Ibiza-Skandal in Österreich: Großes Kino?
Das Video, der 2019 den damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Fall brachte, liegt in voller Länge vor. Das Interesse ist groß.
Ein sieben Minuten langer Zusammenschnitt, den Der Spiegel und die Süddeutsche vor einem Jahr online gestellt hatten, brachte den damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und in der Folge die gesamte Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) zu Fall.
Nächste Woche nimmt in Wien ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, der die Ibiza-Affäre aufarbeiten soll, seine Arbeit auf. Die Abgeordneten fordern jetzt Zugriff auf das mehr als zwölf Stunden umfassende Bild- und Tondokument aus der inzwischen berühmten Finca auf der Baleareninsel.
Schon Anfang der Woche machte das mit den Ermittlungsbehörden gut vernetzte Boulevardblatt Kronen Zeitung mit einem Schwarzweißfoto von Alyona Makarowa auf. So nannte sich die vorgebliche Oligarchennichte, die auch gerne als „Lockvogel“ bezeichnet wird. Inzwischen wurden Bilder von ihr an alle Medien versandt.
Klarname noch unbekannt
Viele Zeitungen und auch der ORF brachten die Fotos unverpixelt. Nach der Frau, deren wirklicher Name noch unbekannt ist, wird gefahndet. Schließlich habe sie sich mutmaßlich der Dokumentenfälschung schuldig gemacht. Der als Russisch-Übersetzer fungierende damalige FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus war auf einen falschen Pass hereingefallen.
Heinz-Christian Strache, der in seiner Partei in Ungnade gefallen ist aber im Oktober mit einer eigenen Liste bei den Wiener Gemeinderatswahlen antreten will, äußerte sich am Mittwoch auf Facebook erfreut über den Fund des Videos. Er verspricht sich davon eine Entlastung.
Denn die bisher veröffentlichten Ausschnitte, auf denen er der vermeintlichen Millionärin wirtschaftliche Vorteile zusichert, wenn sie seine Partei sponsere und ihn in die Regierung bringe, seien „aus dem Zusammenhang gerissen“.
Süddeutsche-Redakteur Bastian Obermayer, einer der Journalisten, der das Video am 17. Mai 2019 öffentlich gemacht hatte, glaubt in einem Interview mit der Tageszeitung Der Standard nicht, dass Strache von einer kompletten Veröffentlichung profitiert: „Sicher nicht, und ich glaube auch nicht, dass das seine ehrliche Meinung ist“. Schließlich habe er von sich aus illegale Deals vorgeschlagen.
Nicht von öffentlichem Interesse
So sieht es wohl auch Johann Gudenus, der ein gerichtliches Verbot der Veröffentlichung anstrebt. Die Aufdecker sind der Meinung, dem stehe ohnehin das deutsche Medienrecht entgegen, weil viele Aussagen, die Persönlichkeitsrechte von anderen beträfen, nicht von öffentlichem Interesse seien.
Strache soll unter anderem Gerüchte über das Sexualleben seines späteren Koalitionspartners Sebastian Kurz (ÖVP) und des damaligen SPÖ-Chefs Christian Kern zum Besten gegeben haben.
Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der den Untersuchungsausschuss leiten wird, spricht nichts dagegen, dass die Parlamentarier das Video in voller Länge zu sehen bekommen.Derzeit liegt es aber noch bei der Polizei.
Die Voraussetzungen für neue Erkenntnisse durch den U-Ausschuss sind indes nicht die besten. Drei wesentliche Zeugen, von denen Strache im Video behauptet, sie würden die Politik kaufen, wollen mit Hinweis auf ihre Zugehörigkeit zur Corona-Risikogruppe nicht erscheinen: Die Kaufhausmilliardenerbin Heidi Horten, der Pistolenfabrikant Gaston Glock und der Chef des Glücksspielkonzerns Novomatic Johann Graf.
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