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Hungerstreik vor dem ReichstagFast alle Ak­ti­vis­t:in­nen geben auf

Sechs von ursprünglich sieben Teil­neh­me­r:in­nen haben ihren Hungerstreik für eine radikale Klimawende beendet. Einer droht jedoch, die Aktion zu verschärfen.

Kündigt einen anderen Weg an: Hungerstreikender Henning Jeschke Foto: Wolfgang Borrs

Berlin dpa | Mehr als drei Wochen nach Beginn ihres Hungerstreiks für eine radikale Klimawende haben fast alle Teil­neh­me­r:in­nen aufgegeben. Drei weitere Ak­ti­vis­t:in­nen hätten wieder angefangen zu essen, teilte die Sprecherin der Aktion, Hannah Lübbert, am Mittwoch mit. Von ursprünglich sieben Hungernden sind somit sechs ausgestiegen. Ein junger Mann droht hingegen mit einer Verschärfung der Aktion.

Diese hatte am 30. August in der Nähe des Berliner Reichstagsgebäudes begonnen. Die Klimaaktivisten forderten ein öffentliches Gespräch mit den drei Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen am Donnerstagabend (23.9., 19 Uhr) sowie die Einsetzung eines Klima-Bürgerrats.

Es gebe keine Bereitschaft der Kandidaten zu dem Gespräch, erklärte Lübbert. „Würden wir weitermachen – wir würden sterben zugunsten eines kalten, fantasielosen politischen Weiter-So, das für alles Leben auf der Erde tödlich enden wird.“ Weiter hieß es in der Mitteilung: „Wir werden nicht länger auf die Politik warten. Wir dürfen nicht länger in der Hoffnung auf die Politik dem kaputten, zerstörerischen System dienen. Wir haben viel zu lange gewartet.“

Der letzte der ursprünglichen Teilnehmer, Henning Jeschke, hat auf Twitter einen anderen Weg angekündigt: Er will nach eigenen Angaben neben der Nahrung auch Flüssigkeit verweigern, falls das öffentliche Gespräch mit den Kanzlerkandidaten nicht zustande komme. Mit einem solchen „trockenen Hungerstreik“ droht auch eine junge Frau, die seit dieser Woche fastet.

„Fülle von gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten“

Die Kandidaten Armin Laschet (CDU/CSU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) hatten Einzelgespräche nach der Wahl angeboten und ein Ende der Aktion gefordert. Die Aktivisten beharren jedoch auf dem Termin am Donnerstag. Man werde den Kandidaten bis zuletzt einen Stuhl freihalten, erklärte Lübbert. Aber: „Wir wissen, dass diese Stühle leer bleiben werden. Deshalb rufen wir alle Menschen auf, sich diese Stühle zu nehmen – physisch oder sinnbildlich.“

Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hatte den Hungerstreikenden am Mittwoch Respekt gezollt, sie aber dringend zum Abbruch der Aktion aufgefordert. „Dass ihr alarmiert seid, ist nur folgerichtig – ich bin selbst in größter Sorge um die Zukunft unserer Zivilisation“, schrieb Schellnhuber in einem offenen Brief.

Falls irgendwann einmal alle realpolitischen Mittel ausgeschöpft seien, könne er sich sogar vorstellen, „mich selbst an einem Klimahungerstreik zu beteiligen“, schrieb der langjährige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Doch „noch steht uns eine Fülle von gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten zur Verfügung, bei denen niemand zwingend sein Leben für die Bewahrung der Schöpfung gefährden muss“.

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12 Kommentare

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  • Lieber Henning Jeschke,



    das Anliegen ist ernst und bleibt wichtig. Ihr habt euer Ziel nicht erreicht, und wenn ihr es erreicht hättet, wäre es eine Sensation gewesen.



    Aber jetzt ist dieses Möglichkeitsfenster geschlossen. Selbst wenn noch einer der drei Kandidat*innen einlenken würde, wäre keine Möglichkeit mehr, vor der Wahl wirklich ein fruchtbares Gespräch zu führen - denn dafür müsstest Du erholt, gesund und ausgeschlafen sein.



    Es ist eine große Bitterkeit, schon für mich als reine Beobachterin ist es schwer zu ertragen, dass es nicht möglich war, ein Gespräch - ein einfaches Gespräch!! - zu erwirken.



    Aber es ist trotzdem nicht so, dass in wenigen Monaten alles für immer verloren ist. Das stimmt einfach nicht. Nächsten Montag stehen wir wieder auf, sammeln die Scherben ein, begutachten, was noch verwendbar ist, und machen uns auf die Suche nach neuen Möglichkeiten. Viele sind längst dabei.



    Unglaublich viel hat sich übrigens auch bewegt in den letzten Wochen. Es war nicht zu erwarten, dass der Klimaschutz in der Woche vor der Wahl alle Medien beherrscht, in zahllosen Talkshows auftaucht, selbst in Lokalzeitungen als große Titelstory erscheint - all das ist aber passiert, und es hat auch mit euch zu tun. Wenn ein Friedrich Merz behauptet, dass Klimaschutz zu teuer ist, widersprechen ihm die EZB, Joe Kaeser und Blackrock. Um die alten Betonköpfe in der Politik wird es langsam einsam, darum machen sie soviel Lärm.



    Und darum seid ihr nicht komplett gescheitert. Ihr habt unglaublich viel bewegt. Nun bleibt, bitte bitte, am Leben und sucht Unterstützung bei denen, die an eurer Seite sind.

  • 2G
    2284 (Profil gelöscht)

    Beste Lösung:

    die mediale Aufmerksamkeit, die sie jetzt haben nutzen, das Gespräch statt mit den 3 nutzlosen Fatzken mit fitten Klimaforscher*innen führen und dabei nochmal genau aufzeigen, wo die Politik gerade versagt une auch unabhängig vom Ausgang der Wahl weiterversagen wird, weil eben keines der Wahlprogramme realistisch eine effektive Bekämpfung des Klimawandels herbgibt.

    Es gibt sowieso keine nutzloseren udn langweiligeren Gesprächpartner*innen, als Politiker*innen im Wahlkampf. Mit Leuten, deren gesamte Ausrichtung nur auf möglichst positive Selsbtdarstellung fusst, ist zu so einem unschönen und komplexen Thema sowieso keine Diskussion möglich, die nicht sofort ins Lächerliche abdriftet.

  • 3G
    32533 (Profil gelöscht)

    Auch ich ziehe meinen Hut vor Herrn Schellnhuber.

    Resonanz ist erreicht. Mächtig.

    Ich würde mich freuen, wenn die eigenen - berechtigten - Ängste nicht mit Gewissheiten verwechselt werden. Ängste ernst nehmen, ohne sich ihnen auszuliefern wäre ein kluges Motto.

    Mutige Menschen - jeder Altersstufe - werden jetzt gebraucht. Märtyrer nicht.

  • Ein großes Danke an Professor Schellnhuber für seinen Respekt und sein Verständnis.

    Ich bitte die verbleibenden zwei Aktivisten, auch aufzuhören. Es gibt zahlreiche tolle Menschen, die sich für eine Zukunft einsetzen - für uns selber und auch für euch, die nächste Generation. Zum Beispiel die großartige Maja Goepel. Auch wenn es noch lange nicht geschafft ist: Wir brauchen euch, damit es weiter geht.

    Hier noch eine Stellungnahme von Dr. Stefan Rahmstorff:

    twitter.com/rahmst...439111535616536579

  • Irgendwie ist das Modul "politische Repräsentation unserer demokratischen Interessen im Parlament" kaputt und funktioniert nicht mehr. Wir müssen es so schnell wie möglich ersetzen.

    In der Zwischenzeit muss halt die Zivilgesellschaft Aufgaben des Parlaments übernehmen. Wie zum Beispiel tatsächliche Führung zu übernehmen, Realitäten zu benennen, Lösungen zu sichten, und mehrheitsfähige Konzepte für eine CO2-freie Zukunft zu entwickeln.

    • @jox:

      Die Zivilgesellschaft geht am Wochenende wählen und wird Ihrem Konzept wahrscheinlich wie die letzten hundert Jahre wieder nicht folgen🤣

    • 9G
      92489 (Profil gelöscht)
      @jox:

      Was genau ist am Modul kaputt? Es können frei Parteien gegründet und frei gewählt werden. Was davon wollen Sie mit was ersetzen?

    • @jox:

      Naja, ich würde meinen, der Parlamentarismus funktioniert vor dem Hintergrund von Herrschaftsinteressen, Systemlogik, entsprechend geprägten (Macht)diskursen. Das Versprechen der Repräsentation und Politik für einfache Leute, Ärmere ... kann schwerlich eingelöst werden. Es ist wohl auch kaum ehrlich gegeben worden und ähnelt einer Lüge. Sozialer Aufstieg in größerem Umfang findet nicht statt, Interessen der Ärmeren und Mehrheit werden ignoriert. Die Hierarchie, Gliederung der Gesellschaft ist nach dem Feudalismus prinzipiell die gleiche geblieben - wenige, die Reichtum haben und dies weitervererben, viele die arm sind und arm bleiben. Es wirken bloß andere, durchaus geschicktere Mechanismen, die Herrschaft, Herrschende, Feindbilder usw. verschleiern. Mechanismen wie Verführung (Beispiel auf Betriebe umgemünzt: Anstellung als zu etwas mehr Gehalt dafür Durchsetzung von Chef*innenanweisungen), Bestrafung, Vereinnahmung & Scheinbeteiligung (Bürger*inneninitiativen, Bürger*innenräte), Korrumption, dezentraleres Geflecht an Herrschaftsstruktur (Parlament, Gerichte u.ä. statt absolut herrschender König), Scheinverlagerung auf das Individuum (neoliberale Eigenverantwortung) usw..

      • @Uranus:

        Tja. Machtdiskurse im Rahmen von 99% der Bevölkerung. Anarchisten und Bibeltreue Christen halt asgenommen 🤣 Und seien Sie beruhigt, Es sind keine Feindbilder. Auch De mag seine Exoten

      • @Uranus:

        So weitgehend würde ich das in der Allgemeinheit nicht sagen. Die Einsetzung der Parlamente waren ein echter Fortschritt und eine Demokratie ist ohne sie undenkbar. Das heißt freilich nicht, dass sie eine machtfreie und allseits gerechte Gesellschaft erlangt haben, aber zweifellos besser als zuvor.

        > " Die Hierarchie, Gliederung der Gesellschaft ist nach dem Feudalismus prinzipiell die gleiche geblieben - wenige, die Reichtum haben und dies weitervererben, viele die arm sind und arm bleiben."

        Das liegt daran, dass wir in allen Geselllschaften immer wieder mal in Strukturen zurückfallen, die es dort vorher gegeben hat, sei es Feudalismus, Zarismus, und so weiter. In Deutschland sind das feudalistische Strukturen. Demokratie muss immer neu errungen werden, das ist so.

        Ich denke, da hat es in den letzten 30 Jahren eher Rückschritte gegeben. Wenn Sie sich das in den 1970er/1980er Jahren entstandene Arbeits- oder Mietrecht anschauen - das wirkt ein wenig wie aus einer anderen Zeit. Und diese Fortschritte sind ausgehebelt z.B. durch prekäre Jobs.

        Aber die generelle Ungleichheit ist noch nicht ein Problem, das Gesellschaften kollabieren lässt oder Zivilisationen zugrunde gehen lässt. Ich denke, das Problem mit der Klimapolitik ist neben seiner Abstraktheit und hohen Anforderungen an breites naturwissenschaftliches Verständnis ein unglaubliches Maß an Korruption.

        Ich finde, die Rezo Videos beleuchten dieses Problem sehr gut:

        Tejl 1: Unehrlichkeit und Inkompetenz

        www.youtube.com/watch?v=rIj3qskDAZM

        Teil 2: Klimakatastrophe und Finanzierung von Parlamentariern durch Kohle-Konzerne wie RWE

        www.youtube.com/watch?v=Ljcz4tA101U

        Teil 3: Korruption

        www.youtube.com/watch?v=3Ya7pEDndgE

        Ich denke, die Abwahl der Altparteien und Übergang eines Teils der Macht an die Grünen wird das Problem sicher bessern, aber nicht lösen, weil solche Probleme quasi infektös sind und daher auch die Grünen erfassen werden.

        • @jox:

          Das ist ja wirklich cool, dass Rezo denkt, dass unter kurz nach Adenauer alles besser war als heute. 🤪

        • @jox:

          Gewisse positive Entwicklungen wie Bildungsrecht der Frau, Entkriminalisierung von Homosexualität u.ä. sehe ich auf jeden Fall. Dies sind keine Garantien, sondern müssen auch bspw. gegen patriarchale Reaktion verteidigt werden. Ungleichheit ist hierzulande mal geringer gewesen, das mag sein. Bloß hat sich grundlegend (!) nichts geändert. Es ist immer noch eine hierarchische Gesellschaft, dessen Struktur sie reproduziert. Herrschaftsstrukturen sind nicht besser, weil da etwas mehr Frauen, People of Color o.a. in Positionen drin sind. Es sind immer noch Herrschaftsstrukturen und das bedeutet Privilegierung von wenigen und Deprivilegierung von vielen. Der parlamentarische Weg hin zur Gleichheit wurde verraten - Sozialdemokraten. ;-) Auch die Grünen haben versagt. Dennoch würde ich von einer Grünen geführten Regierung eine bessere Politik erwarten als von einer SPD, CDU u.ä.w.. Was ich auch nicht glaube, ist, dass die Grünen notwendige Politik machen werden.



          Ich stimme zu, dass soziale Ungleichheit nicht das einzige Problem ist. Das ökologische (nicht nur Klima auch Massensterben der Tiere) ist mindestens gleichrangig. Aber auch diesbezüglich zeigt es sich, dass kurzfristige wirtschaftliche Interessen bzw. Interessen der Reichen bedient werden.



          Danke für die Links! In Rezos kürzliche Videos wollte ich sowieso noch mal hineinschauen. Auch wenn ich für mich wenig neue Erkenntnisse erwarte. Ist wohl auch für eine andere Zielgruppe gedacht.



          Schaute letztens einen Videomitschnitt eines Vortrages vom Kriminalbiolog*innen Dr. Mark Benecke zu Klima und Massensterben der Tiere an. Informativ und naja, nicht gerade erbaulich:



          herzausfels.de/202...ndel-artensterben/