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Immer größere MolkereienDie Macht über die Milch

Wegen der Fusionspläne der landesgrößten Molkerei warnen Agrar­­­vertrete­r*in­nen vor Monopolisierung. Darunter leiden vor allem die Bäue­r*in­nen.

Milchproduktion: Bäue­r*in­nen müssen sich in der Regel verpflichten, ihre gesamten Erträge an eine Molkerei zu liefern Foto: Leonhard Simon/sz photo

Berlin taz | Am Dienstag hatte die größte deutsche Molkerei Deutsches Milchkontor (DMK) angekündigt, mit dem dänischen Unternehmen Arla Foods zu fusionieren. Nun warnen Agrarverbände und Po­li­ti­ke­r*in­nen vor einer zunehmenden Abhängigkeit der Bäue­r*in­nen von den Molkereien.

„Die geplante Fusion von Arla und DMK ist ein Frontalangriff auf die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland und Europa“, sagt EU-Politiker Martin Häusling (Grüne). „Dieser Zusammenschluss würde mehr Machtkonzentration, weniger Mitbestimmung und weiter sinkende Erzeugerpreise bedeuten.“

Schon lange haben Bäue­r*in­nen auf dem Milchmarkt wenig Einfluss. Sie liefern ihre Milch an Molkereien, die diese verarbeiten und an den Einzelhandel verkaufen. „Entlang der Wertschöpfungskette herrscht eine erhebliche Machtasymmetrie zulasten der Landwirte“, sagt Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter.

Bäue­r*in­nen müssen sich in der Regel verpflichten, ihre gesamten Erträge an eine Molkerei zu liefern. Die Preise werden häufig erst danach bestimmt. „Für Landwirte ist es kaum möglich, auf Augenhöhe um Milchpreise zu verhandeln.“

Genossenschaften handeln nicht im Interesse der Bäue­r*in­nen

Auch die genossenschaftliche Organisation der meisten Molkereien verstärkt diese Abhängigkeit. Als An­teils­eig­ne­r*in­nen sind Land­wir­t*in­nen stärker an die Molkereien gebunden. Von ihren Mitbestimmungsrechten können sie dabei kaum Gebrauch machen.

„Man kann nicht gleichzeitig Milchbauer sein und die Geschäfte der Molkerei überblicken“, so Fol­denauer. Zudem würden diese vor drohender Insolvenz warnen, wenn Land­wir­t*in­nen bessere Bedingungen fordern.

Der geringe Einfluss sinkt weiter, je größer die Molkerei wird, sagt auch EU-Politiker Häusling „Machen wir uns nichts vor: Die Mega-Molkerei wäre ein Industriebetrieb mit Bauern als bloßen Rohstofflieferanten.“ Bereits heute sei die Marktstellung großer Molkereien so groß, dass es für Bäue­r*in­nen in Norddeutschland kaum möglich sei zu wechseln, so Foldenauer.

DMK und Arla würden nach der Fusion etwa 12.000 Mitglieder umfassen. Die Vergrößerung der Molkereien führe zudem dazu, dass diese vermehrt auf billige Massenware für den Weltmarkt setzen, sagt Matthias Lambrecht von Greenpeace. „Das ist eine Gefahr für bäuerliche Landwirtschaft, Tierwohl und Klimaschutz.“

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6 Kommentare

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  • Zu große Molkereien sind nicht die Gefahr für die Landwirtschaft, es ist die Allmacht der Handelsriesen des Lebensmitteleinzelhandels. Durch über 80% Marktanteil der vier großen Ketten haben diese praktisch eine Monopolstellung. Von dem Geld, das ein Verbraucher für 1 Liter Milch in einem Geschäft ausgibt, gehen 45% an den Handel, 25% an die Molkereien und 30% an die Landwirte. Wenn man wirklich Interesse hätte das es den Landwirten besser geht muss man die Marktbeherrschende Macht der Handelsriesen brechen.

  • Und die Molkerei wiederum, ist den Ketten ausgesetzt. Und wenn man so weit geht, über Preisregulierung zu sprechen, dann kaufen mehr Molkereien Milch aus Nachbarländern.

    So oder so, solche Thematik für mich auch mal was für ordentliche parlamentarische Runde, also, wenn man davon ausgeht, dass ein Trend in Richtung von alle Äcker Eigentum von paar Briefkastenfirmen, welche ggf. für eigenen Markt auf anderem Kontinent produzieren - das sowas nicht eine plausible Landwirtschaftspolitik darstellt.

  • In der Landwirtschaft läuft leider so einiges schief. Ich kenne keine andere Branche, wo der Käufer und nicht der Produzent/Verkäufer den Preis bestimmt. Und dann der Staat mit Subventionen einspringen muss. Verkehrte Welt...

    • @Micha.Khn:

      Denken Sie mal an die Abwrackprämie etc., nicht getragene Umweltkosten und Straßenbau teils aus öffentlichen Kassen beim Auto.

      Ein Preis oberhalb der Zahlungsbereitschaft von Käufern wäre ansonsten nicht langfristig durchzuhalten. Konkret könnte die Milch aber gerne einen höheren Preis ansetzen, auch aus ökologischen Gründen.

    • @Micha.Khn:

      ... Arbeits(kräfte)markt. ;)



      Um mal ein bisschen Marx in den Kommentarbereich zu bringen.

  • Der Bauernverband hat jahrelang, jahrzehnte lang nichts dagegen getan.

    Der Bauernverband hätte von den Nachkriegsjahren an für echte genossenschaftliche Molkereien sorgen können, um die Erzeuger stärker an der Wertschöpfung zu beteiligen.

    Stattdessen wurde auf Menge gedrängt.

    Das Ergebnis sehen wir jetzt.