Illegale Rückführung Geflüchteter: Ministerium bestreitet Pushbacks
Geflüchtete berichten, deutsche Polizisten hätten sie rechtswidrig nach Österreich zurückgebracht. Das Innenministerium bezweifelt das.
Die Vorwürfe, deutsche Polizisten hätten Geflüchtete illegalerweise zurück nach Österreich gezwungen, stammen von Ende Mai. Der Bayerische Flüchtlingsrat, die Organisation Pushback Alarm Austria und das Border Violence Monitoring Network hatten damals Berichte von insgesamt sechs Betroffenen veröffentlicht. Einer der Geflüchteten schilderte etwa, wie er von deutschen Polizist*innen einfach in Österreich auf der Straße ausgesetzt worden sei. Andere berichten, sie seien der österreichischen Polizei übergeben worden.
Illegal ist das, weil alle Geflüchteten berichten, sie hätten klar und im Beisein von Übersetzer*innen den Wunsch geäußert, Asyl zu beantragen. In diesem Fall ist Deutschland verpflichtet, einen solchen Antrag aufzunehmen und zu bearbeiten. Das gilt auch dann, wenn der Antrag aller Voraussicht nach abgelehnt wird, weil sich Geflüchtete nach dem Dublin-System dort um Asyl bemühen müssen, wo sie zuerst EU-Boden betreten haben.
Das Bundesinnenministerium bestreitet aber nun, dass die vier Geflüchteten, die man habe identifizieren können, tatsächlich die Bitte um Asyl geäußert hätten. Das Ministerium schreibt: „In keinem dieser Fälle liefern die gefertigten Dokumente zum Feststellungsbericht, zur strafrechtlichen Vernehmung oder die Anhörung zur Einreiseverweigerung/Aufenthaltsbeendigung Hinweise auf eine Asylabsicht in Deutschland.“ Dann hätte es sich nicht um illegale Pushbacks, sondern um legale Rückführungen gehandelt.
Grünen-Abgeordneter Pahlke ist nicht überzeugt: „Die betroffenen syrischen Geflüchteten berichten, dass sie ein Asylgesuch geäußert haben oder das zumindest versucht haben und trotzdem nach Österreich zurückgewiesen wurden“, sagt er. „Die Beamt:innen der Bundespolizei müssen hinreichend geschult sein und es müssen ausgebildete Sprachmittler:innen zum Einsatz kommen, damit aufgegriffene Personen ohne Einschränkungen ein Asylgesuch äußern können und die entsprechenden Verfahren eingeleitet werden.“
Pahlke kritisierte erneut auch die generelle Praxis der Grenzkontrollen: „Die Binnengrenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze sind reine Symbolpolitik“, so Pahlke. „Sie schaden der Wirtschaft, sind eine Belastung für die Menschen vor Ort und es fehlen benötigte Einsatzkräfte der Polizei an anderer Stelle.“ Und: „Binnengrenzkontrollen haben in einem offenen Europa nichts zu suchen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften