Ibiza-Affäre als Serie: Realität schlägt Fiktion
Sky kündigt eine Serie über die Ibiza-Affäre an. Aber wie kann man eine Geschichte fiktionalisieren, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist?
Politserien haben einen ganz eigenen Charme. Serien wie die dänische Produktion „Borgen“ zeigen, wie es wirklich läuft hinter den Kulissen der öffentlichen Politinszenierung, welche Gedanken wirklich hinter den immer gleichen Politikerfloskeln stecken. So zumindest der Anspruch. Es versteht sich von selbst, dass auch dieses Genre das Stilmittel der Zuspitzung einsetzt. Aber das ist ja auch okay, denn es geschieht der Unterhaltung von Zuschauer:innen zuliebe.
Was aber tun, wenn die Realität schon Zuspitzung pur ist? Diese Frage muss sich nun der Streamingdienst Sky stellen, der die sogenannte Ibiza-Affäre in eine Serie übersetzen möchte. Im Mai 2019 wurde ein Video veröffentlicht, das zum Sturz der damaligen rechtskonservativen Regierung in Österreich geführt hat.
Es zeigte Heinz-Christian Strache, damaliger Vizekanzler von der rechtsextremen österreichischen FPÖ, und seinen Parteikollegen Johann Gudenus in einer Finca auf Ibiza im Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin. Bei Wodkabull tauschten die sich über korrupte Geschäftsideen aus.
Sky hat am Donnerstag angekündigt, dass die Dreharbeiten Anfang 2021 beginnen würden. Die Serie soll auf dem Buch der SZ-Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer basieren und auch „bisher unveröffentlichte Informationen“ enthalten. Die Produktion übernehmen Quirin Berg und Max Wiedemann, die auch die Berlin-Neukölln Gangsta-Serie „4 Blocks“ produziert haben.
Beide Serien unterscheiden sich auf den ersten Blick, bei beiden stellt sich aber die Frage nach der Authentizität. Während diese beim Gangsta-Streifen zumindest einen komischen Beigeschmack hatte (Was bitte bedeutet „authentisch“ bei einer Serie über ein Thema, das total mit Klischees überfrachtet ist?), fragt man sich bei der Ibiza-Serie, mit welchem Unterhaltungsmehrwert eine reale Geschichte fiktionalisiert werden kann, die an Absurdität kaum zu übertreffen ist.
Auch Sky scheint sich dieser Herausforderung bewusst zu sein: „Ein realer und handfester Politskandal, den sich ein Drehbuchautor nicht besser ausdenken könnte“, wird ein verantwortlicher Mitarbeiter in der Pressemitteilung zitiert. Dass sich diese Frage überhaupt stellt, ist traurig. Und wenn die Realität weitere solche Affären nachlegt, könnte das Genre der Politserie bald erledigt sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste