basieren darauf, genetische Informationen in Zellen einzuschleusen. Die mRNA-Impfstoffe Spikevax und Comirnaty der Hersteller Moderna beziehungsweise BioNTech/Pfizer enthalten eine „Bauanleitung“ für bestimmte Oberflächenproteine, das sogenannte Spikeprotein. Beim Eintritt in die Zellen werden sie „abgelesen“ und bei einer geimpften Person selbst herstellt.

Es entsteht eine Immunantwort dadurch, dass sich Antikörper und Abwehrzellen gegen das Spikeprotein des Virus bilden. Nach einigen Tagen wird die im Impfstoff enthaltene mRNA im Körper abgebaut. Es ist eine vielversprechende Möglichkeit, Impfstoffe herzustellen, die sich aber bei anderen Erregern noch als bahnbrechend beweisen muss.

Doch es ist eine Chance. Neben Bekundungen war der Londoner Gipfel auch eine Erinnerung, dass die Coronapandemie nicht vorüber ist, auch wenn sich die Welt damit arrangiert. Während in Deutschland und anderen westlichen Ländern jeder ein Impfangebot gegen Covid-19 bekommt, der es möchte, sind in den Ländern Afrikas im Schnitt erst 14 Prozent zweimal gegen Sars-CoV-2 immunisiert.

Transparenzhinweis: Die Autorin ist Stipendiatin der Global Health Security Fund des European Journalism Center und wurde zur Konferenz in London eingeladen.

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