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IPCC-Bericht des WeltklimaratsDie Klimakrise ist kein Schicksal

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Der Bericht des Weltklimarats ist mehr als ein Warnsignal: Das Papier zeigt den Weg, wie die Klimakrise bewältigt werden könnte.

Potential beim Klimaschutz: Wieder vernässtes Moor in Mecklenburg-Vorpommern Foto: Jens Büttner/dpa

D ie Zusammenfassungen der Berichte aus dem Weltklimarat IPCC richten sich nicht umsonst an „Policymaker“. Auch der aktuelle Bericht zu den Auswirkungen der Erderhitzung ist Pflichtlektüre für alle EntscheiderInnen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Es sind 35 Seiten, die sich lohnen. Als Erinnerung daran, was hier gerade in atemberaubender Geschwindigkeit passiert: Arten sterben aus, Milliarden Menschen leiden unter Hunger, Krankheit, Hitzewellen, Waldbränden und dem Kollaps von biologischen Kreisläufen. Wir kennen diese Bilder.

Die Lektüre lohnt sich aber noch aus einem anderen Grund. Die AutorInnen skizzieren nämlich auch eine positive Vision: Anpassung an den Klimawandel, oft belächelt und ignoriert, kann und muss der Weg aus der Krise sein. Neben drastischen Einschnitten bei den Emissionen müssen wir Städte grüner bauen, Wälder und Moore schützen, Landwirtschaft dem Land anpassen, Wasser und Energie sparen, Mensch und Natur vor Ausbeutung schützen, Pflanzen statt Fleisch essen.

Wir kennen diese Lösungen, wir zögern nur bei der Umsetzung. Auch hier ist der Bericht hilfreich. Noch nie war er so politisch wie heute: Er spricht von globaler Gerechtigkeit, gutem Regieren, von historischer Schuld durch den Kolonialismus und davon, dass die Armen, Alten, Jungen, Kranken, Indigenen und Marginalisierten besonders leiden. Das bedeutet: Die Klimakrise ist kein Schicksal, sie wird gemacht, durch unser Tun und Lassen. Wir müssen kluge politische Entscheidungen fällen und sie dann durchsetzen und kontrollieren. Das Problem mit der Erderhitzung haben wir selbst angerichtet.

Noch können wir die schlimmsten Folgen verhindern: Beim Artenschutz auf der nächsten UN-Konferenz, bei der EU-Landwirtschaft, beim internationalen Kohleausstieg, bei einem Energiesystem nach dem russischen Gas, beim rasanten Aufbau der Erneuerbaren. Dafür braucht es schnell Entscheidungen – und EntscheiderInnen, die diese 35 Seiten nicht nur lesen, sondern mit Leben füllen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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5 Kommentare

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  • Es ist sehr bedauerlich, dass der IPCC in seinem Bericht nach irgendwelchen Schuldigen sucht. Damit überschreitet der Rat nicht nur seinen Auftrag sondern erschwert auch die Bekämpfung der Klimakrise. Dabei benennt der IPCC dann auf 35 Seiten nicht einmal das wesentliche Problem: Das Bevölkerungswachstum.

    Der Autor des Artikels übersieht hingegen eine auf der Hand liegende Massnahme zur Bekämpfung der Klimakrise: Den Ausbau der Automenergie.

    • @DiMa:

      "das wesentliche Problem: Das Bevölkerungswachstum."



      Was zu beweisen wäre. Dort wo es ein hohes Bevölkerungswachstum gibt sind die Emissionen pro Kopf idR in völlig unproblematischen Bereichen und umgekehrt liegen dort wo die Emissionen besonders hoch sind die Reproduktionsraten iA deutlich unter 2.



      Das Bevölkerungswachstum als Ursache der Klimakatastrophe zu behaupten läuft also darauf hinaus die Verantwortung dafür auf jene abzuschieben die weder historisch noch aktuell ursächlich, dafür aber am härtesten von ihr betroffen sind.

      • @Ingo Bernable:

        Genau weil die Emissionen pro Kopf (wohlgemerkt derzeit) unproblematisch sind, ist die Bevölkerungsentwicklung ein Problem. Sobald diese Gesellschaften wirtschaftlich Fahrt aufnehmen steigt auch der CO2 Ausstoß exorbitant an (siehe China, Indien, Korea, u.a.).

        Im Ergebnis stimmen wir jedoch darüber überein, dass ein solcher Bericht gar keine Ursachen und Verantwortungen benennen sollte, da der Streit darüber einer Lösung des Problems im Wege steht und somit nicht sachdienlich ist.

        • @DiMa:

          Sie wollen also den Klimawandel primär dadurch bekämpfen in den ärmsten Ländern das Bevölkerungswachstum zu bremsen und Wirtschaftswachstum zu verhindern, damit dort die Emissionen nicht steigen falls irgendwann doch mal der Wohlstand steigen sollte? Ich frage lieber gar nicht erst nach wie sie diesen Plan umzusetzen gedenken, allein die Zielsetzung ist zynisch genug.



          Emissionen müssen dort bekämpft werden wo sie besonders hoch sind und wo sie in unserer Verantwortung liegen. Punkt.

  • "eine positive Vision: Anpassung an den Klimawandel, oft belächelt und ignoriert, kann und muss der Weg aus der Krise sein."



    Allerdings - und das solte man schon in aller Deutlichkeit sagen - sind diese Anpassungen auch nur unter der Bedingung möglich, dass die Klimaschutzziele eingehalten werden. Der Bericht widmet diesen "Limits to Adaptation" entsprechend auch ein ganzes Kapitel und stellt fest, dass diese Limits je nach Sektor und Region zwar unterschiedlich ausfallen, aber es wird sehr klar ersichtlich, dass bei den 2,7° Erwärmung auf die wir derzeit im besten Fall zusteuern sehr weit über diesen Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten liegen.