Impfkampagne von Unternehmen: Hört auf den Schokoriegel!
150 Großunternehmen werben mit Werbeslogans für die Impfung gegen Covid-19. Doch statt um gesellschaftliche Verantwortung geht es eher um PR.
Zugegeben, besonders gut hat es nicht geklappt mit der deutschen Impfkampagne. Erst gab es zu wenig Impfstoff, dann schloss man die Impfzentren zu früh und mit den Booster-Impfungen begann man hierzulande auch eher spät.
Gut, dass es den deutschen Handel gibt, der in seinem steten Bemühen um das gesamtgesellschaftliche Wohl eine breite Kampagne gestartet hat, um Impfunwillige doch noch davon zu überzeugen, sich den potenziell lebensrettenden Moderna- oder Biontech-Schutz verabreichen zu lassen. Und die Zeit drängt, gerade erst ist die hochansteckende Omikron-Variante in Deutschland angekommen – und auch danach ist das griechische Alphabet noch ziemlich lang.
Mehr als 150 Unternehmen haben sich zusammengeschlossen und ihre Werbesprüche angepasst, um für die Impfung zu werben. Darunter sind Schenkelklopfer-Slogans wie „Alle elf Minuten ist uns zu wenig, wenn’s ums Impfen geht.“ (Partnerbörse Parship) oder „Wir impfen uns den Weg frei“ (Volksbanken/Raiffeisenbanken). Der Lebensmittelhersteller Nestlé wirbt mit seinem Schokoriegel KitKat („Have a break, have a pieks“).
Die Logik ist nachvollziehbar. Denn wer sich bisher weder von den Appellen der meisten Politiker, Virologen, Journalisten, Pfleger und dem eigenen Hausarzt hat überzeugen lassen, hört sicher auf den Rat eines Schokoriegels oder einer Parfümerie („Come impf and find out“). Nur Zyniker würden hinter der Kampagne eine geschickte Marketingstrategie ansonsten teils wenig gemeinnützig agierender Großkonzerne sehen. Sarkasmus: aus.
Kostenlose PR abstauben
„Wir sind die Guten“ – das ist die Message. Gerade Konzernen wie Nestlé, die seit Jahrzehnten für ihr Geschäftsgebaren kritisiert werden, freuen sich bestimmt darüber, auch einmal Positivschlagzeilen verbuchen zu können. Das Unternehmen sieht sich seit Jahren mit Vorwürfen unter anderem der Ausbeutung von Kindern auf Kakaoplantagen oder dem Abpumpen von Grundwasser konfrontiert.
Es ist nicht das erste Mal, dass Unternehmen versuchen, mit ihrem meist alibihaften Kampf für die gute Sache ein wenig kostenlose PR abzustauben. In den USA zeigen sich Großbanken wie Goldman Sachs und Rüstungsunternehmen wie Raytheon gern demonstrativ bei LGBT-Pride-Paraden.
Im Zuge der Black-Lives-Matter-Proteste (BLM) im vergangenen Jahr solidarisierten sich viele Großunternehmen mit der Bewegung und gelobten, auch die eigenen Geschäftsmodelle auf Rassismus zu überprüfen.
Wie die Financial Times recherchierte, umfassten die Maßnahmen aber in vielen Fällen nur Anti-Bias-Trainings, während eine Lohnangleichung für die in vielen Fällen überwiegend schwarze Belegschaft nur in wenigen Fällen stattfand – die wäre allerdings auch etwas teurer gewesen.
Jede Injektion zählt
Zudem sprangen viele Unternehmen erst auf die BLM-Welle auf, nachdem die Bewegung gesellschaftlich breiter akzeptiert wurde. Vermutlich sagte die Kosten-Nutzen-Rechnung der PR-Abteilung, dass man nach dem Tod George Floyds nun eher mit einer Pro-BLM-Message Geld verdienen könne als mit Neutralität. Ähnlich dürfte es nun mit der Impfkampagne in Deutschland laufen.
Würden Burger King, Nestlé und Co auch so offensiv für die Impfung werben, wenn 50 Prozent der Bevölkerung Impfgegner wären und man mit dem Bekenntnis zu Moderna und Co nicht nur eine vergleichsweise kleine Kundengruppe vor den Kopf stieße?
Seis drum. Im Kampf gegen die Pandemie zählt jede Injektion. Und wenn es den Segen einer Waschmittelmarke oder eines Autoherstellers braucht, um Menschen vom Sinn des Unterfangens zu überzeugen, bleibt nur „Freude am Impfen“ (BMW) zu wünschen.
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