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IG-Metall fordert eine Vier-Tage-WocheCorona killt den Lohnausgleich

Arbeitszeitverkürzung klingt nach Freizeit. Aber wenn sie zur Krisenbewältigung dient, dann zahlen sie die Beschäftigten.

Die Krise ist da: IG-Metall-Aktion beim Autozulieferer Flamm Aerotec in Laage im Juli 2020 Foto: Bernd Wüstneck/dpa/picture alliance

In Zeiten der Hochkonjunktur haben die Gewerkschaften das Thema Arbeitszeitverkürzung nicht auf die Tagesordnung gesetzt – jetzt, in Zeiten der Pandemie, wird aus der schönen Vision vom stressfreien Leben ein Kriseninstrument. Finanziert würde eine mögliche Senkung unter diesen Umständen wohl vor allem von den Beschäftigten.

Nicht erst in der Coronakrise gibt es das Bedürfnis, weniger zu arbeiten – etwa, wie von IG-Metall-Chef Jörg Hofmann ins Spiel gebracht, nur an 4 statt an 5 Tagen in der Woche. Der Wunsch, klassische Arbeitszeitmodelle aufzubrechen, ist in der Gesellschaft groß, sagt Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). Unternehmen sind durchaus offen dafür. „Eine Flexibilisierung finden auch die Arbeitgeber gut“, ist er überzeugt.

Die Frage ist aber, ob das bei vollem, weitgehendem oder ohne Lohnausgleich geschieht. „Es gibt derzeit in den Unternehmen sehr wenig Luft für einen großen Ausgleich“, sagt der Konjunkturexperte. Viele Firmen sind aufgrund der Coronakrise in extremen Schwierigkeiten, haben Rücklagen aufgebraucht und blicken in eine unsichere Zukunft. Sie fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, wenn sie die Arbeitszeit senken, die Löhne und Gehälter aber nicht.

Von Gewerkschaftsseite wird dagegen oft vorgebracht, dass die Produktivität der Beschäftigten steigt und sie deshalb einen vollen Lohnausgleich verdienen. Tatsächlich hat die Arbeitsdichte in vielen Branchen in den vergangenen Jahren enorm zugenommen – vor der Krise. Jetzt ist die Lage anders.

Die aktuell enorme Verbreitung der Kurzarbeit zeigt, dass zurzeit sehr viel Arbeitszeit von Unternehmen nicht benötigt wird, erklärt Michelsen. Mit Kurzarbeit können Betriebe, allerdings zeitlich befristet, immerhin Kündigungen vermeiden. „Perspektivisch kann die Reduzierung der Arbeitszeit sinnvoll sein, damit die Unternehmen ihre Belegschaften zusammenhalten können“, sagt Michelsen. Sie würden damit Kosten sparen, etwa für Sozialpläne, mit denen Entlassungen sozial abgefedert werden. Vor allem würden sie verhindern, dass sie in wenigen Jahren wieder händeringend Fachkräfte suchen. „Aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein Fachkräftemangel absehbar“, sagt Michelsen.

Ein gutes Mittel, um den Strukturwandel zu begleiten

Wie ein Lohnausgleich aussehen könnte, hängt von der jeweiligen Branche und dem Verdienst ab. Der Konjunkturexperte plädiert dafür, zu differenzieren. In der Autoindustrie oder im Maschinenbau ist die wirtschaftliche Lage schwierig, gleichzeitig verdienen die Beschäftigten mit Tarifarbeitsverhältnissen vergleichsweise gut. Anders sieht es in der Pflege oder im Gesundheitssektor aus. Dort ist die Arbeitsbelastung hoch, die Einkommen sind niedrig. „Hier ließe sich ein Lohnausgleich gut begründen“, sagt Michelsen. Fatal wäre die Senkung von Arbeitszeit und von Bezahlung für Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Hier würde der volle Lohnausgleich auch einen Teil der bestehenden Ungerechtigkeit auflösen, sagt er.

Jenseits von Krisenzeiten ist die Reduzierung der Arbeitszeit ein gutes Mittel, um den Strukturwandel zu begleiten, sagt Michelsen. Sinnvoll wäre etwa, sie auch für die Weiterbildung zu nutzen. Denn in vielen Branchen werde es aufgrund der Digitalisierung zu erheblichen Umbrüchen kommen. Der Staat könne das begleiten, indem er etwa den Lohnausgleich zahlt.

Für ein einzelnes Unternehmen kann die Reduzierung der Wochenarbeitszeit in Krisenzeiten sinnvoll sein, flächendeckend ist sie es dagegen nicht, ist Oliver Stettes überzeugt, Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft. Wie bei der Kurzarbeit könnten Betriebe auf diese Weise eine schlechte Auftragslage ausgleichen. „Wenn aber alle die Arbeitszeit um 20 Prozent senken, bedeutet das 20 Prozent weniger Wohlstand“, sagt er. Von einem vollen Lohnausgleich für die Beschäftigten hält Stettes nichts, weil das die Arbeitskosten für die Firmen erhöht. „Das setzt die Unternehmen noch mehr unter Druck.“

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6 Kommentare

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  • 1G
    15797 (Profil gelöscht)

    "Der Staat könne das begleiten, indem er etwa den Lohnausgleich zahlt."



    Die Antwort dazu ist NEIN.



    Es geht nämlich auch anders herum.



    - Pauschalsteuer - für jeden Angestellten



    - Arbeitszeitbegrenzung für Angestellte oder Verbesserung der Überstundenbezahlung



    - Jeder 3. hat wohl schon jetzt Covid bedingte Einbußen bis hin zum Total Verlust.



    Reduzierung der wöchentlichen Gesamtarbeitszeit und/oder bessere Bezahlung könnten viele Jobs solidarisch schaffen.



    Sogar der Arbeitgeber nimmt dann daran Teil.

  • Man kann einiges an Unsinn fabrizieren machen, ohne dass es fürchterlich knallt. Aber wenn der Staat entscheidet, wer wie lange arbeiten darf und wieviel er dabei verdienen darf, dann entscheidet der Staat irgendwann auch, wer was wann in welcher Menge kaufen darf und wieviel er dafür zu bezahlen hat. Wenn es nicht zu ertragen ist, dass Menschen arbeitslos werden, dann ist es besser diesen Menschen Geld zu geben, damit sie es ertragen können als den Staat entscheiden zu lassen, wer wann wieviel arbeitet und wieviel er dabei zu verdienen hat. Wenn die Tarifpartner etwas vereinbaren, dann ist das ihre Sache. Aber es sollte keinen allgemeinen Zwang für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geben, sich in irgendeiner Form an dieser Tarifpartnerschaft zu beteiligen. Mehr gibts dazu eigentlich nicht zu sagen.

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Shaftoe:

      Gerade in Zeiten wie jetzt, sollte die Arbeitszeit reguliert werden. Überstunden und deren Bezahlung gehören auch dazu. Wer sich da nicht beugen will - ok, der soll eben selbstständig.



      Es geht aber nicht an, das Menschen in "Kurzarbeit" - Vollzeit arbeiten, Kurzarbeitergeld beziehen und wieder andere gar keine haben, wo andere Menschen in Bereichen wie medizinischer Versorgung, permanent ueberlastet sind.



      Es geht auch nicht darum, das Einkommen zu beschneiden, sondern darum, das Menschen mit einem Vollzeitjob auch davon leben können und nicht 2 Nebenjobs brauchen, damit ihnen der Gang zum Sozialamt erspart bleibt

    • @Shaftoe:

      Klar die Abschaffung des 12 Stundentags war ja auch eine freie Entscheidung der beteiligten Unternehmen. Kritik am Staat immer gerne, aber doch nicht dort, wo er Profitmaximierung zugunsten von Arbeitnehmer:innen eindämmen kann

  • Die Menschen hätten es mehr als verdient nur noch vier Tage in der Woche zu arbeiten - bei gleichem Lohn.

    Denn die Produktivität jedes einzelnen ist seit Einführung der Fünftagewoche um ein Vielfaches gestiegen - aber davon profitiert haben fast ausschiesslich die Unternehmer (grade die Großunternehmer, denn bei denen ist die Produktivität besonders stark gestiegen)

    Selbst wenn man (wie von den "etablierten" Parteien immer wieder gerne postuliert) die gestiegene Lebenserwartung einrechnet, bleibt ein Riesenungleichgewischt.

    Dann darf man auch nicht vergessen, dass die Produktion heute ja nichtmehr an das Vorhandensein von Rohstoffen gebunden ist - Dienstleistungen und immatrielle Güter brauchen keine Rohstoffe und können daher in jeder erdenklichen Menge produziert werden - ausschließlich durch Erhöhung der Produktivität.

    • 1G
      15797 (Profil gelöscht)
      @Bolzkopf:

      4 Tage Woche wäre gut - mit einem Einkommen, von dem man leben kann