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Image und Wirkung von Crystal MethHöher, schneller, weiter

Crystal Meth ist nicht die schlimmste Droge der Welt, aber auch nicht harmlos. Die User-Zahl steigt: Mütter, Leistungsträger, Hedonisten.

Das ist kein Reis. Sondern N-Methylamphetamin (Crystal Meth). Foto: dpa

Berlin taz | Jede Droge hat ihr eigenes Image – und das von Crystal Meth ist besonders schillernd. Für die einen, also die Bild-Zeitung ist es die „Hitler-Droge“, weil die Substanz Methamphetamin zu Beginn des Zweiten Weltkrieges an Soldaten verteilt wurde, als handele es sich dabei um Bonbons. „Panzer-Schokolade“ und „Stuka-Tabletten“ nannte man das Produkt, das unter der Bezeichnung „Pervitin“ zunächst frei erhältlich war und erst in den 1940er Jahren rezeptpflichtig wurde. Aus den Apotheken verschwand das mit Speed vergleichbare, aufputschende und das Selbstbewusstsein stärkende Mittel erst 1988.

Für andere ist die illegale Droge das Symbol für eine der besten amerikanischen Action-Serien ever – „Breaking Bad“. Um seine Familie ernähren zu können, stellt der an Krebs erkrankte Chemielehrer Walter White Crystal Meth her; die Herstellungszutaten bekommt er in der Apotheke – Ephedrine, die in Husten- und Schnupfenmitteln enthalten sind, werden mit Jodwasserstoff reduziert. Banaler ist nur die Produktion des auch als K.-o.-Droge bekanntem GHB, Liquid Ecstasy, das man aus Felgenreiniger herstellen kann.

Ähnlich dem GHB wirkt Crystal Meth allerdings auch sexuell ausgesprochen stimulierend (weit über den aphrodiasierenden Effekt von Cannabis hinaus), weshalb die Droge insbesondere in den urbanen schwulen Szenen von London bis Berlin beliebt ist. „Tina“ wird Crystal dort genannt und gerne injiziert, insbesondere im Rahmen von privat und digital organisierten Sex-Orgien, die manchmal mehrere Tage dauern.

Berüchtigt ist Crystal Meth in schwulen Zusammenhängen vor allem, weil sich viele Männer unter dem Einfluss der Droge mit HIV oder Hepatitis C infizieren – die künstlich verstärkte Hypergeilheit überlagert allzu häufig das Bewusstsein für Safer Sex.

Alles ist einfach schön

Ein Gramm Crystal Meth kostet bei Dealern in Berlin zwischen 100 und 150 Euro. Konsumiert man diese Menge im Rahmen einer Orgie, reicht das nach Auskunft eines Konsumenten, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, für höchstens eine Nacht. „In Berlin konsumieren das unglaublich viele Leute. Wenn man das nimmt, ist einfach alles schön. Man kann seine Arbeit schneller machen, man hat mehr Ideen. Und man verliert das Zeitgefühl“, berichtet er.

Wenn man als Konsument so aussehen möchte wie auf den berüchtigten „Meth-Head“-Bildern, die aus Präventionsgründen verbreitet werden (z.B. auf crystalmethaddiction.org), muss man die Droge allerdings in großen Mengen und über einen längeren Zeitraum nehmen. Und so wie es Menschen gibt, die diese Substanz relativ gut vertragen und nicht sofort abhängig werden, gibt es andere, die schon nach dem ersten Konsum in die Falle gehen: Der Absturz beim Runterkommen von Meth ist gehörig, „dunkler als ein dunkles Loch“, das Verlangen nach erneuter Aufhellung entsprechend groß. Ein Kreislauf setzt sich in Gang, an dessen Ende nicht nur die Zähne, sondern auch die Seele ruiniert sind.

Leistungsfähigkeit und erfolgreich sollen wir sein – und zugleich unglaublich viel Spaß haben.

So schillernd das Image von Crystal Meth ist, so verschieden sind auch die Anwendungsmethoden. Junge Mütter nehmen Crystal Meth, um nach der Schwangerschaft schneller abnehmen zu können. Berufstätige schnupfen es, um länger und effizienter arbeiten zu können – praktisch sowohl für hochbezahlte „Leistungsträger“ als auch für Prekäre mit drei Jobs. Höher, schneller, weiter. Andere nehmen es am Wochenende, um zwei Tage hintereinander Fun im Club zu haben. Oder ewig dauernden, tierisch geilen Sex – an dessen Ende allerdings biochemisch bedingt meist kein kosmischer Orgasmus wartet, sondern bloß wundgescheuerte Geschlechtsorgane.

Sex, Crime, Tod einerseits, die Banalität einer Funktionsdroge anderseits – all das verbindet sich mit dem Begriff Crystal Meth. Und doch ist die Beliebtheit der Substanz gar nicht so verwunderlich, verspricht sie doch die Erfüllung all dessen, was gesellschaftlich als erstrebenswert gilt. Leistungsfähigkeit und erfolgreich sollen wir sein – und zugleich unglaublich viel Spaß haben. Erst dann gilt ein Leben als gelungen.

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12 Kommentare

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  • Crystal Meth ist eine der schlimmsten Drogen, die es auf dieser Welt gibt. Man darf die "positiven" Effekte wie Leistungsteigerung auf keinen Fall beschönigen. Mein bester Freund, ein leben lang ein "normaler" Mensch, ist in die Abhängigkeit geraten und daran fast zu Grunde gegangen. Lange wusste niemand bescheid und lange wollte er sich nicht helfen lassen. Ich habe dies noch nie erlebt, das eine Droge einen Menschen so verändert und kaputt macht. Das Image von Crystal Meth darf nicht beschönigt werden, auch wer kleine Mengen konsumiert oderm it sich führt ist kein Vorbild mehr und muss die Konsequenzen tragen.

  • Danke für diesen Artikel.

    Ich finde es erschreckend wie die Abstinenzprediger mit ihrer verteufelnd, dogmatischen Propaganda, jegliche argumentativ fundierte Diskussion im Keim zu ersticken versuchen. Besonders betroffen hat mich die persönliche Erfahrung gemacht, dass mein Partner unsere Beziehung in Frage gestellt hat, sollte ich nicht augenblicklich aufhören dieses Teufelszeug zu verharmlosen.

     

    Ich bin, außer gelegentlich Alkohol, derzeit kein User irgendwelcher Drogen. Bin aber der Überzeugung, dass, gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen, nur ehrliche und fundierte Aufklärung hilft um sie vor den negativen Folgen der gesamten Drogenthematik zu schützen. Das Thema ist zu wichtig als das man mit Übertreibungen jeder Art seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt.

    • @Amie:

      Es handelt sich sowieso nicht um "Drogenthemen", sondern ausschließlich um Gesellschaftsthemen. Wie gehen wir mit Rausch um, mit dem Irrationalen, der Ekstase, dem Spirituellen und dem Tod? Diese Fragen ergeben die Antworten, nicht "Wie gehe ich vernünftig mit Drogen um?". Nicht mit den Drogen muß umgegangen werden, sondern mit den Potenzialen (positive wie negative) unseres Geistes, die sie wecken.

  • Übrigens verteilten auch die Alliierten solche Wachmacher an ihre Soldaten, Schiffsbesatzungen und Flieger. Oder glaubt hier jemand, die führten eine Feld-Stempeluhr mit und haben nach 8 Stunden Kampf pünktlich Feierabend gemacht? Anscheinend ist nicht nur die BILD etwas unterinformiert.

  • 2G
    2097 (Profil gelöscht)

    Auf alle Fälle eine ruinöse Droge (körperlich/seelisch/finanziell) für Konsumenten und deren Angehörige:

    https://www.youtube.com/watch?v=ZXiS3qsNC-A

     

    In diesem Zusammenhang von Liberalisierung zu sprechen ist von einem Politprofi wie Herrn Beck etwas sehr ungeschickt formuliert, auch wenn damit der liberale Umgang mit den Konsumenten gemeint sein sollte.

    • @2097 (Profil gelöscht):

      Es ist vollkommen richtig in diesem Zusammenhang von Liberalisierung zu sprechen. Oder besser Regulierung.

      Gerade weil das Zeug gefährlich ist.

       

      Schwangerschaftsabrüche, operative Eingriffe oder Prostitution werden bestimmt auch nicht besser, wenn sie illegal in irgendwelchen dreckigen Kellern von zwielichten Gestalten mit dem Hang zur Gewaltkriminalität durchgeführt werden.

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @clarafcks:

        Na das ganze Thema Liberalisierung/Legalisierung ist doch etwas komplexer, als Sie es versuchen darzustellen. Und Liberalisierung mit Regulierung gleichzusetzen ist nicht korrekt. Das passt von den Begriffsdefinitionen nicht. Und keine Partei im Bundestag setzt sich für die Liberalisierung/Legalisierung von Crystal Meth ein.

        Und "Schwangerschaftsabbrüche, operative Eingriffe oder Prostitution" mit Drogenkonsum gleichzusetzen, ist auch irgendwie nicht besonders hilfreich.

        • @2097 (Profil gelöscht):

          ... zeigt aber wohin Kriminalisierung führt.

          Das es nur mit Legalisierung auch eine Regulierung geben kann ist eindeutig, aber wer setzt das gleich?

          Das eine führt zu dem anderen. Prohibition bedeutet das es keine Regulierung gibt. Ein Bestrafung ist keine Regel.

  • ....Hmmmm... im grunde sind Drogen schon immer ein Begleiter des Menschen gewesen. Ob Tabak, Hasch, Opium, Alkohol oder Crystal Meth. Man hört und liest immer wieder von den Motiven warum Menschen verstärkt zu solchen Drogen greifen. Meiner erachtens der Schlüssel um nicht dem Drogenkonsum zu verfallen darin das sich die Menschen einfach zu wenig Zeit füreinander nehmen ! Es fängt in der Erziehung an und zieht sich durchs ganze Leben , von Leistungsdruck in der Schule über Erfogsdruck im Job bis hin zum perfekten Lifestyle in Partnerschaft, Sport und Look. ( siehe Burnoutrate ) Seit einigen Jahren laufe ich nicht mehr diesem ganzen Mist hinterher und habe mei eigenes Timing gefunden. Unglaublich was für schöne und wertvolle Beziehungen man aufbauen kann wenn man sich WIRKLICH Zeit für einander nimmt... Menschen mit denen man eine Sprache spricht sind schöner als jede Droge !!!!

  • Dachte eigentlich Crystal und Meth sind zwei ganz unterschiedliche Drogen, Meth wie Wahrheitsgemäß berichtet wurde als Pervetin in Aphoteken gehandelt und kann meiner Erfahrung nach nicht aus Hustenmittel oder Allergiemedikamenten hergestellt werden...........oder sehe ich das falsch,

    • @Mj Jung:

      crystal meth, crystal und meth sind Trivialbezeichnungen für Methamphetamin, Pervitrin war ein Handelsname für eben diese Substanz.

      Und ja, Methamphetamin kann aus den ephidrinartigen Bestandteilen in Schnupfen- oder Allergiemitteln hergestellt werden.

  • 1000mg die Nacht- Holla die Waldfee- da steckt man aber schon tief drin (in der Sucht).

    Der Artikel ist bisschen auf Sex getrimmt, aber nüchtern. Was mir zu kurz kam ist, dass Meth als Alltagsdroge bei jungen Müttern schon relativ verbreitet ist. M.M.n liegt das an der zunehmenden Vereinsamung derer, die den little helper als Ersatzstimulanz für echte Sozialkontakte zur Erledigung ihrer Hausarbeit und "Erziehung" gebrauchen.

    Wichtig ist aus meiner Sicht auch die genannte Unbrauchbarkeit als Aphrodisiakum, bei der der Orgasmus meist ausbleibt, ähnlich Marihuana, bei dem wiederum dieser nur darin besteht, anschließend den Kühlschrank leer zu essen. Was für´n Sex !