Ibiza-Affäre in Österreich: Schnee von gestern
In Österreich hat die Soko zur Ibiza-Affäre einen Zwischenbereicht vorgelegt. Dafür wurden auch bisher unbekannte Videos ausgewertet.
Sie dokumentieren Treffen des damaligen FPÖ-Fraktionschefs Johann Gudenus mit den Machern des Ibiza-Videos, dessen Veröffentlichung im Mai 2019 zum Rücktritt von Heinz-Christian Strache als Vizekanzler und FPÖ-Chef geführt hatte. Die ÖVP-nahe Tageszeitung Kurier veröffentlichte am Mittwoch Auszüge aus dem ihr zugespielten Zwischenbericht.
Daraus geht unter anderem hervor, dass schon Monate vor dem berüchtigten Treffen auf einer Finca auf Ibiza vom Verkauf des Boulevardblatts Kronen Zeitung an eine vermeintliche russische Oligarchennichte die Rede war. Strache hatte davon geschwärmt, wie man dann unliebsame Redakteure „zackzackzack abservieren“ könne.
Eine Aussage, die er später dem intensiven Konsum von Red-Bull-Wodka zuschreiben wollte. Jetzt weiß man, dass schon Gudenus – in nüchternem Zustand – eine solche Investition der potenziellen Milliardärin anbahnen wollte.
Regelmäßige Drogentests
Der Kurier bringt außerdem Screenshots, die Gudenus zeigen, wie er sich durch ein Röhrchen eine Substanz in die Nase zieht, gefilmt in der Suite eines Wiener Luxushotels von den Mittelsmännern der angeblichen Russin. Mutmaßungen, es könnte sich um Kokain handeln, wies Gudenus' Anwalt Heinz-Dietmar Schimanko gegenüber dem Kurier zurück. „Selbst wenn es so wäre, wäre das sein höchstpersönlicher Lebensbereich. Dazu gibt es nichts weiter zu sagen, er hat sich auch regelmäßig auf Drogen testen lassen, weil es entsprechende Gerüchte gab.“
Die Staatsanwaltschaft Wien hat ihre Ermittlungen eingestellt – wegen Verjährung. Gudenus selbst war nur für die Gratiszeitung Heute erreichbar. Sie zitiert ihn mit den Worten: „Das ist Schnee (sic!) von gestern.“ Die Aufnahmen könnten erklären, warum sich Gudenus, anders als Strache, gänzlich aus der Politik zurückgezogen hat.
Die Kriminalpolizei hat Ende April einen Datenträger mit mehr als zwölf Stunden Video- und Tonaufnahmen erbeutet. Sie fand einen Mikro-Chip hinter einer Steckdose. Dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der vor zwei Wochen mit der Befragung von Strache und Gudenus seine Arbeit aufnahm, liegen die Videos noch nicht vor. Sie seien noch nicht komplett ausgewertet, argumentiert das ÖVP-geführte Innenministerium.
Der Berliner Anwalt Johannes Eisenberg, der den Detektiv Julian H., einen der Drahtzieher des Ibiza-Videos, vertritt, hat dem U-Ausschuss angeboten, das komplette Video zu liefern. Ausschussvorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat das abgelehnt. Er dürfe ein rechtswidrig zustande gekommenes Beweismittel nicht annehmen.
Christian Hafenecker, Vertreter der FPÖ im U-Ausschuss, sieht das als Ausrede. In der Veröffentlichung der Fotos von Gudenus erkennt er im Übrigen einen „ÖVP-Masterplan“. Es gehe darum, so Hafenecker in einem Kommuniqué, „die Aufmerksamkeit von der Involvierung des ÖVP-Kanzlers und seines engsten Umfelds in den schwarzen tiefen Staat wegzulenken“.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!