piwik no script img

Ich und mein neuer RomanDas Druckkosten-Debakel

Ich bin von der Türkei nach Armenien gefahren, weil das Drucken dort billiger ist. Von da sollte es über den Iran nach Griechenland gehen. Dachte ich.

Ob hier auch Osmans neuer Roman in türkischer Übersetzung angeboten wird? Es kann nur eine Frage der Zeit sein Foto: Bernd Thissen/dpa

M it meinem hochexplosiven Roman-Manuskript bin ich in die Türkei gefahren, um es dort billiger drucken zu lassen.

Im meinem Dorf lachen sich alle kaputt, als sie hören, wie wenig Geld ich habe, um in der Türkei ein Buch mit zweiundsiebzig Exemplaren drucken zu lassen.

„Mensch, Osman, mit dem bisschen Geld kannst du hier nicht mal ein einziges Buch kaufen, geschweige denn drucken lassen. Fahr doch über die Grenze nach Armenien“, schlagen sie vor.

„Nach Armenien? Wieso nach Armenien?“, frage ich völlig verdattert.

„Aber ja! In Eriwan ist es doch im Bordell billiger“, grinsen sie geheimnisvoll.

„Druckt man dort die Bücher etwa im Bordell?“, frage ich erstaunt.

„Wir kennen uns nur mit Preisen in Bordellen aus. Aber in einem Land, wo es im Bordell billig ist, da ist alles billig“, rufen sie selbstsicher.

Man lernt nie aus!

An der armenischen Grenze werde ich angehalten, weil man das türkische Manuskript für aserbaidschanisches Propaganda-Material hält. Die Übersetzung ins Armenische dauert in Eriwan auch nur neun Tage.

Auf der gleichen Stufe mit Goethe

Um mir die Wartezeit zu verkürzen, stelle ich an Radio Eriwan folgende Frage:

„Stimmt es, dass die Schriftsteller im gesamten Orient ständig Angst haben, ins Gefängnis zu kommen?“

„Im Prinzip nein“, antwortet Radio Eriwan, „denn die fühlen sich dort längst wie zu Hause!“

Der Druck des Buches dauert nicht allzu lange; pro Tag etwa eine Seite.

„Um mit Ihrem Geld auszukommen, mussten wir an Ihrem Manuskript leichte Kürzungen vornehmen“, erklärt man mir in der Druckerei.

Als ich dann endlich mein acht Seiten starkes türkisches Kunstwerk in den Händen habe, das mal 321 Seiten lang und auf Deutsch war, bin ich fast verrückt vor Freude. Ich stehe auf der gleichen Stufe mit Goethe, Shakespeare, Viktor Hugo und Dieter Bohlen!

Auf der Heimfahrt ist die armenisch-türkische Grenze mal wieder geschlossen, und ich muss einen kleinen Umweg über den Iran nehmen. Deswegen bekomme ich mein Buch auch noch ins Persische übersetzt. Die fünf Tage in Teheran waren sehr, sehr heiß; besonders in meiner Zelle. Ich würde niemandem empfehlen ein Land im Kriegszustand zu besuchen.

Als ich endlich in meinem Dorf ankomme, ist mein Jahresurlaub schon zu Ende.

Auf der Rückfahrt nach Deutschland erfreut sich mein Kunstwerk auch noch einer griechischen Übersetzung. Während der vier Tage, die wir an der griechischen Grenze im Auto warten, bin ich sehr stolz darauf, bald ein Buch in der Sprache von Plato, Sokrates und Kosta Cordalis zu besitzen.

„Wir haben Ihr Buch übersetzt, aber damit dürfen Sie in Griechenland nicht einreisen“, erklärt mir der Beamte höflich. „Wir haben in unserem Lande eine höchst unruhige türkische Minderheit. Das Risiko können wir nicht eingehen!“

„Ich verstehe“, sage ich und mache eine wichtige Schriftsteller-Miene wegen der vielen Fernsehkameras. Die sind gerade dabei, einen LKW voller Drogen zu filmen.

„Was habe ich denn so Gefährliches geschrieben?“, frage ich nicht ganz ohne Stolz.

„Darum geht´s doch gar nicht! Aus Prinzip können wir unmöglich einen Türken ins Land einreisen lassen, der lesen und schreiben kann!“, sagt er.

Der LKW darf weiterfahren, wir müssen umkehren!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!