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IS aus nordsyrischer Stadt vertriebenDie Befreiung von Manbidsch

Die Stadt nahe der Grenze zur Türkei war seit 2014 unter IS-Herrschaft. Kurdische YPG-Rebellen führten die Offensive gegen die Terrormiliz an.

Nach der Vertreibung des IS: Männer schneiden sich die Bärte ab, Frauen verbrennen ihre Ganzkörperschleier Foto: reuters

Berlin taz | Erleichterung und Freude herrschten am Wochenende nach der Vertreibung des „Islamischen Staates“ (IS) aus dem nordsyrischen Manbidsch. Tausende Bewohner, die vor den Kämpfen und den Dschihadisten geflohen waren, kehrten in ihre Heimatstadt zurück.

„Die Geschäfte öffnen wieder. Heute ist der erste Tag, an dem sich das Leben wieder normalisiert“, sagte Schafan Darwisch, Sprecher der von den USA unterstützten Rebellengruppe Syrische Demokratische Streitkräften (SDF) laut der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Stadt ist jetzt unter unserer vollständigen Kontrolle, aber wir führen noch Durchsuchungsaktionen durch“, fügte er hinzu und verwies auf die Möglichkeit, dass Schläferzellen des IS noch eine Gefahr darstellen könnten.

Auf Fotos, die von der Rebellengruppe verbreitet wurden, waren Frauen zu sehen, die Kämpfer umarmten oder ihre vom IS verordneten Ganzkörperschleier verbrannten. Andere Aufnahmen zeigten Männer, die sich gegenseitig die Bärte abschnitten. Die SDF-Rebellen hatten am Freitag die strategisch wichtige Stadt unter ihre vollständige Kontrolle gebracht.

Vor dem Bürgerkrieg war Manbidsch eine Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern, die hauptsächlich von der Landwirtschaft lebte. Ihre Lage in der syrisch-türkischen Grenzregion machte Mandschib zu einem Drehkreuz von Handel und Schmuggel, auch für ausländische Kämpfer. Vom nächstgelegenen Grenzübergang Jarablus aus – dem letzten, der noch vom IS kontrolliert wird – verlief über Manbidsch eine wichtige Versorgungsroute nach Rakka, de facto die Hauptstadt des „Kalifats“ des IS in Syrien.

Die Offensive gegen die Dschihadisten, die die Stadt seit 2014 kontrollierten, begann am 31. Mai dieses Jahres und dauerte 73 Tage. Am Boden kämpften die SDF-Rebellen, mit massiver Luftunterstützung der US-geführten Militärkoalition, gegen den IS.

Wichtigster Verbündeter der USA in Syrien

Dieser stand jedoch auch unter Druck des syrischen Regimes: Dessen Verbündeter Russland legte in der vergangenen Woche mit einem Luftangriff die Wasserversorgung der Stadt lahm. Ausländische Spezialkräfte vor Ort – vermutlich Amerikaner, Franzosen und Briten – lieferten die entsprechenden Informationen für die Luftangriffe.

Die SDF ist eine der jüngeren Erscheinungen auf dem Tableau des syrischen Bürgerkriegs. Die Gruppierung wurde im Oktober 2015 als kurdisch-arabisches Bündnis gegründet und gilt als wichtigster Verbündeter der USA in Syrien. Etwa 8.000 SDF-Kämpfer nahmen an der Offensive gegen Manbidsch teil.

Vor Ort zeigt sich jedoch, dass die kampferprobten kurdischen Kommandanten der Volksverteidigungseinheiten (YPG), des syrischen Ablegers der kurdischen PKK, die Offensive anführten. Dies berichtete der britische BBC-Reporter Jiyar Gol Mitte Juni während eines Aufenthalts in der Region.

Demnach machten die kurdischen Kämpfer damals keinen Hehl daraus, dass ihr nächstes Ziel Jarablus heißt. Die Einnahme des Grenzübergangs zur Türkei würde für die Kurden bedeuten, dass Rojava – oder Westkurdistan, wie sie die Region nennen – wieder ein Stückchen größer geworden ist.

Mit der Eroberung von Jarablus würden sie ein zusammenhängendes Gebiet entlang der Grenze auf einer Breite von etwa 500 Kilometern kontrollieren. Gleichzeitig wären sie ihrem Ziel, den Kanton Kobani mit dem weiter westlich gelegenen Kanton Afrin zu vereinen, wieder ein Stück näher gerückt.

Aus türkischer Sicht ist das ein Affront, und das nicht nur, weil Ankara die PKK und die YPG als Terroristen einstuft. Nach der Befreiung von Kobani Anfang 2015 hatte die türkische Regierung den Euphrat als rote Linie für das kurdische Vorrücken in Richtung Westen definiert. Mit einer Eroberung von Jarablus durch die SDF hätten die Kurden diese Linie überschritten. Dies dürfte zu einem weiteren Konflikt zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA führen.

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