Humboldt Forum in Berlin eröffnet: Kritik? Egal!
Bei der digitalen Eröffnung des Humboldt Forums im Stadtschloss ging man der Kontroverse aus dem Weg. Die wieder aufgeflammte Kritik war kein Thema.
Der Intendant des Forums, Hartmut Dorgerloh, hätte also auf Sirins Frage zu kritischen Stimmen im Allgemeinen und Nigerias jüngst erneut geäußerten Anspruch auf die Benin-Bronzen im Besonderen gut vorbereitet sein können. Stattdessen lautete seine freche Antwort, dass „uns die Leute die Bude einrennen werden“. Und wenig später flimmerten doch tatsächlich auf dem hohen Medienturm im Foyer des Forums wie zur Untermalung von Dorgerlohs Aussage Bilder ebenjener Bronzen, die im Rahmen der schrittweisen Eröffnung des Forums ab dem Spätsommer das Publikum in Scharen anlocken sollen.
Zur Erinnerung: Die Kritik am Humboldt Forum war immer harsch, ist aber zuletzt noch einmal zu Höchstform aufgelaufen. Ein Förderverein trommelt derzeit damit, den Palast der Republik wiederaufbauen zu wollen. Tags zuvor organisierte die Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum (CCWAHF), eine Gruppe von Kulturproduzent*innen in Berlin, einen Protestchor und eine Plakataktion auf dem Schinkelplatz.
Auch die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy, die bis 2017 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Humboldt Forums war und aus Protest zurücktrat, hat sich wieder zu Wort gemeldet, ebenso das Bündnis Decolonize Berlin mit der Website barazani.berlin, das die Geschichte der Kritik am Forum nachzeichnet.
Daniel Wesener, Grüne
Die brisanteste Diskussion aber, die gerade aufflammt und auf die Dorgerloh am Mittwochabend so unverschämt reagierte, ist die über die berühmten Benin-Bronzen. Jusuf Tuggar, der Botschafter Nigerias in Berlin, erneuerte erst vergangene Woche die Forderung an Deutschland, endlich die umstrittenen Benin-Bronzen zurückzugeben. Erstmal hat Nigeria das 1972 verlangt.
Im Jahr 1897 hatten britische Soldaten bei einer Strafexpedition Benin-Stadt verbrannt und unter anderem 3.500 bis 4.000 Bronzen geraubt. „Allein die Vorstellung, in der heutigen Zeit koloniale Raubkunst wie die Benin-Bronzen hinter der Fassade eines rekonstruierten Hohenzollern-Schlosses präsentieren zu können, lässt sich nur mit kuratorischer Naivität, kulturpolitischer Ignoranz oder einem Geschichtsbild von vorgestern erklären“, so Daniel Wesener, kulturpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, zur bräsigen Haltung des Humboldt Forums.
Nun ist es nicht an Hartmut Dorgerloh allein zu entscheiden, ob die Benin-Bronzen dorthin zurückdürfen, wo sie nun mal ohne Wenn und Aber hingehören. Anders als in Frankreich hat sich in Deutschland bislang wenig getan, was sich eine offizielle Linie in Sachen Rückgabepolitik nennen könnte.
Und auch in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die das Ethnologische Museum mitsamt den Bronzen verwaltet, spricht man noch immer lieber über den Ausbau der Kooperationen mit Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften als über Restitution. Und gerade deshalb wirkte die Antwort Dorgerlohs so anmaßend, dass sie sich wie ein hässlicher Schatten über den Rest der digitalen Eröffnung legte.
Immer wieder musste man sich fragen, ob die hartnäckige Kritik dieses Forum wirklich erneuert hat oder ob all die fortschrittlichen Akteur*innen nur deshalb zur Mitwirkung eingekauft wurden, um dem Ganzen einen frischen Anstrich zu verpassen und den Kern des Ganzen, die Frage nach angemessener Aufarbeitung des Kolonialismus, zu umschiffen.
Die Projekte im Humboldt Forum, die diese Frage wirklich aufwerfen, sie wurden bei der Eröffnung schlecht verkauft: Bei der Einführung in die Ausstellung „Nach der Natur“ der Humboldt-Universität zum Beispiel, wo drängende Fragen wie Klimawandel, Umwelt- und Generationengerechtigkeit verhandelt werden, kam der leitenden Kurator, Gorch Pieken, ganze zwei Minuten zu Wort.
Oder bei der Ausstellung des Berliner Stadtmuseums „Berlin Global“, wo es um das komplizierte Verhältnis Berlins zur Welt geht: Anstatt Kurator Paul Spies viel über die Ausstellung selbst erzählen zu lassen, in der es auch um die Auswirkungen des Kolonialismus auf die Stadt bis heute geht, lässt man ihn lustig über Armbänder plaudern, die man sich nach der analogen Eröffnung eingangs holen und am Ende wird auswerten lassen können. Der kolossale Cremekasten in Berlins Mitte ist und bleibt eine weiße Machtdemonstration des westlichen Kapitalismus – das hat die digitale Eröffnung am Dienstagabend vor allem gezeigt.
Es wird weiterhin großer Anstrengungen bedürfen, daraus ein echtes Labor, ein kontroverses Ausstellungshaus zu machen, wo sogar mit jenen noch über die unbequemsten Fragen gestritten werden kann, die es am liebsten abreißen würden.
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