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Im Kampf für Demokratie in BelarusKampf der Farben

Ein Bauwagen als Botschaft „der freien und demokratischen Republik Belarus“. Damit demonstriert Taras Siakerka, Aktionskünstler, in Berlin.

Taras Siakerkas Kunstprojekt „Botschaft der freien und demokratischen Republik Belarus“ Foto: Robert Conrad

Berlin taz | An der Straße entlang des Treptower Parks, die man auch als Bundesstraße 96a kennt, wehen zwei Fahnen eines europäischen Landes. Die eine ist in Rot und Grün gehalten und am linken Rand mit einem rot-weißen Stickmusterornament verziert, die andere zeigt Weiß-Rot-Weiß. Die eine gehört zu einem Villen­ensemble, das daran erinnert, warum diese Gegend Anfang des 20. Jahrhunderts als eine bessere galt; die andere Fahne weht über einem Holzanhänger, der, irgendwie passend zu der folgenden Geschichte, einmal eine Sauna beherbergt hat.

Die Villen gehören seit 1996 zur offiziellen Botschaft der Republik Belarus, in dem Wagen residiert seit vorigem Herbst das Kunstprojekt „Botschaft der freien und demokratischen Republik Belarus“. Sein Initiator Taras Siakerka ist einer, der von sich sagt, dass er in seinem Leben nie vorhatte, eine Fahne aufzuziehen. Aber, meint er, momentan ist die weiß-rot-weiße ein Symbol des Widerstands.

Protestmarsch

Der belarusische Diaspora-Verein Razam meldet für Sonntag, den 07. Februar, einen Marsch der Solidarität mit Belarus. Ausgangspunkt der Aktion ist am Mauerstück Potsdamer Platz, Start um 13:00 Uhr.

Vorigen Sommer tat Siakerka, was er bis jetzt regelmäßig einmal im Jahr tat. Er, der seit 19 Jahren in Deutschland lebt, fuhr in seine Heimatstadt Gomel im Südosten von Belarus, eine Autostunde nördlich von der Ukraine, eine westlich zu Russland. Diesmal ließ er seine Kinder zu Hause.

In Belarus hatte sich Anfang August der seit 1994 amtierende Präsident Alexander Lukaschenko zur Wahl gestellt, die er amtlichen Ergebnissen zufolge mit hohen Prozentzahlen gewonnen hatte. Nicht wenige von Lukaschenkos Landeskindern waren und sind da anderer Meinung; sie haben den Staat als beleidigten Vormund erlebt, der um sich schlägt, foltert und schießt. Siakerkas Schwester, seit Jahren politisch aktiv, wurde verhaftet, nicht zum ersten Mal. Dieser Tage erwartet sie ihren Prozess. Als ihr Bruder zurück nach Berlin fuhr, wusste er bereits, dass er eine Mahnwache ins Leben rufen würde.

Botschaften als Botschaft Foto: Robert Conrad

Dabei ist Taras Siakerka als Jugendlicher an Politik erst mal wenig interessiert gewesen. 1991, in dem Jahr, als die Sowjetunion auseinanderging, war er 14 Jahre alt. Seit seinem fünften Lebensjahr hatte er das Riesenreich als Mitglied eines Tanz-Ensembles durchquert, jetzt fand er sich in einem unabhängigen Land wieder, das sich zur Staatsflagge ebenjene wählte, die Siakerka über seinem Saunawagen wehen lässt. „Da wurde vieles in eine nationalistische Richtung geschoben“, sagt er. Und der jetzige Machthaber habe durchaus damit gespielt.

Siakerka sollte diese Zeit vernünftig verbringen, bis zur Einberufung in die Armee verlustierte er sich in der Rock- und Punkszene Gomels und kam mit anarchistischem Gedankengut in Berührung. Eins ist ihm heute noch wichtig: „Ich nenne mich nicht Anarchist. Ich versuche, einer zu werden.“

Siakerkas Botschaftswagen hat etwas von einem Infoladen, einem allerdings, in dem sich Liebespaare trauen lassen können. Sogar einen Pass gibt es. Er wird kostenlos ausgestellt, Spenden sind willkommen. Eine Bedingung stellt Siakerka potenziellen Inhabern aber doch: „Wenn du die Diktatur als solche und explizit die Lukaschenko-Diktatur ablehnst, darfst und kannst du die Bürgerschaft der freien demokratischen Republik Belarus bekommen“, heißt es in den Regularien, die er an eine der Außenwände gepinnt hat.

Roman Bondarenko ging raus und kam nicht zurück

Überall sind Poster und Flyer, zentral und frontal ist ein Plakat. Es zeigt die Rückenansicht eines jungen Mannes, über ihm die Worte: „Ich gehe raus!“ Das hatte der Minsker Maler Roman Bondarenko am 12. November 2020 in einem Nachbarschafts-Chat geschrieben und seine Worte wahr gemacht. Noch am selben Abend erlag er in einem Krankenhaus den Verletzungen, die ihm Sicherheitskräfte des Regimes zugefügt hatten. Unmittelbar danach hatte Taras Siakerka seine Fahne halbmast gehisst und Trauerflor angebracht; am nächsten Tag musste er die Beflaggung beschädigt und geplündert vorfinden.

Ein Einzelfall, sagt Siakerka. Die meisten Leute, die an seinem Wagen vorbeikommen, bekunden Solidarität. Einige Häuser weiter haben Nachbarn sogar Weiß-Rot-Weiß geflaggt.

In Belarus reicht es bereits, Unterwäsche in dieser Farbenfolge zum Trocknen aufzuhängen, um eine Anklage für das Ausrichten einer illegalen Kundgebung zu kassieren, berichtet der FAZ-Korrespondent Felix Ackermann in einem Artikel, der genau an dem Tag erschienen ist, als Taras Siakerka mit der taz spricht.

Ackermann schreibt weiter, wie sich Staat und Opposition mittlerweile gegenseitig als Faschisten beschimpfen. Weiß-Rot-Weiß ist in den staatlichen Medien Signum der Nazikollaboration von 1941 bis 1944. Quer unter der Dachtraufe von Siakerkas Wagen hängt ein Transparent mit der Aufschrift: „Das Konzentrationslager Okrestino-Minsk muss fallen.“

Der Jargon der Machthaber

Die Haftanstalt Okrestino ist für die traumatisierende Gewalt berüchtigt, die Gefangenen der Proteste dort zugefügt worden ist. Siakerka räumt ein, dass das Untersuchungsgefängnis kein KZ ist. Er betont aber auch: „Das ist, was wir spontan fühlen.“ Der Jargon der Machthaber, nachzulesen in den Artikeln, die Sia­kerka ausgehängt hat, macht seine Worte verständlich.

Damit politische Gefangene Post bekommen können, verteilt Siekierka Grußkarten. Dabei schaut er über die Straße, zur offiziellen Botschaft von Belarus in den Villen. Zu ihr gehört ein Buddy Bear, eine jener künstlerisch gestalteten Bärenskulpturen, die in Berlin Firmenfoyers und private Gärten, Hotels und diplomatische Vertretungen schmücken. Der Belarus-Bär steht hinter einem Metallzaun, auf seiner Bauchschärpe trägt er die offizielle Landesflagge und eine Europafahne ineinander verwoben. An seiner rechten Flanke ist er verwundet, auf einen verschorften Einschuss ist ein Radioaktivitätszeichen gelegt.

Taras Siakerka, es war in seiner Kindheit, als Tschernobyl in die Luft ging, zählt auf einer Kreidetafel die Protesttage von Belarus. An diesem Wochenende werden es über 180 sein. „Ich werde das nicht ewig machen müssen“, sagt Siakerka. „Und dann war’s das auch mit der Fahne.“

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