Impeachment gegen US-Präsident Trump: Die Demokraten sind sich uneins
Junge Demokraten-Abgeordnete wollen US-Präsident Trump schnellstmöglich aus dem Amt entfernen. Die alte Garde gibt sich zurückhaltender.
Die linke Abgeordnete Ilhan Omar aus Minnesota verfasste eine Resolution, Trump erneut anzuklagen. „Wir haben einen Eid auf die Verfassung geleistet“, so Omar. Aber die demokratische Chefin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in deren Büro im US-Kongress sich am Mittwoch ein Trump-Unterstützer aus Arkansas in ihrem Sessel fläzte und seine Schuhe auf ihren Schreibtisch legte, hat sich bislang nicht zu der Möglichkeit eines neuen Impeachment gegen Trump geäußert.
Am Mittwoch, als Trump-Anhänger im Kapitol wüteten, appellierte Pelosi, zusammen mit dem Chef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, noch an den Präsidenten. Statt sein Amtsende zu beschleunigen, drängten sie Trump, seine Anhänger zur Vernunft zu rufen. Auch der künftige Präsident Joe Biden setzte am Mittwoch vor allem auf Appelle an den Mann im Weißen Haus. „Gehen sie ins nationale Fernsehen, erfüllen Sie Ihren Amtseid, verteidigen Sie die Verfassung, verlangen Sie ein Ende der Belagerung“, drängte er Trump.
Biden machte in seiner Ansprache klar, dass die Stürmer des Kongress einen „Aufruhr“ organisiert und die Demokratie angegriffen hatten. Aber zugleich versuchte er, die Reputation und Ehre seines Landes zu retten. „Sie sind eine kleine Gruppe von Extremisten“, sagte er, „sie repräsentieren nicht Amerika“. Biden will weiterhin daran glauben, dass eine parteiübergreifende Zusammenarbeit mit den Republikanern möglich ist.
Parlamentskammern demokratisch
Der Demokrat, der im letzten Frühling mit seiner Unterstützung für Biden dessen unerwarteten und rasanten Aufstieg zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten ausgelöst hatte, hatte noch am Tag vor dem Sturm auf den Kongress erklärt, ein zweites Impeachment gegen Trump sei verlorene Zeit. Der Abgeordnete Jim Clyburn aus South Carolina, der über eine breite Basis bei afroamerikanischen Wählern verfügt, reagierte damit auf das Ansinnen, Trump schon wegen seines Anrufs bei dem republikanischen Innenminister von Georgia anzuklagen. Bei dem später veröffentlichten Telefonat vom Wochenende hatte der Präsident gedrängt, das Wahlergebnis in Georgia zu seinen Gunsten zu manipulieren.
Der Tag, an dem Trumps Stürmer das Kapitol besetzten und die Kongressabgeordneten in Verstecke trieben, war ein düsterer Tag für die US-Demokratie. Und kein Redner der Demokraten versäumte, darauf hinzuweisen. Doch zugleich war Mittwoch auch der Tag, an dem die Demokraten eine gangbare, wenngleich hauchdünne Mehrheit im US-Kongress eroberten.
Der unerwartete Wahlsieg von zwei demokratischen Senatoren bei Stichwahlen in Georgia wird dafür sorgen, dass die künftigen Mehrheitsverhältnisse im US-Senat 50 zu 50 betragen werden. Der Republikaner Mitch McConnell, der schon Barack Obamas Innen- und Außenpolitik sowie seine Nominierungen nach Kräften sabotierte, muss den Vorsitz des Senats aufgeben. Ein Demokrat, vermutlich Schumer, der bisherige Chef der demokratischen Fraktion, wird seine Nachfolge antreten. Bei Pattsituationen wird die Vizepräsidentin Kamala Harris mit ihrer Stimme den Ausschlag geben.
Erstmals seit 2010 verfügen die Demokraten damit wieder über Mehrheiten in beiden Kammern. Aber der Graben zwischen linken Demokraten, deren Zahl im neuen Kongress gewachsen ist, und Zentristen bleibt groß. Das zeigen auch die Reaktionen auf die Erstürmer des Kapitols. Während Ex-Präsident Obama den Angriff einen „Moment der Entehrung“ nannte, ging die frisch gewählte Abgeordnete aus Missouri und Black-Lives-Matter Aktivistin Cori Bush in die frontale Gegenoffensive. Wie viele Linke in den USA verlangt sie, dass sämtliche Republikaner, die wie Trump zu „dieser heimischen Terrorattacke“ gehetzt haben, aus dem Kongress ausgeschlossen werden.
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